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HEYES Woche: Worthülsen und Sprachlügen

Zu den vielen sinnentleerten Begriffen, die wir hören oder lesen, ist ein neuer hinzugekommen: „Sparpaket“. Ergänzt wird er durch die ihn begründende Formel der Kanzlerin: „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“.

Zu den vielen sinnentleerten Begriffen, die wir hören oder lesen, ist ein neuer hinzugekommen: „Sparpaket“. Ergänzt wird er durch die ihn begründende Formel der Kanzlerin: „Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“. Wenn ich auf die Einkommenselite in Wirtschaft und Finanzwelt blicke, die vom „Sparpaket“ ausgenommen ist, mag zutreffen, was der Hinweis meint, „über die Verhältnisse“. Gilt das auch für Menschen, die laut der Studie des Deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts mit einem Nettoeinkommen von 860 bis 1844 Euro auskommen müssen?

Dazu gehören gut 62 Prozent der Arbeitnehmer. Der untere Rest fristet sein Leben unter der Armutsgrenze mit Netto 645 bis 700 Euro. Dennoch holt sich das „Sparpaket“ von diesen Menschen den größten Anteil: das Elterngeld oder den Heizkostenzuschuss. Aber darum geht es mir heute nicht. Ich ärgere mich über die Sprache, die dabei benutzt und zugleich verhunzt wird und die uns „verlogen“ entgegen kommt, weil sie das Gegenteil meint als die Worte nahe legen. Das „Sparpaket“. Sparen heißt ja eigentlich, etwas zurück zu legen, auf die bekannte hohe Kante legen. Ich spare für einen Wunsch, den ich mir so zu erfüllen hoffe. Das Sparpaket macht dies alles nicht. Es spart nicht, bestenfalls spart es ein. Es soll weniger ausgegeben werden, weil sonst die Schuldzinsen nicht mehr beglichen werden können. Allerdings erspart sich das „Sparpaket“ auf jene zu schauen, die weiter mit Boni und Gewinnbeteiligungen über unsere Verhältnisse leben. Ob das mit „Sparpaket“ gemeint war? Wohl nicht. Das „Sparpaket“ reiht sich ein in die vielen anderen Worthülsen, an die wir uns gewöhnt haben. Beispiel: „Freisetzen“. Das ist Worthülsen-Ersatz für „entlassen“ oder „feuern“ – was oft genug bedeutet, auf den Hartz IV-Stuhl setzen. Oder „verschlanken“: Bedeutet Entlassungen, wobei regelmäßig die Börsenkurse steigen, was wiederum die Einkommen der Manager steigert. Gern genommen: „Entsorgungs-Park“. Meint nicht nur die Müllabfuhr, sondern auch Giftstoffe oder Atommüll verbuddeln, klingt aber viel netter. Den „Arbeitsmarkt liberalisieren“ heißt: Den Kündigungsschutz kippen. Und was „sozial ausgewogen“ ist, wissen wir, seit es jenes „Sparpaket“ gibt, das die Verhältnisse, über die wir leben, wieder in Ordnung bringen soll. Wie erfreulich klar dagegen „Seeuferstreit“: Klingt wie ein Kampfbegriff und ist auch einer. Sagt, was er meint, ohne doppelten Boden. Mal eine Ausnahme von der Regel.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

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