zum Hauptinhalt

Katzenfutter nach Mitternacht: Im Späti brennt noch Licht

Wo man auch nach Mitternacht noch Katzenfutter oder Bier bekommt – und sich mancher Kunde kreativ revanchiert: Unterwegs in Potsdams Spätis.

Freitagabend, 22 Uhr: Die meisten Geschäfte in Babelsberg haben geschlossen, in den Straßen sind kleine Gruppen von Nachtschwärmern unterwegs, auf dem Weg zur Kneipe, zu Freunden, zu einem Konzert oder gleich zum Bahnhof Richtung Berlin. Jetzt noch ein Wegbier, Chips oder Zigaretten kaufen – kein Problem, der Späti in der Rudolf-Breitscheid-Straße 44 hat noch (lange) auf: „Spirituosen“ informiert eine blinkende Anzeige, die mit Getränken zugestellten Fenster des Weberhauses sind von bunten Leuchtbändern erhellt.

Drinnen sieht es aus wie in einem Tante-Emma-Laden: In den Regalen stehen Waschmittel, Hundefutter, Ravioli-Dosen, Bockwurst im Glas oder Kaffee, die gesamte Thekenfront ist mit Schokoriegeln, Kaugummis und anderem Knabberkram belegt. „Früher hatten wir noch viel mehr Sachen im Angebot, als wir sonntags noch öffnen durften“, sagt Mitarbeiter Yusuf Aydin. „Die Sonntage fehlen uns wirklich, da haben wir meist doppelt so viel Umsatz gehabt wie an Werktagen“, erzählt er. Er hat früher lange im Spätkauf an der Zeppelinstraße gearbeitet, der denselben Besitzer hat wie der Späti, in dem er jetzt tätig ist.

Ein Mann Ende 40 betritt den Laden und kauft die zwei Produkte, die hier den meisten Umsatz bringen: Ein Bier und eine Schachtel Zigaretten. Der Mann bezahlt und verabschiedet sich – ein Stammkunde, so wie 90 Prozent hier, sagt Aydin. „Bei den meisten muss ich gar nicht fragen, ich weiß schon immer, was sie haben wollen.“ Und die Kunden kommen keineswegs nur zwischen Feierabend und 21 Uhr, wenn der Ansturm am größten ist, sondern auch früh morgens, um sich Kaffee und Zeitung zu kaufen. „Das wird gut angenommen, die Anwohner haben sich gefreut, als wir 2015 hier aufgemacht haben, weil sie dann nachts nicht erst zur Tankstelle mussten.“

Aggressive Kunden zu später Stunde habe er bislang nur ein- oder zweimal gehabt, sagt Aydin. Passiert sei nie etwas. Hin und wieder gab es auch kuriose Begegnungen oder ungewöhnliche Kundenwünsche: „Manche fragen mich nach Brot, Käse oder Wurst, aber man kann nicht alles führen!“

Zwei Schüler betreten den Laden, nehmen sich zwei Flaschen Bier aus dem Regal und stellen sie auf den Tresen. Aydin schaut skeptisch: „Kann ich mal euren Ausweis sehen?“ Kann er, doch ein kurzer Blick genügt ihm schon: „Nein, einen richtigen Ausweis, keinen Schülerausweis.“ „Echt...?!“, fragt einer der Jugendlichen genervt. Die Jugendlichen ziehen ab, Aydin stellt die Bierflaschen wieder weg. „Schülerausweise kann man sehr leicht fälschen“, erklärt er.

Aydins Späti ist nicht der einzige in Babelsberg – dort gibt es sogar insgesamt drei: Nur 100 Meter entfernt am westlichen Eingang vom Bahnhof Babelsberg befindet sich seit 15 Jahren der „Lateshop“, der auch Asia-Produkte verkauft. Direkt gegenüber hat im Herbst 2017 ein weiterer Späti aufgemacht. Und wer nachts durstig ist, der bekommt auch im benachbarten Döner-Imbiss noch lange nach Mitternacht ein Bier oder eine Mate.

