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Exklusiv - Keine Ermittlungen in Potsdam: Todesfall im blu: Keine Chance auf Rettung

Nach dem Tod einer Frau im Potsdamer Schwimmbad blu werfen Ersthelfer dem Personal Unprofessionalität vor. Strafrechtliche Konsequenzen für die Bademeister hat der Unfall aber wohl nicht. Denn die Frau starb wohl nicht durch Ertrinken.

Innenstadt - Der tödliche Unfall im neuen Potsdamer Schwimmbad blu wird trotz massiver Kritik von zahlreichen Augenzeugen am Badpersonal wahrscheinlich keine strafrechtlichen Konsequenzen haben. Das sei das vorläufige Ergebnis der Ermittlungen, sagte ein Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft dieser Zeitung am Freitag auf Anfrage.

Bei dem Unfall am Donnerstag, dem 2. November, war eine 39-jährige Frau leblos auf dem Boden des Sportbeckens entdeckt worden. Nach Angaben des kommunalen Badbetreibers Bäderlandschaft Potsdam GmbH (BLP), einer Tochter der Stadtwerke Potsdam, war die Frau ohne Hilferufe unter Wasser gegangen. Die Beamtin aus dem Polizeipräsidium Potsdam wurde noch im Bad reanimiert, starb jedoch später im Krankenhaus. 

Die 39 Jahre alte Polizistin starb an einem Infarkt

Die Obduktion der Frau habe ergeben, dass „keine Rettungschance“ bestand, sagte nun der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Selbst bei einer Reanimation hätte sie nicht am Leben erhalten werden können, hieß es von Ermittlern. Nach PNN-Informationen soll die Frau, Mutter zweier Kinder aus einem Ortsteil von Werder (Havel), eine Vorerkrankung des Herzens gehabt haben und im Bad durch einen Infarkt gestorben sein.

Mit dieser Erkenntnis können sich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Bademeister – völlig unabhängig von ihrem Agieren in diesem Fall – im juristischen Sinne nicht der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht haben. Damit läuft alles darauf hinaus, dass die Ermittlungen eingestellt werden, wenn der offizielle Obduktionsbericht vorliegt. 

Betreiber leitet Untersuchung mit externen Anwälten ein

Unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung des Vorgangs hat der städtische Badbetreiber jedoch nun auf die anhaltende Kritik am Agieren der Bademeister reagiert. Die Bäderlandschaft Potsdam teilte am Donnerstag – um 22.41 Uhr – mit, dass man eine „umfassende Untersuchung“ eingeleitet habe. Dafür seien externe Anwälte hinzugezogen worden. „Ziel ist es, so exakt wie möglich zu rekonstruieren, wie die Bergung der inzwischen verstorbenen Frau vonstattenging“, heißt es in der Mitteilung. Dafür würden die Anwälte mit Zeugen sprechen und „eng mit den Behörden zusammenarbeiten“. Abhängig vom Ergebnis der Untersuchung werde die BLP über mögliche Konsequenzen entscheiden. „Das Unternehmen wird die Öffentlichkeit über das Ergebnis selbstverständlich informieren und hat allergrößtes Interesse an Transparenz über den Hergang“, so die BLP weiter. Man sei „tief betroffen“ und nehme die Schilderungen „sehr ernst“.

Ersthelfer fordern mehr Sicherheit für Badegäste

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) begrüßte gegenüber dieser Zeitung den Einsatz der externen Juristen: „Es ist gut, dass unabhängige Dritte das Geschehen objektiv bewerten.“ Es gehe nicht nur um die Schuldfrage – Teil der Untersuchung solle auch die Frage sein, „wo nachjustiert werden muss, um besser zu werden“, sagte Jakobs, der auch der Gesellschaftervertreter der Stadtwerke ist.

Zunächst hatte das kommunale Unternehmen Bäderlandschaft Potsdam das Verhalten seiner Mitarbeiter verteidigt. Augenzeugen hatten Journalisten auch von PNN und Tagesspiegel am Montag kontaktiert und auf den bis zu diesem Zeitpunkt weder von der Polizei noch vom Badbetreiber veröffentlichten tödlichen Unfall hingewiesen. Und zwar nicht, weil es den Unfall gab – sondern weil, so drückten es zwei Badegäste aus, die sich als Ersthelfer um die Verunglückte kümmerten, das Verhalten der Schwimmmeister derart unprofessionell gewesen sei, dass dies öffentlich werden müsse, „nichts beschönigt“ werden dürfe. Die Stadtwerke müssten dafür sorgen, „in der Zukunft mehr Sicherheit für die Badegäste gewährleisten zu können“, so die Ersthelfer.

Augenzeugin, die die leblose Fraue entdeckte, meldet sich bei den PNN

Die Schilderungen der zahlreichen Augenzeugen sind dramatisch – und es werden immer mehr. Am Freitag meldete sich mit Claudia F. die Frau zu Wort, die die leblose Schwimmerin am Beckengrund entdeckte. Sie schickte eine fünfseitige, detaillierte Zeugenaussage an die Staatsanwaltschaft. Darin schildert Claudia F., die der Redaktion namentlich bekannt ist, wie sie gegen 12.20 Uhr die leblose Frau erblickte und zusammen mit einer Freundin um Hilfe gerufen habe. Die zwei Bademeister hätten an der Längsseite des Beckens – zurückgesetzt nahe ihrem Büro – auf Stühlen gesessen und sich unterhalten. Das mit vielen Schwimmern gefüllte Becken hätten sie nicht direkt beaufsichtigt. Nach Angaben der BLP besuchten an diesem Tag etwas mehr als 600 Schwimmer das Sportbad.

Zunächst habe ein Badegast die reglose Frau aus zwei Metern Tiefe emporgezogen, während einer der Bademeister am Beckenrand das Geschehen beobachtete, wie Claudia F. schildert: „Wir fanden es unglaublich, dass er nicht sofort ins Wasser sprang und bei der Bergung half.“ Auch an der Reanimation am Beckenrand hätten sich die Bademeister zunächst nicht beteiligt. „Rufen Sie einen Arzt!“, hätten sie und ihre Freundin die beiden Männer mehrmals angeschrien. Der Jüngere habe erst dann ein Mobiltelefon aus der Tasche gezogen, der Ältere habe Utensilien zur Rettung geholt – „jedoch unangemessen langsam“.

Der Badebetrieb ging einfach weiter - während am Beckenrand der Defibrillator zum Einsatz kam

Empört hat Claudia F. auch, dass der Badebetrieb während der Rettungsaktion weiterging. Unter anderem sei ein Schwimmtraining weitergeführt worden, während Rettungskräfte der Frau direkt am Beckenrand Elektroschocks versetzten, um sie zu reanimieren. Ein hinzugekommener dritter Bademeister habe die Noch-Schwimmenden dann beaufsichtigt, indem er auf- und abging. „Das fand ich besonders grotesk“, so die Augenzeugin, die sich zur Veröffentlichung ihrer Beobachtungen entschloss, damit sich im Sinne der Sicherheit der Badegäste so etwas nicht noch einmal wiederholen könne.

Die Stadtwerke hatten in einer ersten Reaktion unter anderem erklärt, das eigene Personal sei mit der Situation nicht überfordert gewesen. Gleichwohl hätte man Badegästen – es waren zufällig Rettungssanitäter – die Reanimation aufgrund ihrer weiterreichenden praktischen Erfahrung überlassen.

Von der Potsdamer Polizei hieß es indes, man trauere um eine beliebte und hochgeschätzte Kollegin.

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