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Wieder da. Joachim Zehner begrüßt in die Kirche Wiedereingetretene – darunter Ines Vogel (u. r.).

© M. Thomas

Glaube in Potsdam: Willkommen zurück

Am Wochenende fand ein Pfingstgottesdienst in Sanssouci für 70 Gläubige statt, die wieder in die evangelische Kirche eingetreten sind.

Potsdam - Warum sie einmal aus der Kirche ausgetreten ist, kann Ines Vogel heute gar nicht mehr genau sagen. Einer ihrer Gründe sei die Kirchensteuer gewesen, sagt die Werderanerin. „Deshalb war ich ein paar Jahre lang nicht in der Kirche.“ Warum sie wieder eingetreten ist – die Antwort fällt der 47-Jährigen schon viel leichter. „Meine Großeltern sind schon lange tot. Mir fehlte ein Ort zum Gedenken.“

Im Herbst vergangenen Jahres trat Vogel deshalb wieder in die Evangelische Kirchengemeinde ein. Damit ist sie eine von 70 Gläubigen, die in den vergangenen zwei Jahren den Weg zurück in den Kirchenkreis Potsdam gefunden haben. Er umfasst 22 Gemeinden in Potsdam, Werder und Umgebung. Für Vogel und die anderen gab es am gestrigen Pfingstmontag einen Empfang mit anschließendem Gottesdienst in der Friedenskirche in Potsdam-Sanssouci.

„Die Salbung ist der Höhepunkt“, erklärt Joachim Zehner, Superintendent und zuständiger Pfarrer. So waren die Wiedereingetretenen eingeladen, sich mit Salböl ein Kreuz auf die Stirn oder auf die Hand zeichnen zu lassen – zur Erinnerung an die eigene Taufe, die die Rückkehrer einst hatten. Doch auch alle anderen Gottesdienstbesucher durften daran teilnehmen.

„Der Glaube war also immer da“

„Die Tauf-Erneuerung war wirklich ein schönes Erlebnis“, findet Thomas Berbrich aus Brieselang. Für ihn hatte der Wiedereintritt in die Kirche vor einem Jahr zwei Gründe: Zum einen hat er einen Quereinstieg als Religionslehrer an der Immanuel Kant-Gesamtschule in Falkensee gewagt. Doch über das Formelle hinaus, sagt er, habe der Wiedereintritt für ihn auch eine wichtige „innere Bedeutung“. Aus der Kirche ausgetreten sei er bereits Mitte der 90er-Jahre. „Ich habe evangelische Theologie studiert und wollte mich erst mal vom Strom der Großkirchen verabschieden“, erzählt der 52-Jährige. Lange Zeit arbeitete er als Pastor in der evangelischen Freikirche und als Dozent an der Volkshochschule. „Der Glaube war also immer da“, erklärt er. „Schon in den Jahren vor meinem Wiedereintritt habe ich mich dem theologischen Erbe wieder verstärkt zugewandt.“ Ein sehr intensives und schönes Gespräch mit Zehner in der Nikolaikirche – jeden Mittwoch hat dort die Kircheneintrittsstelle geöffnet – habe ihn dann zu seiner Rückkehr bewegt.

Anke Wurtzbacher ist zum Gottesdienst gekommen, weil sie nach jahrelanger Mitarbeit in der Gemeinde – auch sie war zuvor in einer freien Kirche – einen offiziellen Schritt gehen wollte. „Ich singe im Chor und organisiere den Kindergottesdienst“, sagt die Potsdamerin. „Außerdem wollen meine Kinder getauft werden.“ Mit dem Eintritt in die evangelische Gemeinde habe sie „endlich beide Füße ins Boot“ holen wollen.

Wiedereintritte gibt es auch in der katholischen Kirche

Im Gottesdienst selber gab es für die Besucher neben der Tauf-Erneuerung auch zum Thema passende Lieder und Zehner las Psalmen, die den Rückkehrern Mut machen sollen. Außerdem erzählte er von Begebenheiten aus der Wiedereintritsstelle. Zehner bemühte sich um eine unterhaltsame Gestaltung für die alten Neuen. „Im Bus in Berlin kommt alle vier Minuten die Ansage: Zu Ihrer eigenen Sicherheit halten Sie sich bitte fest“, erzählte er von einem Hauptstadtbesuch. „Ich wünsche, dass jeder im Glauben an Jesus Christus einen festen Halt findet.“ Zudem las er die Namen aller Wiedereingetretenen vor und ließ ihnen eine Kerze anzünden. „Mit Freuden nehmen wir sie wieder auf“, betonte er dabei. Im Anschluss an den Gottesdienst und Abendmahl trafen sich die Wiedereingetretenen zu einer kleinen Stärkung im Atrium der Friedenskirche und konnten untereinander ins Gespräch kommen.

Wiedereintritte gibt es auch in der katholischen Kirche. Wie Propst Klaus-Günter Müller von der Kirchengemeinde St. Peter und Paul den PNN sagte, fand in diesem sowie im vergangenen Jahr nur jeweils eine einst ausgetretene Person zurück zur Katholischen Kirchengemeinde Potsdam, im Jahr 2016 waren es zwei.

Erwachsenentaufen zu Ostern

„Die Gründe für den Wiedereintritt sind ganz individuell“, sagt der katholische Gemeindeprobst. Oft seien es persönliche Erlebnisse, die die Menschen zum Wiedereintritt bewegten. „Das kann zum Beispiel eine Begegnung mit Menschen sein, die ihren Glauben leben“, sagt Müller. „Dann wollen sie ihr Verhältnis zu Gott wieder in Ordnung bringen und stellen ihren Austritt doch noch mal infrage.“ Von einer Tendenz könne man nicht sprechen. „Es ist kein warmer Regen, sondern eher ein Tropfen.“

Dennoch: Die katholische Gemeinde der Peter-und-Paul-Kirche könne sich nicht über einen Rückgang der Mitglieder beklagen. So verließen zwar im vergangenen Jahr 103 Menschen die Gemeinde, gleichzeitig traten aber mehr als 300 Personen bei – bedingt auch durch den hohen Zuzug nach Potsdam. Derzeit zählt die Gemeinde rund 7300 Mitglieder. „Es ist aber nicht mehr so, dass man Kirchenmitglied aus Tradition ist. Heute spielt die persönliche Entscheidung eine große Rolle“, sagt Müller. „Ich durfte gerade an Ostern zwei Erwachsenentaufen vornehmen“, freut er sich.

Ines Vogel wird die evangelische Kirche in Zukunft öfter aufsuchen, da ist sie sich sicher. „Nicht nur die Kirche in Werder. Ich fühle mich zu Kirchen hingezogen. Ich habe gemerkt, dass mir etwas gefehlt hat“, sagt sie. Das möchte sie jetzt aufholen.

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Lesen Sie weiter: Interview mit Joachim Zehner „Die Sehnsucht, glauben zu können, ist stark“

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Anne-Kathrin Fischer

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