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Handwerkskammer Potsdam: „Wir müssen im Netz aktiver werden“

Der neue Potsdamer Handwerkskammer-Präsident Robert Wüst spricht im PNN-Interview über die Ziele für seine Amtszeit.

Von Matthias Matern

Herr Wüst, am Mittwoch sind Sie zum Antrittsbesuch bei Oberbürgermeister Jann Jakobs. Sie sind also noch auf Vorstellungstournee? Wenn Sie noch etwas bewegen wollen, müssen Sie sich aber beeilen. Im April wurden Sie gewählt, im kommenden März endet Ihre Amtszeit schon wieder.

Ja, ein Jahr ist nicht viel Zeit und die Kennenlernrunde ist noch nicht abgeschlossen. Wir sind noch mittendrin.

Würden Sie gerne Präsident bleiben oder haben Sie schon genug?

Nein, das Ehrenamt macht Spaß. Ich steige mit Freude ins Auto, wenn Termine für das Handwerk anstehen. Und klar würde ich gern weitermachen.

Ihre Heimat ist die Prignitz, der Hauptsitz der Kammer ist in Potsdam. Wie viel Zeit verbringen Sie auf der Straße?

Es geht. Von Potsdam bis in die Prignitz bin ich nur knapp über eine Stunde unterwegs. Außerdem nutze ich die Zeit im Auto effektiv, um mich gedanklich vorzubereiten.

Als zentrales Thema haben Sie sich die Sicherung des Berufsnachwuchses gesetzt. Derzeit sind mehr als 500 Lehrstellen beim Handwerk in Westbrandenburg unbesetzt. Wie groß ist das Problem beim Handwerk in der Region Potsdam?

Das Thema Fachkräftesicherung/Nachwuchsgewinnung ist die zentrale Herausforderung des Handwerks allgemein, ob es nun in Potsdam ist oder im Landkreis Teltow-Fläming. Sicherlich gibt es attraktivere Regionen und weniger attraktivere. Allerdings dort, wo es vermeintlich attraktiver ist und es mehr Jugendliche gibt, die auch einen Beruf erlernen wollen, gibt es auch mehr Firmen, die im Wettbewerb um den Nachwuchs stehen. Aber wir sind an dem Thema dran, beraten unsere Betriebe, präsentieren uns in Lehrstellenbörsen und auf Ausbildungsmessen und bieten den jungen Leuten zum Beispiel auch eine Lehrstellen-App an. Wir sind schon ganz gut aufgestellt, aber es kann natürlich immer noch besser werden.

Man sollte meinen, dass zumindest in den Gemeinden rund um Berlin Betriebe auch von Jugendlichen ohne Lehrstelle aus der Hauptstadt profitieren können.

Könnte man meinen, dem ist aber leider nicht immer so. Denn viele Jugendliche in den berlinnahen Regionen gehen auch den entgegengesetzten Weg, also zur Ausbildung nach Berlin.

Was kann man da machen?

Wir müssen zusehen, dass wir das Handwerk noch weiter in die Köpfe der jungen Menschen bekommen. Und was mir noch ganz wichtig ist, wir müssen vor allem auch die Eltern davon überzeugen, dass im Handwerk alle Perspektiven vorhanden sind.

Sie haben gesagt, Sie wollen das Handwerk stärker in das Bewusstsein junger Menschen bringen. Das versucht das Handwerk doch schon seit Langem. Was wollen Sie besser machen?

Ich denke, dass wir die Hilfsmittel, die die digitale Welt heute bietet, noch mehr nutzen müssen. Wir treffen die jungen Menschen in den sozialen Medien. Hier müssen wir noch aktiver werden. Andere Verbände und Berufszweige machen uns das vor. Junge Menschen informieren sich über das Internet, also müssen wir auch da präsent sein.

Mit 30 Jahren sind Sie der bislang jüngste Präsident einer Handwerkskammer in Brandenburg. Nutzen Sie selbst soziale Medien, twittern Sie, sind Sie regelmäßig auf Facebook aktiv?

Ich muss gestehen, dass auch ich bis vor ein paar Jahren noch ein bisschen scheu war, mich in sozialen Netzwerken zu outen. Allerdings nutze ich Facebook inzwischen auch. Anfangs einfach, um alte Schulkontakte wieder zu aktivieren. Und ganz klar, meine Tochter zeigt mir, wie es geht. Ich bin also mit Sicherheit kein Profi, aber kann da schon ein Stück weit mitreden.

