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Aus einem Scherz geboren. Die Idee zur Baby-Musik, die auch am Computer entsteht (l.) , kam Katharina und Lucas Sehnert während einer TV-Dokumentation.

© L. Sehnert

Heartbeat aus Potsdam: Im Rhythmus des Lebens

Das Potsdamer Start-up Heartbeat Music macht aus den Herztönen ungeborener Babys Musik.

Poch-Poch. Poch-Poch. Dem Herzschlag seines ungeborenen Babys zu lauschen, hat wohl für die meisten werdenden Eltern etwas Magisches. Als Lucas Sehnert das Geräusch im vergangenen Sommer in einer Dokumentation im Fernsehen hörte, klang es in seinen Ohren wie Musik. Er trommelte und klopfte zu dem Rhythmus auf den Tisch. Seine Frau Katharina schlug im Scherz vor, daraus ein Lied zu machen.

Aus diesem Erlebnis auf dem Wohnzimmersofa der beiden ist die Idee für Heartbeat Music geboren. Für einen Testlauf zeichnete eine Freundin der beiden den Herzschlag ihres Embryos bei der Frauenarzt-Untersuchung mit dem Handy auf. Sehnert, der Ton- und Musikproduktion an der Hochschule der populären Künste in Berlin studiert hat, spielte zu dem Klang ein Lied ein. „Die Idee ist neu. Es gibt von Bauchabdrücken während der Schwangerschaft über Bilder von den Ultraschalluntersuchungen viele Angebote, um diese besonderen Momente festzuhalten“, sagt Lucas Sehnert. „Aber so eine akustische Erinnerung gab es vorher nicht.“ Das Ergebnis gefiel ihm und allen, denen er es vorspielte, und im Januar 2017 gründete das Paar ihr Start-up mit Sitz in Potsdam.

„Die Gründungsberatung hier in Potsdam war viel besser als in Berlin“, erklärt der 30-Jährige mit blauem Poloshirt und Gel in den Haaren seine Entscheidung für den Standort. Die Berliner Gründerszene sei sehr technisch orientiert. „In Potsdam hatten wir tolle Ansprechpartner, zum Beispiel von der Zukunftsagentur Brandenburg, die uns wertvolle Tipps gegeben und uns bei der Bürosuche geholfen haben.“

Über die Homepage der Firma können Kunden nun ein persönliches Lied mit dem Herzschlag des eigenen Kindes bestellen. Lucas Sehnert nimmt die eingeschickte Aufnahme der Herztöne als Rhythmus und spielt dazu mithilfe seines Computers, Klavier und Gitarre ein Lied ein. Das können Kinderlieder oder auch bekannte Popsongs sein, die er instrumental covert. Auch Eigenkompositionen sind möglich, theoretisch auch mit Gesang. Mehrere Stunden bastelt er an jedem Song, fügt hier eine Rassel ein, da den Klang einer Spieluhr. Denn die Musik soll auch kindgerecht sein und die Babys beruhigen. Sein bester Testhörer sei Susi, Sehnerts Cocker-Spaniel-Dame: „Wenn sie ruhig daliegt oder beim Zuhören einschläft, ist das ein gutes Zeichen.“ Je nach Aufwand berechnet die Firma zwischen 100 und 200 Euro pro Lied.

Ein Budget für große Werbeaktionen gibt es bisher nicht, doch die Mund-zu- Mund-Propaganda läuft. Lucas’ Frau Katharina, die einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund hat und Teilzeit beim Deutschen Institut für Normung arbeitet, kümmert sich nebenher um die Öffentlichkeitsarbeit. Seit Jahresbeginn sind rund 50 Bestellungen bei Heartbeat Music eingegangen, jeden Monat werden es mehr. Geholfen hat dabei auch ein Beitrag der Familienthemen-YouTuberin Jessica, die in einem mehr als 50 000 Mal angeklickten Video ihr Päckchen mit dem Song von Heartbeat Music öffnet und gerührt anfängt zu weinen.

Genau diese Reaktionen sind es, die Lucas Sehnert motivieren. Der junge Musiker hat zuvor für verschiedene Fernsehproduktionen, Musicals und Künstler Musik gemacht und verdient damit bis heute sein Geld. Denn mit der eigenen Firma kann er bisher seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Doch das Feedback der Eltern ist ihm sehr wichtig. „Beim Fernsehen verdient man zwar sehr gut, aber keiner sagt einem hinterher, wie die Musik war. Wenn ich die Herzschlag-Lieder verschicke, bedanken sich die Kunden, sie freuen sich richtig und sind tief berührt. Daran hängen sehr emotionale Erinnerungen.“ Eine Kundin wünschte sich beispielsweise das Lied „Sound of Silence“, auf das ihr Baby schon im Bauch reagiert hatte. Eine Mutter spielte das Ergebnis bei der Tauffeier vor, ein Vater schenkte es seiner Frau zum Muttertag.

Mit weicher Stimme erzählt Lucas Sehnert, selbst ganz gerührt, von einer Frau, deren Kind an einem Herzfehler gestorben war und die bei ihm ein Lied als Erinnerung bestellt hat: „An ihrem Song habe ich sehr lange gesessen. Ich wollte unbedingt, dass es gut wird. Zum Glück war sie sehr zufrieden.“

Dieser emotionale Aspekt treibt Lucas Sehnert an. Wenn es gut läuft, kann er sich vorstellen, aus Heartbeat Music seinen Hauptberuf zu machen. Derzeit arbeitet er noch viel von seiner Wohnung in Berlin aus. Doch Katharina und er planen einen Umzug nach Brandenburg, auch ein Grund für den Firmensitz in Potsdam. Ihr Traum: Ein Haus mit eigenem Studio im Keller, um noch mehr Herzschlagmusik einspielen zu können.

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