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Landeshauptstadt: Gewalt im Internat: Anklage gegen Elite-Sportschüler Amtsgericht entscheidet über Prozess / Wohnheim: Mehr Mitarbeiter / Titel „Elite-Schule“ in Gefahr?

Potsdam-West - Nach den Missbrauchsvorwürfen an der Potsdamer Elite-Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“ hat die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage gegen zwei 16-jährige Schüler erhoben. Ihnen werde Nötigung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, sagte Behördensprecher Ralf Roggenbuck am Dienstag.

Potsdam-West - Nach den Missbrauchsvorwürfen an der Potsdamer Elite-Sportschule „Friedrich Ludwig Jahn“ hat die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage gegen zwei 16-jährige Schüler erhoben. Ihnen werde Nötigung und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, sagte Behördensprecher Ralf Roggenbuck am Dienstag.

Die beiden Nachwuchshandballer des VfL Potsdam sollen sich Ende September 2011 im Internat der Schule an zwei 13 und 14 Jahre alten Mitschülern vergangen haben. Allerdings ist in der Anklageschrift keine Rede mehr von einer sexuellen Nötigung, die anfangs vermutet worden war. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, „dass es sich um eine Bestrafungsaktion ohne sexuelle Motivation gehandelt hat“. Ein Prozesstermin vor dem Jugendgericht ist noch offen. Es werde noch entschieden, ob die Anklage zugelassen wird, sagte der Sprecher des Amtsgerichts Wolfgang Peters. Wegen des jugendlichen Alters aller Beteiligten würde ein Prozess nicht-öffentlich stattfinden.

Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt – nicht nur wegen der Misshandlung selbst, sondern auch, weil die Betreuer, denen sich die Opfer anvertrauten, nichts unternommen hatten. Im Internat wurde die gesamte Führungsriege sowie ein Trainer suspendiert und eine Übergangsleitung eingesetzt. Inzwischen gibt es eine neue Internatsleitung. Die frühere Chefin, die zurzeit der Übergriffe im Urlaub war, ist nun im Sozialbereich der Stadtverwaltung tätig. Zwei Mitarbeiterinnen wurde gekündigt. „In diesen Fällen lag nach unserer Ansicht ein grobes Fehlverhalten vor“, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow. Die Betroffenen wehren sich juristisch gegen die Kündigung, hieß es.

Dagegen durften die nun angeklagten Schüler nach ihrer Suspendierung einige Wochen später wieder an die Eliteschule am Luftschiffhafen zurück, wie die Lehrerkonferenz mehrheitlich entschied. Erst nach der Sitzung wurde bekannt, dass der Handball-Lehrertrainer der Schule vor den anderen Lehrern Informationen zu einem früheren Gewaltdelikt eines Angeklagten an einem Mitschüler zurückgehalten haben soll. Zu Konsequenzen wegen dieses Vorwurfs hat sich Schulleiter Rüdiger Ziemer bisher nicht weiter geäußert: Es gehe um Personalfragen, die nicht kommentiert würden. Zugleich sagte Ziemer am Dienstag den PNN, auch mit der jetzt erhobenen Anklage gegen beide Schüler ergebe sich „kein neuer Sachstand“ – schließlich sei auch die Schule von einer gewalttätigen Nötigung ausgegangen. Für den Vorfall habe es auch Konsequenzen gegeben, so Ziemer: Sollten die angeklagten Schüler erneut auffallen, drohe der Verweis an eine andere Schule. Zudem hätten die Schüler ein „Konfliktschlichtungsprogramm“ besuchen müssen, sagte Ziemer. Auch für das Internat hatten die Schüler ein Hausverbot erteilt bekommen.

Eines der Opfer hatte, nachdem der Vorfall in den Schlagzeilen war, die Schule auf eigenen Wunsch verlassen. Zudem hatten sich Ex-Schüler zu Wort gemeldet und über den generell rauen Umgang am Internat der Elite-Schule berichtet. So soll es mehrfach gewalttätige Übergriffe gegeben haben, die nie angezeigt wurden.

Um den Schutz der im Wohnheim untergebrachten Jugendlichen besser zu gewährleisten, hatte das Jugendamt Kinderschutz-Experten eingeschaltet: Mitarbeiter der Start-Beratungsgesellschaft sollten die Erzieher sensibilisieren und die Abläufe unter die Lupe nehmen. „Den Bericht dazu erwarten wir Mitte des Jahres“, sagte Stadtsprecher Brunzlow.

Parallel zu der Auswertung habe es bereits Fortbildungen gegeben, berichteten Stadt und Internatsbetreiber, die kommunale Luftschiffhafen GmbH. Deren Geschäftsführer Andreas Klemund erklärte: „Wir haben den Erzieherschlüssel auf 37 Mitarbeiter erhöht.“ Zum 1. März würden außerdem die Dienstpläne umgestellt. Die Vorgänge seien intensiv aufgearbeitet worden. „Nun hoffen wir, dass dies auch in Taten fruchtet“, sagte Klemund. Auch der Landessportbund sieht weiteren Beratungsbedarf: „Es geht darum, immer am Ball zu bleiben“, meinte Geschäftsführer Andreas Gerlach. Die Beratung von Kinderschutz-Experten sei dabei nötig und hilfreich.

Beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) werden die Aktivitäten aufmerksam verfolgt. Er behält sich vor, dem Internat den Elitestatus zu entziehen. „Nachdem der Schulträger bereits Maßnahmen an der Schule eingeleitet hat, können die Vorwürfe jetzt auch vor Gericht geklärt werden“, sagte ein Sprecher am Dienstag. Der DOSB werde eine Bewertung vornehmen, „wenn alle Ergebnisse aus dem Verfahren vorliegen“.

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