Gerade in einer eher bürgerlich geprägten Region wie der rund um Potsdam ist die erste Wahl trotzdem oft ein Studium. Wo können Sie da ansetzen?

Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Früher hieß es ja immer: Kind mach erst mal eine Lehre. Danach kannst du immer noch studieren. Das hat sich gewandelt. Jetzt heißt es, erst studieren und dann wird man schon sehen, wo die Reise hingeht. Das ist der falsche Weg. Oftmals ist das aber auch dem geschuldet, dass die jungen Menschen zum Ende der Schulzeit noch gar nicht so genau wissen, was sie werden wollen. Ich denke, dass es schon in den Schulen – und zwar in allen Schulformen – so ab der 7. Klasse wichtig ist, anzufangen, eine Berufsorientierung anzubieten, sodass sich die Schüler verpflichtend mit ihrer beruflichen Perspektive auseinandersetzen.

Ist das auch ein Appell an die Landespolitik? Es hat sich ja bereits einiges getan.

In Brandenburg ist ein Berufsorientierungskonzept richtig, das in den nächsten Jahren flächendeckend sogenannte Potenzialanalysen anbietet. Allerdings würden wir uns wünschen, dass die Erfahrung des Handwerks dabei mehr einbezogen wird. Dass etwa unsere jährlichen zwei Praxiswochen in den Bildungszentren des Handwerks ebenfalls integriert werden – damit die Jugendlichen Handwerk wirklich erfassen können und den Praxisbezug erleben.

Sie selbst sind in fünfter Generation Inhaber eines Handwerksbetriebs. Machen Sie sich Sorgen um die Nachfolge?

(Lacht) Ich habe drei Kinder. Die Chancen stehen also gut. Ich habe zudem das große Glück, nach langer Zeit auch wieder einen Lehrling zu haben. Ich hoffe natürlich, dass eines meiner Kinder die Firma irgendwann übernimmt. Wenn es nicht so ist, wird es kritisch.

Was können denn die Betriebe tun?

Alle Kanäle nutzen. Unsere Lehrstellen-App, Arbeitsagenturen, Jobbörsen, Facebook, soziale Medien, Printmedien. Und: die Firma immer selbstbewusst nach außen präsentieren.

Die Hoffnung, dass die vielen Geflüchteten den Fachkräfte- und Azubimangel etwas lindern könnten, ist zurückgegangen. Was sind die größten Hemmnisse?

Das A und O ist die Sprache. Ohne Sprachkenntnis wird die ganze Integration scheitern. Denn unsere Betriebe – im Durchschnitt vier Leute – können keinen Dolmetscher einstellen. Dann ist es natürlich wichtig, dass der Betrieb weiß, welches Potenzial ein Flüchtling hat. Nicht jeder, der kommt, bringt schließlich Zeugnisse mit.

Seit April bietet die Handwerkskammer in ihrem Zentrum für Gewerbeförderung in Götz Integrationskurse für Flüchtlinge an. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

Gut. Wir sind inzwischen im zweiten Kurs. Der erste Kurs wurde bereits erfolgreich abgeschlossen. Wir sind gerade dabei, die Teilnehmer aus dem ersten Kurs weiterzubilden und fit für den Arbeitsmarkt zu machen.

Gab es Überraschungen?

Ich war bereits ein paar Mal in den Lehrgängen, um mir selbst ein Bild zu machen. Was mich verblüfft hat, ist, dass viele Teilnehmer gute handwerkliche Fähigkeiten besitzen. 

Sie wollen sich ja im März wieder zur Wahl stellen. Wie enttäuscht wären Sie, wenn es nicht klappt?

Sicherlich wäre es schade, weil mir die Arbeit einfach Spaß macht und ich noch viel bewegen will. Man hat zudem ja auch noch Ideen im Kopf, die man umsetzen will, wofür ein Jahr einfach zu kurz ist.

Das Gespräch führte Matthias Matern

ZUR PERSON: Robert Wüst (30) ist seit April 2016 neuer Präsident der Handwerkskammer Potsdam. Er trat damit die Nachfolge für Jürgen Rose an, der im Februar überraschend verstorben war.

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