Obwohl Potsdams Nachtleben überschaubar ist, gibt es erstaunlich viele Spätis in der Stadt, insgesamt sechs (siehe Kasten). Der jüngste, der erst vor vier Monaten eröffnet hat, befindet sich im Bornstedter Feld: Mittlerweile ist es 23 Uhr, die Gegend rund um die Fachhochschule Potsdam ist nahezu ausgestorben. Nur ab und zu sieht man ein einzelnes Auto oder einen einsamen Fußgänger auf den Straßen. Doch bei „Spätkauf 63“ in der Georg-Hermann-Allee brennt noch Licht. Gerade hat ein junger Mann den Laden verlassen, einer der wenigen Kunden um diese Zeit.

„Die meisten Kunden sind Anwohner – viele schauen spät abends noch Fernsehen und dann fällt ihnen ein, dass sie gern noch ein kühles Getränk oder ein Eis hätten“, sagt Mahmut Palmanak, der hier bis drei Uhr die Spätschicht schiebt. Die Frühschicht übernimmt sein Bruder. Zu den Kunden gehören natürlich auch die Studierenden der Fachhochschule, von denen einige in der Nähe wohnen. „Die sind auch abends lange wach“, sagt Palmanak.

Palmanak fühlt sich wohl in seinem Laden, sowohl mit den Anwohnern als auch den Studierenden versteht er sich prächtig: „Manche bestellen ihren Kaffee und geben mir gleich mit einen aus. Es gibt sogar welche, die rufen mich vorher an und fragen, ob sie mir noch einen Döner mitbringen sollen.“ Er zeigt auf die Schaufensterscheibe, auf der mit Kreidestift verschnörkelt „Coffee to go“ geschrieben steht. „Das hat ein Design-Student heute für mich gemacht, einfach so“, sagt Palmanak: „Mir gefällt das, er will mir demnächst noch mehr an die Scheibe schreiben.“ Klar gebe es hin und wieder auch betrunkene und anstrengende Gäste, aber verglichen mit der Innenstadt sei es hier wesentlich entspannter: „Mein Onkel arbeitet in dem Späti am Alten Markt, da sind oft betrunkene Leute unterwegs“, sagt Palmanak.

Wie in den anderen Spätis auch sind Bier und Tabak die Bestseller bei ihm. Da sich sein Laden nicht in der Innenstadt befindet und zudem DHL-Pakete annimmt, hat er auch sonntags geöffnet. Dann gingen vor allem Butter, Eier, Käse oder Toast über die Theke. Aber manchmal muss auch Palmanak passen: „Gerade war jemand hier, der frische Äpfel haben wollte!“, erzählt er leicht belustigt.

Aber Palmanak hat auch Verständnis, denn in der Gegend fehlt es an Einkaufsmöglichkeiten, der nächste Supermarkt ist einen Kilometer entfernt – auch deshalb läuft sein Späti so gut. „Ich werde immer wieder gefragt, warum wir kein Obst und Gemüse verkaufen“, sagt er. Macht aber nichts. Einer seiner sieben Brüder werde demnächst einen Block weiter einen Obstladen eröffnen.

Geöffnet fast rund um die Uhr:

Spätkauf Babelsberg, Rudolf-Breitscheid-Straße 44, geöffnet montags bis freitags von 6 bis 2 Uhr sowie samstags von 9 bis 0 Uhr.

Lateshop Babelsberg, Karl-Liebknecht-Straße 3, geöffnet montags bis samstags von 8 bis 22.30 Uhr

Spätkauf S-Bahnhof Babelsberg, Karl-Liebknecht-Straße 136, geöffnet montags bis samstags 7 bis 2 Uhr

Spätkauf P-West, Zeppelinstraße 27), geöffnet montags bis freitags von 8 bis 2 Uhr sowie samstags von 8 bis 0 Uhr.

Spätkauf 63, Georg- Hermann-Allee 9, geöffnet montags bis donnerstags von 7.30 bis 1 Uhr, freitags von 7.30 bis 3 Uhr, samstags von 9 bis 3 Uhr und sonntags von 9 bis 22 Uhr

Spätkauf Alter Markt, Friedrich-Ebert-Straße 119, geöffnet montags bis samstags von 9 bis 0 Uhr

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false