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Hamburger Modell. Ähnlich wie an der Alster könnten am südlichen Ufer der Havel in der Nähe vom Zentrum-Ost neue Wohnquartiere am Wasser entstehen – Haveldocks nennen die Schöpfer denn auch folgerichtig ihre Zukunftsvision.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Gurken züchten am Stadtschloss

Mit gewagten Ideen und realistischen Plänen entwarfen Studenten nach Schinkels Vorbild ein neues Potsdam

Zwischen alten Plattenbauten und modernen Terrassenrestaurants schaukeln Segelyachten im neuen Potsdamer Hafenbecken im Zentrum-Ost. Nicht weit entfernt knattern Sportboote durch den historischen Stadtkanal. Auf der anderen Seite der Innenstadt lassen Kinder im Flussschwimmbad das Havelwasser spritzen und Touristen schlendern im Licht der Abendsonne von der Speicherstadt über eine futuristisch gezackte Brücke hinüber zum Hinzenberg – sie sind auf dem Weg in ihr Gästehaus, das gleich hinter einer Einkaufs-, Wohn- und Gartenwelt auf dem Lustgartenareal entstanden ist. Von hier sind es nur wenige Schritte bis zum Nuthepark am Hauptbahnhof, dem Tor der Stadt zum Flughafen in Schönefeld.

Ideale Realitäten oder Potsdamer Träumereien? Unter dem Motto Friedrichs des Großen „Potsdam, Potsdam, was brauchen wir, um glücklich zu sein“ hatte der Berliner Architekten- und Ingenieurs-Verein die Ideenvorräte zahlreicher junger Architekturstudenten, Landschaftsplaner Ingenieurbauer, Verkehrsexperten und Künstler für den diesjährigen Schinkel-Wettbewerb angezapft. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Insgesamt 234 Arbeiten aus Deutschland, England, Irland, Italien, Österreich, der Schweiz und den Vereinigten Staaten gingen bei der Jury ein – mehr als noch vor zwei Jahren, als Berlins neue alte Mitte auf der Agenda stand. Die jungen Stadtplaner waren anlässlich des Friedrich-Jubiläumsjahres aufgerufen, Potsdams Stadtmitte, von der Speicherstadt über den Lustgarten, der Freundschaftsinsel, dem Areal südlich und nördlich der Neuen Fahrt bis zum Zentrum-Ost zu beplanen.

Ein Stadtgebiet mit Potenzial, wie Jury-Chef Rainer Norten am Montag zur Präsentation der 13 Siegerentwürfe in der Fachhochschule am Alten Markt erklärte. „Dieser Bereich hat dringend einer Ideenwerkstatt bedurft“, so Norten. Es sei der Jury um die besten, nicht um die realistischsten Ideen gegangen. „Wir wollten, dass die Studenten und Absolventen ihre Scheuklappen abnehmen.“ So wurden zum Teil DDR-Plattenbauten wie der Staudenhof an der Nikolaikirche in die Pläne integriert oder eben nicht.

Geht es nach Sebastian Pietzsch und Martin Reil, dann könnten die Potsdamer zukünftig in einem neu angelegten Nuthepark nördlich vom Hauptbahnhof ihre Freizeit genießen. Der Siegerentwurf des Studentenduos der TU Dresden sieht neben einem Wohnhausriegel großflächige Rasenterrassen gegenüber des Bahnhofs vor. Auch eine Veranstaltungsfläche und eine Brücke, hinüber zur Freundschaftsinsel könnte es geben. Wieder andere Vorschläge zerschneiden das Areal zwischen Hauptbahnhof und Freundschaftsinsel in ein Dutzend weitere Inseln. Unter der Überschrift „Inselmosaik“ sollen auf ihnen Wohnungen entstehen, aber auch Erholungsflächen. Wieder andere Studenten empfinden den Hauptbahnhof als „städtebaulichen Befreiungsschlag“, dem eine weitere, dichte Quartiersbebauung im Norden folgen könnte.

Insgesamt werden in der Fachhochschule 160 Arbeiten vorgestellt – von aufwendigen Brückenkonstruktionen wie der „Fackel von Potsdam“ bis zur Marina für das Zentrum-Ost. Auch Straßenbahnen, die auf Regionalbahngleisen bis nach Schönefeld, Teltow, Wannsee oder Jüterbog fahren, gehören dazu, ebenso ein Gewächshaus im Lustgarten – zum Gurkenanbau am Stadtschloss.

Der wiederhergestellte Stadtkanal zählt indes zu den wichtigsten Merkmalen des einzigen Potsdamer Vorschlags. Die FH-Studenten Juliane Herklotz, Stephan Meinusch, Sascha Grundmann und Tobias Wertheimer haben die Straße am Kanal neu geplant: Mit Einbahnstraßen- und Tempo-30-Regelungen, vier Meter breiten Fußwegen und einer Straßenbahn, die künftig durch die Charlottenstraße rollen soll. „Wir haben alles durchgeplant“, sagte Herklotz. Etwa 20 Millionen Euro müsste die Stadt zahlen. In zweieinhalb Jahren könnten die ersten Boote über den Kanal rauschen. Baudezernent Matthias Klipp (Bündnisgrüne) lobte die Idee, doch der Stadt fehlten die nötigen Millionen. Aber: „Wenn das Geld da ist, gibt es einen Auftrag“, sagte Klipp.

Die Entwürfe sind noch bis zum 16. März täglich von 13 bis 18 Uhr im Schaufenster der Fachhochschule Potsdam am Alten Markt ausgestellt. Der Eintritt ist frei.

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