zum Hauptinhalt
Würdigung. Maria Zeller, Cornelia, Matthias und Andreas Brandt (v.l.) vor der Gedenktafel, die seit Samstag am Haus in der Burgstraße 32 an ihren Vater erinnert.

© M. Thomas

Landeshauptstadt: Gedenktafel für einen „Gerechten“

Am Pfarrhaus in der Burgstraße 32 wird seit Samstag an den Potsdamer Pfarrer Günther Brandt erinnert

Innenstadt – Es ist eine Ehre, die ihm spät zuteil wird. Am Samstag wäre Günther Brandt 100 Jahre alt geworden. Seit diesem Tag wird in Potsdam auf die Verdienste des Pfarrers aufmerksam gemacht, dessen Wirken hier weitgehend vergessen war: Am Pfarrhaus in der Burgstraße 32 enthüllten Pfarrerin Susanne Weichenhan und David Rosenfeld von der Jüdischen Gemeinde eine Gedenktafel für Brandt. Er war von 1939 bis 1953 Pfarrer der Heiliggeistgemeinde und ist einer der „Gerechten unter den Völkern“. 1980 erhielt er diese Ehrung in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem. Sie wird Menschen verliehen, die während der Zeit des Nationalsozialismus Juden geholfen haben.

Um der Tafel-Enthüllung beizuwohnen, hatte sich am Samstagnachmittag eine große Menschenmenge in der Burgstraße eingefunden. Unter den Anwesenden waren Familienangehörige von Brandt, Mitglieder der St.-Nikolai-Gemeinde und Vertreter evangelischer Gemeinden aus Werder und Berlin-Spandau, in denen Brandt ebenfalls gewirkt hat. „Pfarrer Brandt war lange Jahre fast vergessen in Potsdam“, sagte Weichenhan. Und: „David Rosenfeld haben wir es zu verdanken, dass wir auf diesen aufrechten Menschen aufmerksam wurden.“ Die St.-Nikolai-Gemeinde startete einen Spendenaufruf für die Gedenktafel und brachte in kurzer Zeit gemeinsam mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Potsdam e.V. die notwendigen 650 Euro zur Anfertigung der Tafel durch die Steinmetzfirma Melior zusammen. Die in den dunklen Schiefer gemeißelte Inschrift enthält neben dem Namen und den Lebensdaten Günther Brandts folgenden Text: „In diesem Hause lebte von 1949-1954 der evangelische Pfarrer Günther Brandt. Als Mitglied der Bekennenden Kirche rettete er in der Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) jüdische Mitbürger vor der Verfolgung. Als Studentenpfarrer geriet er in Konflikt mit der DDR-Staatsmacht und wirkte ab 1954 in Berlin (West). Am 26.6.1980 wurde er in Israel als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt.

Marina Lewkowicz hat das ungewöhnliche Leben Brandts in einer 24-seitigen Dokumentation, die bei der St.-Nikolai-Gemeinde erhältlich ist, zusammengestellt. Der junge Hilfsprediger der Potsdamer Pfingstgemeinde musste sechs Monate nach Kriegsausbruch an die Front nach Frankreich und Russland. 1941 an der Ostfront schwer am Kopf verletzt, verbrachte er drei Jahre in Berlin-Tempelhof im Lazarett, ohne sprechen zu können. Als er 1944 wieder „heimatverwendungsfähig“ war, setzte ihn die Potsdamer Wehrmachtskommandantur als „Gräberoffizier“ ein. In dieser wichtigen Funktion hatte er unter anderem deutsche Flüchtlinge mit Ausweisen, Lebensmittelkarten und Wohnungen zu versorgen. Diese Möglichkeit nutzte er, um zahlreichen jüdischen Flüchtlingen zu helfen. Über das, was er getan hat, schrieb Günther Brandt am 3. Januar 1978 an Yad Vashem: „In meiner Eigenschaft als Pastor der Bekennenden Kirche hatte ich bereits seit 1937 sowohl mit jüdischen Mitbürgern als auch mit sogen. Nichtariern und Halbariern zu tun gehabt. In vielen Fällen war es mir möglich, zu helfen und einer Reihe von sog. ,Untergetauchten’ Unterkunft und Lebensmittel sowie Ausweise zu beschaffen, so daß sie in den bösen Jahren des Holocaust überleben konnten.“ Wie Lewkowicz in ihrer Dokumentation schreibt, erreichte seine Hilfe Anfang 1945 eine neue Qualität. In seiner Stellung bei der Wehrmachtsverwaltung Potsdam bestellte er im Untergrund lebende jüdische Familien in seine Dienststelle und beschaffte ihnen gefälschte Papiere, Lebensmittelkarten sowie Wohn- und Reisemöglichkeiten.

Nach dem Krieg wirkte Brandt zunächst in Werder und ab 1949 in Potsdam. In seiner Funktion als Studentenpfarrer geriet er in den Fokus von Staatssicherheit und Staatsanwaltschaft, welche ihn am 19. Mai 1953 in die Untersuchungshaftanstalt in der Lindenstraße 54 einsperrten. Nach seiner Freilassung am 8. Juli 1953 ging er nach Westberlin. Laut Lewkowicz hatte ihm die Kirche eine Pfarrstelle in Siemensstadt zugewiesen.

Potsdams Kulturbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU) sagte anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel: „Das Wichtigste an diesen Ehrungen ist, dass wir damit an Menschen, die den nächsten Generationen als Vorbilder dienen können, erinnern.“

Günter Schenke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false