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Umweltbewegte. Der frühere Potsdamer Pfarrer Stephan Flade, Hans Dieter Knapp und Zeitzeugin Carolin Lorenz (v.l.) bei der Diskussion.

© Manfred Thomas

Friedens- und Umweltbewegung in der DDR: Wie der Frieden geschmiedet wurde

Wer in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten Fassaden begrünt oder einen Bach von Unrat befreit, dessen politische Einstellung wird heutzutage von keiner Behörde hinterfragt. An eine Zeit, in der dies anders war und die staatlichen Behörden aus derartigen Umweltaktivitäten bisweilen auf die politische Unzuverlässigkeit der handelnden Personen schloss, erinnerte kürzlich eine Podiumsdiskussion in der Gedenkstätte „Lindenstraße 54/55“.

Wer in Gemeinschaft mit Gleichgesinnten Fassaden begrünt oder einen Bach von Unrat befreit, dessen politische Einstellung wird heutzutage von keiner Behörde hinterfragt. An eine Zeit, in der dies anders war und die staatlichen Behörden aus derartigen Umweltaktivitäten bisweilen auf die politische Unzuverlässigkeit der handelnden Personen schloss, erinnerte kürzlich eine Podiumsdiskussion in der Gedenkstätte „Lindenstraße 54/55“. Unter dem Titel „Tschernobyl wirkt überall – Die Reaktorkatastrophe, die Staatssicherheit und die DDR-Umweltbewegung“ diskutierte Bernd Florath von der Stasiunterlagenbehörde mit Akteuren der DDR-Opposition über ihre Erinnerungen an diese Zeit. Stephan Flade, damals Pfarrer an der Friedrichskirche auf dem Weberplatz, berichtete dabei über die Babelsberger „Schmiede“, einem Friedenskreis unter dem Dach der Kirche. Gedanklich „geschmiedet“ wurden damals Schwerter zu Pflugscharen.

Mitglieder der oppositionellen Friedensbewegung überall in der DDR versammelten sich einst unter dem auf ein Bibelwort des Propheten Micha zurückgehenden Motto „Schwerter zu Pflugscharen“. Wer nach der Kriminalisierung dieses Spruchs durch die SED einen Aufnäher mit diesem Schriftzug und der Abbildung eines stilisierten Schmiedes trug, musste mit empfindlichen Sanktionen, mindestens aber mit der Aufforderung zur Entfernung des Symbols rechnen.

Ein Mitglied der Babelsberger „Schmiede“ war Carolin Lorenz. Die heutige Mitvierzigerin gab am Donnerstag einen atmosphärischen Einblick in das Innenleben der Gruppe: Fassaden begrünen, den Schafgraben entrümpeln, Umweltthemen diskutieren, aber auch zu Hause Wein in Ballons ansetzen – das sei ihre Antwort auf die politischen Umstände gewesen.

Die privaten Erinnerungen der Diskutierenden streiften an diesem Abend zwar auch Tschernobyl – den Kern der mutmaßlichen politischen Folgewirkungen dieser Atomkatastrophe berührten sie indes kaum. Einige der Zuhörer hatten sich bei dem Titel der Veranstaltung wohl tiefergehende Informationen erhofft, wie manche inhaltsschwere Frage vermuten ließ. Das Podium konnte sich da zum Teil nur auf seine Zeitzeugenrolle zurückziehen.

Andererseits wurde Tschernobyl damals eben vor allem als „diffuse Bedrohung“ empfunden, wie der Geobotaniker Hans Dieter Knapp berichtete. Eine Bedrohung, auf die es keine klaren Antworten gab. Informationen über die Strahlenbelastung aus den westlichen Medien erlangen, sei denn auch das Gebot der Stunde gewesen, erinnert sich Flade.

Über eine konkrete politische Auswirkung der Reaktorkatastrophe berichtete der Moderator des Abends, Bernd Florath: Aus den Unterlagen der Staatssicherheit gehe hervor, dass es in mehreren Fällen als Ausdruck von Staatsfeindlichkeit angesehen worden sei, wenn Eltern ihrem Kindergartenkind im Hinblick auf eine etwaige Strahlenbelastung sagten, es solle nicht den im Kindergarten angebotenen Salat essen.

Bereits vor der Reaktorkatastrophe gab es in der DDR eine Reihe von Umweltgruppen. Sie thematisierten etwa das Waldsterben im Erzgebirge oder die schlechte Wasserqualität vieler Gewässer. Florath zufolge ist trotz der großen Unsicherheit nach Tschernobyl die Zahl der Umweltgruppen in der DDR „nicht signifikant gestiegen“.H. Catenhusen

H. Catenhusen

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