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Dousi! Das arabische Wort für „Weiter!“, mit dem die syrischen Frauen sich beim Fahrradfahren gegenseitig ermutigen, ist inzwischen zum Slogan des Vereins „Hand in Hand Potsdam“ geworden. Der Verein hilft geflüchtete Frauen dabei, Fahrradfahren zu lernen. Eine von ihnen ist Rofaida Aboabdallah.

© Andreas Klaer

Fahrradfahren lernen: Weiter, weiter!

Der Verein „Hand in Hand Potsdam“ hilft geflüchteten Frauen dabei, Fahrradfahren zu lernen. Acht von ihnen wurden jetzt ausgezeichnet.

Potsdam - Mit Schwung setzt sich Rofaida Aboabdallah auf das grüne Fahrrad mit dem hohen Lenkrad und dem tiefergelegten Sitz und zeigt zusammen mit Ola Kiwan vor einer Traube von Freunden, Bekannten und der Presse ihre Fahrkünste. „Dousi, dousi, dousi!“ rufen die umstehenden Frauen vor dem Frauenzentrum auf Arabisch, als die beiden Syrerinnen in die Pedale treten: „Weiter, weiter, weiter!“ Ein bisschen muss ihnen ihr Lehrer noch beim Aufsteigen und Halten des Gleichgewichts helfen. Ansonsten klappt es schon ganz gut.

Der Verein „Hand in Hand Potsdam“ hat am Sonntag acht Frauen aus Syrien geehrt, die erfolgreich bei einem Fahrradkurs mitgemacht haben. Neben einem Zertikfikat gab es für alle ein von der städtischen Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam gesponsertes Einsteigerset fürs Fahrrad, mit Helm, Tasche, stabilen Gepäckträger und Fahrradschloss. Auf allen prangt das mittlerweile zum Slogan des Kurses gewordene „Dousi, dousi!“, dass sich die Frauen während des Kurses immer als Motivationen zugerufen haben, wie Frauke Havekost vom Verein „Hand in Hand“ erklärt. Etwa 30 bis 40 geflüchtete Frauen nehmen an dem Kurs teil, der vom Land Brandeburg gefördert wird. Jeden Freitag treffen sie sich dafür am Frauenzentrum Potsdam in der Schiffbauergasse. Zur Zeit ist Winterpause. Doch im März startet der nächste Kurs. Der Verein unterstützt die Flüchtlingshilfe in der Landeshauptstadt. Die Initiative wurde im Mai 2016 unter anderem von der Potsdamer Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock ins Leben gerufen, die an diesem Samstag zur Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen gewählt wurde. Baerbock sitzt auch im Vorstand von „Hand in Hand“.

Der Verein will hilfsbereite Potsdamer und Flüchtlinge zusammenbringen. Er vermittelt Sprachunterricht oder Hilfe bei Hausaufgaben, unterstützt bei Behördengängen, begleitet die Flüchtlinge zu Ärzten, hilft bei den beruflichen Ambitionen und unternimmt Ausflüge mit Flüchtlingen durch Potsdam oder in den Berliner Bundestag. Auch gemeinsame Kochtreffen und das „Welcome Dinner“, ein Abendessen für Flüchtlinge bei Privatpersonen zu Hause, organisiert der Verein. „Es fing bei uns mit den Kochkursen an“, erzählt Havekost. Aufgrund der Sprachbarriere sei es zunächst schwierig gewesen, herauszufinden, welche Probleme die Geflüchteten konkret haben. Beim Kochen sei allmählich Vertrauen aufgebaut worden. Da sie noch mehr machen wollte, habe sie dann Ausflüge und Fahrradtouren vorgeschlagen, so Havekost. „Die meisten Frauen konnten aber kein Fahrrad fahren.“ So sei der Kurs entstanden, der sich allmählich rumgesprochen habe.

So erfuhr auch Aboabdallah davon. Die 52-Jährige ist seit 2015 in Potsdam. Zunächst war sie allein mit ihrem Sohn hier. Ihr Mann kam später mit den Töchtern nach. Aboabdallah hat 20 Jahre als Kinderpsychologin gearbeitet und mittlerweile eine Stelle in einer Potsdamer Kita der AWO. Seit Mai 2017 ist sie beim Kurs dabei. Sie möchte Fahrradfahren lernen, weil sie es für wichtig hält, immer wieder etwas Neues zu lernen, erklärt sie. Außerdem sei es gut für die Gesundheit. „Es macht mir sehr viel Spaß. Auch wenn ich immer etwas Angst habe und es schwer für mich ist, das Gleichgewicht zu halten.“ In Syrien sei sie nie auf ein Fahrrad gestiegen. Dort sei das Radfahren zwar für Frauen nicht verboten, aber auch nicht sehr gerne gesehen. „Sie werden schief angesehen und verspottet.“ Am Kurs gefällt Aboabdallah vor allem die Gemeinschaft. „Wenn wir uns treffen, lachen wir immer sehr viel und haben Spaß.“ Andere Frauen aus dem Kurs fahren schon alleine auf ihrem Rad bis zum Supermarkt, erzählt sie. Das möchte sie auch bald können.

Bisher gab es keine Verletzungen, berichtet der Fahrlehrer Alexander Wiechelt vom Verein „Hilfe durch Aufklärung und Bildung“. „Nur ein paar kaputte Hosen.“ Und die „wurden einfach weggelächelt.“ Wiechelt bietet bereits seit einigen Jahren Fahrradfahrkurse für Kinder an. Die Idee von „Hand in Hand“ hält er für ein sehr gutes Mittel für Integration. „Es ermöglicht ihnen, Dinge selbstständig zu erfahren.“ Neben dem Fahrradfahren lernen die Frauen auch die Verkehrsregeln und technische Aspekte – etwa, das Rad zu reparieren. Mit der Auszeichnung wolle der Verein den Frauen deutlich machen, dass sie etwas Besonderes geleistet haben und sie ein Vorbild für andere sind, erklärt Havekost. „Die gerade Haltung, den Mut, das Überwinden von Ängsten. Es geht um viel, viel mehr, als nur Fahrradfahren.“

Sarah Stoffers

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