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Rund 200 Menschen kamen zum Platz der Einheit. 

© Ottmar Winter

Gedenken an Reichspogromnacht: Als Potsdam wegschaute

Rund 200 Menschen erinnerten am 83. Jahrestag an die Reichspogromnacht 1938. Damals sei ein breiter Aufschrei der Empörung ausgeblieben, sagte Oberbürgermeister Schubert.

Potsdam - Schmerzliche Erinnerung an den 9. November 1938: Zum 83. Jahrestag der Reichspogromnacht hatten sich am Dienstagabend rund 200 Menschen am Standort der ehemaligen Synagoge am Platz der Einheit versammelt. Das jüdische Gotteshaus war vor 83 Jahren von Nationalsozialisten gestürmt worden, die dabei Fenster zerschlugen, Vorhänge zerrissen und die Tora-Rolle zerfetzten. 

„Am Tag nach der Schändung schauten viele Bürgerinnen und Bürger neugierig die zerstörte Synagoge an, mehr noch beschämt weg“, sagte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) in seiner Gedenkansprache. „Ein breiter Aufschrei der Empörung über das Geschehene blieb aus. Potsdam schwieg.“

Auch in Potsdam brachen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 Einheiten der SS und der Gestapo in die Synagoge ein.
Auch in Potsdam brachen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 Einheiten der SS und der Gestapo in die Synagoge ein.

© Hans Weber/Potsdam Museum

Bei der Veranstaltung, an der unter anderen Stadtkirchenpfarrer Simon Kuntze und der Rabbiner Ariel Kirzon von der Jüdischen Gemeinde Potsdam teilnahmen, wurde zudem an ein weiteres Haus erinnert, das im Zuge der Reichspogromnacht verwüstet worden war: das jüdische Landschulheim Caputh. Am 10. November 1938, einen Tag nach der Verwüstung der Synagoge in Potsdam, stürmten rund 120 Caputher:innen, darunter auch SA-Uniformierte und Lehrer:innen der Dorfschule, das Schullandheim.

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Jutta Michelsen von den „Omas gegen rechts“ trug die Erinnerungen eines damals achtjährigen Jungen vor, der bei dem Überfall dabei war: „Die Jüngsten waren gerade beim Essen im Speisesaal, ihnen wurde das Essen von den Tellern ins Gesicht geschüttet.“ Entsetzt beobachteten die Kinder, wie Fenster und Einrichtungsgegenstände mit Äxten zerschlagen wurden. „Frauen rissen Schränke auf und durchsuchten sie nach Wertgegenständen. Wenn sie nichts fanden, warfen sie den Inhalt der Schränke wütend aus dem Fenster“, so Michelsen. Die Kinder wurden aus dem Schullandheim vertrieben, die Lehrer:innen versuchten sie danach in Sicherheit zu bringen.

Nonnemacher legte Kranz nieder

Unter den Anwesenden war auch die stellvertretende Ministerpräsidentin Ursula Nonnemacher (Grüne), die an der ehemaligen Synagoge einen Kranz niederlegte. In einer Pressemitteilung sprach Dietmar Woidke (SPD) von „abscheulichen Angriffen und offenen Antisemitismus“, der gegenwärtig wieder zu erleben sei: „Mit der Grundsteinlegung zur neuen Synagoge im Herzen Potsdams haben wir uns klar zum Judentum in Brandenburg bekannt“, so der Ministerpräsident.

Auch die antifaschistische Szene Potsdam führte am Dienstag am Mahnmal für die Opfer des Faschismus am Platz der Einheit eine Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht durch. In der Ankündigung wiesen die Veranstalter:innen darauf hin, dass laut der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Brandenburg (Rias Brandenburg) allein im letzten Jahr 141 antisemitische Vorfälle in Brandenburg registriert wurden. 

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