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Flüchtlinge in Potsdam: Rüge für die Stadt

Die Stadtverwaltung prüfte Flüchtlinge auf ihre „Wohnfähigkeit“. Ein Verfahren, das laut einem Gutachten diskriminierend ist.

Von Katharina Wiechers

Die Stadtverwaltung hat einen ordentlichen Rüffel für ihren Umgang mit Flüchtlingen bekommen. Die sogenannten Wohnfähigkeitsprüfungen, denen sich Asylsuchende vor dem Umzug in eine eigene Wohnung stellen müssen, sind einem Gutachten zufolge diskriminierend und datenschutzrechtlich bedenklich. In Auftrag gegeben hat das Gutachten der Verein Opferperspektive.

Bei der beanstandeten Prüfung werden die Flüchtlinge unter anderem zu möglichen Mietschulden oder bereits erlebten Zwangsräumungen befragt. Außerdem sollen sie angeben, wie sie es mit Ordnung, Sauberkeit oder Lärm halten und ob sie etwa psychische Schwierigkeiten oder Suchtprobleme haben. Ebenso zum „Wohnfähigkeitscheck“ gehören Einschätzungen von Sozialarbeitern, der Ausländerbehörde sowie des Sozialamts zu den Deutschkenntnissen der Asylbewerber und dazu, ob sie zum Beispiel Termine und Absprachen einhalten.

Dass nur Asylsuchende sich einer solchen „Wohnfähigkeitsprüfung“ unterziehen müssten, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft, heißt es in dem Gutachten vom Berliner „Büro für Recht und Wissenschaft“, das sich vor allem mit dem Antidiskriminierungsrecht beschäftigt. Zudem würden Flüchtlinge durch Kriterien im Fragebogen wie „Ordnung und Sauberkeit“ oder „Lärm/Ruhebelästigung“ als sozial abweichend und problemhaft stigmatisiert. „Sie reproduzieren diskriminierende Vorannahmen gegen asylsuchende Menschen, statt sie abzubauen.“

Auch dass Sprachkenntnisse eine Rolle spielen, sei diskriminierend, heißt es in dem Gutachten weiter. „Menschen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, erleiden aufgrund ihrer Sprachkenntnisse einen Nachteil.“ Dies sei nach dem Grundgesetz nicht erlaubt. Sprachkenntnisse würden zudem viel besser in einem deutschen Wohnumfeld statt in einer Gemeinschaftsunterkunft erworben.

Effektiver für die Integration und weniger kostenintensiv als „Wohnfähigkeitsprüfungen“ wären aus Sicht der Gutachter Sprachkurse und Seminare zum deutschen Mietrecht sowie individuelle Beratung. „Wir empfehlen der Stadt Potsdam daher, diesen Weg in Zukunft zu beschreiten und auf das diskriminierende Auswahlverfahren zu verzichten.“

Man habe die Stadt im März über die Ergebnisse des Gutachtens informiert, sagte Katja Schlegel vom Verein Opferperspektive. Diese habe den „Wohnfähigkeitscheck“ daraufhin zunächst außer Kraft gesetzt und eine Prüfung versprochen. Dass die Stadt Aslybewerber frühzeitig in Wohnungen bringen wolle, begrüße die Opferperspektive ausdrücklich – in Potsdam soll dies theoretisch nach sechs bis zwölf Monaten im Heim oder im Wohnungsverbund geschehen. Nur die „Wohnfähigkeitsprüfung“ sei eben nicht angemessen, so Schlegel.

Stadtsprecher Jan Brunzlow bestätigte, dass die umstrittenen Fragebögen mittlerweile abgeschafft wurden. „Die Sozialarbeiter werden aber weiter prüfen, ob ein Flüchtling in eine Wohnung umziehen kann oder nicht“, sagte er. Denn der Ansatz sei es, den Asylsuchenden bei der Integration zu helfen. Für viele sei es nicht einfach, aus dem gewohnten Umfeld des Wohnheims in eine eigene Wohnung zu ziehen.

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