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Historische Ereignisse: Konzept für Gedenkkultur gesucht

In Potsdam wird immer wieder darüber gestritten, welchen historischen Ereignissen wie gedacht werden soll: Nun sollen alle Konfliktparteien gemeinsam Leitlinien zum Gedenken erarbeiten.

Ob zum Jahrestag der Auschwitzbefreiung oder der Erschießung des Revolutionärs Max Dortu – immer wieder wird in Potsdam leidenschaftlich über Gedenkkultur gestritten. Nach einigen Ankündigungen beginnt die Stadtverwaltung jetzt, erstmals ein Gedenkkonzept zu erarbeiten. Wie Stadtsprecher Markus Klier am Dienstag erklärte, geht es „um eine Richtschnur für die Frage, an welchen Tagen wo gedacht werden kann oder werden soll.“

Interessierte Bürger und Initiativen der Stadt sind dabei aufgerufen, an den Leitlinien für das Gedenken mitzuarbeiten. Dazu sollen sie innerhalb der nächsten zwei Wochen selbst Vorschläge machen. Als Grundlage hat die Stadt ein Thesenpapier mit Fragen verschickt – unter anderem soll es um die Idee eines zentralen Gedenkorts gehen (siehe Kasten). Die Antworten sollen laut Stadtsprecher Klier bis zum 14. März als Übersicht zusammengestellt werden. An diesem Tag sollen die gesammelten Ideen in einem ersten öffentlichen Werkstattgespräch ab 17 Uhr diskutiert werden, vier Stunden lang. Der Ort dafür ist nach Angaben der Stadtverwaltung noch unklar und abhängig von der Zahl der Bürger und Initiativen, die tatsächlich das Konzept mitgestalten wollen.

Angeschrieben hat die Stadt rund 120 Gruppen, Gedenkstätten, Schulen, Kirchengemeinden und andere Einrichtungen aus Potsdam – die Bandbreite ist groß, das Konfliktpotenzial ebenso. So sind etwa die Autonome Antifaschistische Linke, die Vereinigung der Opfer des Stalinismus, der Bund der Vertriebenen, der Zentralrat der Juden, die Bundeswehr in Geltow sowie die Stiftung für den Wiederaufbau der Garnisonkirche und ihre Gegner zur Gedenkdebatte eingeladen. Potsdam habe eine sehr lebendige Gedenkkultur, teilte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mit: Dies müsse für ein Gedenkkonzept genutzt werden. Auch die Stadtpolitik und das Zentrum für Zeithistorische Forschung sollen sich beteiligen.

Seit Jahren schon wird in Potsdam eine ernsthafte Gedenkdebatte gefordert, auch weil es jedes Jahr an bestimmten Gedenktagen stets wiederkehrende Konfliktlinien gibt. Exemplarisch sind die Auseinandersetzungen zur Ehrung des 1826 in Potsdam geborenen Max Dortu – Jahr für Jahr hatten vor allem linke Stadtpolitiker kritisiert, dass Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den Freiheitskämpfer nicht genügend würdige. Erst im Januar hatte es erneut Streit wegen des Holocaust-Gedenkens gegeben, weil dieses auch im Innenhof der Gedenkstätte Lindenstraße 54 stattfand. Dies hatte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BDA) kritisiert. So würden verschiedene Verfolgungsperioden miteinander vermischt, erneuerte Lutz Boede vom Landesvorstand des Opfervereins gegenüber den PNN seine Bedenken. Die Lindenstraße 54 war Sitz des ehemaligen NS-Erbgesundheitsgerichtes und diente als Gefängnis sowohl während der NS-Herrschaft als auch in DDR-Zeiten – nach 1945 waren also auch Funktionsträger der NS-Zeit inhaftiert. Daher sei der Ort für NS-Opfer nicht zumutbar, monieren Kritiker – beim Auschwitzgedenken hatte der VVN-BDA folglich vor der Gedenkstätte demonstriert.

Boede sagte, bei der anstehenden Debatte über ein Gedenkkonzept hoffe er, dass bei einigen strittigen Fragen ein Konsens erreicht werde: „Ich bezweifle aber, dass man es allen recht machen kann.“ Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sagte, die überfällige Debatte werde hoffentlich zu allseits anerkannten Gedenkorten führen – ohne dass weiter gegeneinander gearbeitet werde. Es gehe dabei auch um eine gegenseitige Akzeptanz von Gedenkkultur, so der Linke-Politiker. Daniel Wetzel vom Verein Potsdamer Toleranzedikt sagte, ein Konzept sei auch nötig, um bisher nicht beachtete Termine künftig möglicherweise zu würdigen. So hatten DDR-Bürgerrechtler und Vertreter von Opferverbänden mehrfach Lücken in der Potsdamer Erinnerungskultur an die DDR-Diktatur beklagt. Demnächst steht mit dem 21. März auch die symbolträchtige Erinnerung an den Tag von Potsdam vor 80 Jahren an – also an den demonstrativen Schulterschluss zwischen Hitler und dem national-konservativen Reichspräsidenten Hindenburg an der Garnisonkirche. Unter anderem ist eine Demonstration gegen den Wiederaufbau der Kirche geplant – während die Stadt zum Beispiel eine Podiumsdiskussion und einen Demokratiespaziergang veranstalten will.

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