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Landeshauptstadt: Im Zeichen des Drachen

Der Wiederaufbau der ehemaligen Matrosenstation Kongsnæs soll im Herbst abgeschlossen sein. Ein Besuch auf der Baustelle

Berliner Vorstadt - Fast alle 52 000 Schindeln aus Lärchenholz liegen schon auf dem Dach der Ventehalle. Durch die unterschiedliche Färbung ergibt sich ein hübsches Muster. Jede einzelne der schmalen, handgespaltenen Dachplatten wird mit vier Schrauben befestigt. Eine Fleißarbeit für die 15 polnischen Handwerker, die derzeit am Wiederaufbau der ehemaligen kaiserlichen Matrosenstation Kongsnæs am Jungfernsee arbeiten. Bis Herbst soll das Holzgebäude fertig sein und das geplante Restaurant eröffnen.

Vom Dachfirst recken zwei imposante rötliche Holzdrachen ihre Köpfe gen Himmel. Genau wie vor 125 Jahren. Damals wurde „der schwedische Pavillon Seiner Majestät des Kaisers in Potsdam“ eingeweiht, wie es in der Baugewerks-Zeitung von August 1892 heißt. Wilhelm II. unternahm mehrere Reisen ins damalige Schweden beziehungsweise heutige Norwegen. Auf diesen Nordlandfahrten fand er Gefallen an den hölzernen Stabkirchen aus dem 17. und 18. Jahrhundert und damaligen Neubauten. Von dem Architekten Holm Hansen Munthe ließ er sich in Schweden eine Matrosenstation bauen und dann in Einzelteilen nach Potsdam verschiffen. 40 000 Mark kostete ihn der Bau damals laut Baugewerks-Zeitung.

Die Rekonstruktion lässt sich der Investor, der Berliner Schmuck- und Uhrenhändler Michael Linckersdorff, nach eigenen Angaben „weit über zwei Millionen Euro“ kosten. Für den Kauf des Geländes hatte er der Stadt zudem 2009 bereits rund eine Million Euro bezahlt. „Dafür ist dieses wiederaufgebaute Denkmal etwas ganz Besonderes. Man sieht jetzt schon: Es wird perfekt“, sagte Linckersdorff am Mittwoch bei einer Baustellenbegehung. „Mit einer norwegischen Firma wäre es viermal so teuer geworden.“

Wer sich die Kongsnæs-Baustelle genauer anschaut, wundert sich kaum über den Preis. Als Linckersdorff das Grundstück kaufte, standen von der Ventehalle nur noch Fundament und zwei Bastionen daneben. Sie war im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und mutmaßlich von der SS abgebrannt worden. Nun steht der reich geschmückte Holzbau fast fertig am Wasser. Die Säulen, die rundherum das überstehende Dach stützen, sind alle mit geschnitzten Rosetten verziert.

Auch innen, wo man trotz noch fehlenden Bodens schon einen Eindruck von der Raumwirkung bekommen kann, fallen Details ins Auge. Die beiden Querbalken ziert je ein Königskopf. Diese achteinhalb Meter langen Stämme zu drechseln, war eine Herausforderung: Laut den Originalplänen, der Basis für den Wiederaufbau, sollen diese in einem Stück gefertigt werden. In ganz Europa fand sich aber keine Drechselmaschine, die für so lange Hölzer geeignet war. Ein polnischer Handwerker in den Karpaten baute deshalb eigens dafür eine Apparatur mit einem Traktormotor.

In der Ventehalle – zu Deutsch Wartehalle – konnte sich der Kaiser einst aufhalten, wenn er auf sein Schiff wartete, das gleich nebenan am kleinen Hafen anlegte. Dieser schmiegt sich an „des Königs Landzunge“, also Kongsnæs. Die Einrichtung war spartanisch. Ein Tisch, ein Stuhl, eine Toilette, das war’s. In einigen Monaten sollen hier und draußen die bis zu 120 Gäste des Restaurants mit „anspruchsvoller Gastronomie“, wie es Linckersdorff ausdrückt, Platz nehmen.

Anspruchsvoll war es auch, den Spagat zu schaffen zwischen Bauplänen aus der Kaiserzeit und aktuellem deutschen Baurecht. Klimaanlage und Heizung, Dämmung und Lüftung, all das muss untergebracht werden. „Von innen und außen sieht es aus wie das Original, aber mit versteckter Hightech“, sagt der Investor.

Eine Konzession an den Restaurantbetrieb ist der kastenförmige Funktionsbau nebenan für Küche und Toiletten. Eine weitere Abweichung vom Original ist die geplante Verglasung der Veranda. So sollen die Besucher auch im Winter gewärmt auf den See blicken können.

Genau die Gastronomiepläne waren es auch, die das Projekt jahrelang verzögerten. Die Grundsteinlegung erfolgte bereits 2010. Mehrere Anwohner – darunter auch Ex-„Bild“-Herausgeber Kai Diekmann und TV-Moderator Johannes B. Kerner – hatten aber mehrfach aus Furcht vor einer Großgastronomie im Welterbe gegen das Vorhaben geklagt. Doch Linckersdorff setzte sich durch. Neben der Ventehalle saniert er auch die bestehenden Bauten Kapitänshaus, Matrosenkaserne und Bootshaus auf der anderen Seite der Schwanenallee. Dort sollen bis Juli 2018 je drei Wohnungen hinein.

An der Ventehalle fehlen von außen nur noch wenige Teile: die geschnitzte Balustrade rund um die Veranda, einige weitere Drachen auf den vorstehenden Vordächern. Die beiden schon stehenden Drachen entfalten – auch wenn unterhalb noch die restlichen Schindeln in Stapeln darauf warten, aufs Dach geschraubt zu werden – schon jetzt ihre majestätische Wirkung. Kein Wunder, dass ihnen in der norwegischen Mythologie eine Schutzwirkung zugeschrieben wird.

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