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Landeshauptstadt: Ein Luftschloss unterm Stadtkanal?

Die Stadtverwaltung reagiert skeptisch auf Pläne für eine unterirdische Ladenpassage in der Innenstadt

Innenstadt - Die Idee klingt gewaltig, ihr Arbeitstitel „Louvre“ visionär und in den angestrebten Dimensionen hat sie etwas von Größenwahn. Es geht um Pläne für eine unterirdische Kultur- und Einkaufspassage, die auf einer Länge von mehr als 1,2 Kilometern direkt unter dem dann rekonstruierten Stadtkanal verlaufen soll. Mit 65 000 Quadratmetern Fläche wäre der „Louvre“ größer als das „Alexa“ am Berliner Alexanderplatz. Und wie Stadtsprecher Jan Brunzlow sagt, entsprächen die „Louvre“-Passagen fast der gesamten Einzelhandelsfläche der Potsdamer Innenstadt. Die vorgesehenen Kosten sollen sich auf 265 Millionen Euro belaufen.

Hinter den Entwürfen für die zweistöckige Passage steckt der Förderverein zur Wiederherstellung des Potsdamer Stadtkanals, wie Vereinschef Siegfried Benn am Freitag den PNN bestätigte: „Wir haben jetzt zwei Jahre an dem Projekt gearbeitet.“ Der Entwurf komme von Vereinsmitglied Christoph Schwebel, Professor und Architekt bei dem namhaften Berliner Gebäudeplanern Patzschke & Partner, die etwa das Hotel Adlon Kempinski am Brandenburger Tor entwarfen. Für die Kostenplanung sei ein Ingenieur von dem weltweit agierenden Planungsbüro Inros Lackner gewonnen worden. Ebenso stünden Investoren für die 265 Millionen bereit, versicherte Benn: „Sie werden sich aber erst erklären, wenn die Stadt sagt, dass sie das Projekt unterstützt.“ Ähnlich schildert es Architekt Schwebel: „Wenn unsere Investoren von der Politik grünes Licht bekommen, sind sie da.“

Geplant hat Schwebel eine wie ein Ziegelgewölbe gestaltete Einkaufsmeile unter Tage – 16 Meter tief, zweistöckig, mit Bullaugen an den Decken, über denen der Kanal fließt. Etwa Alle 100 bis 200 Meter soll es Zugänge geben. Der Haupteingang entstünde am Platz der Einheit: Das zur Bundesgartenschau 2001 wiederhergerichtete Areal müsste zur Hälfte ausgeschachtet werden und würde komplett in Anlehnung an ein antikes Amphitheater umgestaltet – in einem Seitenflügel soll sogar das vor neun Jahren geschlossene Kino „Melodie“ wiederbelebt werden. Ein zweiter Hauptzugang soll sich an der Plantage hinter dem Rechenzentrum an der Dortustraße befinden. Das Großprojekt ist nicht nur als Ladenpassage gedacht, sondern laut Schwebel auch Kulturangebote auf 10 000 Quadratmetern. „Wir führen bereits Gespräche mit Sammlern und Künstlern.“

Schwebel nannte das Projekt einen „städtebaulichen Quantensprung“ für die Potsdamer Mitte – und eines, das die Stadt kein Geld koste. Denn die „Louvre“-Investoren würden auch die komplette Wiederherstellung des Stadtkanals bezahlen – ein Vorhaben, das derzeit bekanntlich auf Eis liegt, vor allem, weil sich keine Großsponsoren dafür finden. Im Gegenzug müsste die Stadt den Untergrund des Stadtkanals symbolisch an die Investoren verkaufen, dieser würde im Gegenzug den Kanal ausbauen und die Mall vermieten, um die Kosten zu refinanzieren. Auch eine Erbbaupacht für das Kanalgrundstück sei für die Investoren vorstellbar, sagte Schwebel. „Das wäre eine Win-win-Situation“, ist sich der Architekt sicher. Stadtkanal und die Passagen würden Potsdam noch anziehender machen, an den Ufern könnten wieder alte Fischmärkte entstehen: „Das Ganze hätte einen genialen Charme.“

Die Pläne haben Benn und Schwebel bereits Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) vorgestellt. Doch im Rathaus teilt man die Begeisterung nicht. „Das Fazit des Treffens war deutlich formuliert: Dieses Projekt findet nicht unsere Unterstützung“, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow am Freitag auf PNN-Anfrage. Zwar unterstütze man die Idee, den Kanal wieder erlebbar zu machen. Ebenso sei eine private Finanzierung des Kanals verlockend, so der Sprecher: „Doch das darf nicht die Innenstadt gefährden.“ Das vorgestellte Konzept beinhalte knapp so viel Einzelhandelsfläche wie die gesamte Innenstadt: „Und das ist für Potsdam einige Nummern zu groß.“

Ohnehin: Ein riesiges, komplett unterirdisches Shopping- und Freizeitcenter mit 800 Parkplätzen passe nicht zu Potsdam, sagte Brunzlow weiter: „Wir können zu Recht stolz sein auf die gute Entwicklung der Innenstadt in den letzten Jahren – dieses sollten wir jetzt nicht infrage stellen.“ Das Projekt würde der Stadt „mehr schaden als nutzen“. Es sei absolut überdimensioniert für die Innenstadt – „wie ein unterirdisches Stern-Center“. Dieses hat derzeit 35 000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Abgesehen von der enormen Konkurrenz für den Handel der Innenstadt gibt es noch andere Gründe für das Rathaus-Veto: So sei etwa der zu erwartende zusätzliche Autoverkehr kaum zu stemmen. „Das wäre auch nicht im Sinne der Stadtentwicklung.“ Eine städtebauliche Einbindung sei – abgesehen vom Platz der Einheit – nicht gegeben.

Auch Architekt Schwebel räumt ein, Jakobs habe sich nur zurückhaltend zu den Plänen geäußert: „Das ist wie bei allen großen Projekten, da müssen wir dicke Bretter bohren.“ Denn die Investoren für das millionenschwere Projekt müssten sich auf die Unterstützung der Politik verlassen können, bevor sie sich offenbaren würden, betonte er. Einen Termin zur öffentlichen Werbung für das Projekt gibt es bereits: Die Planer wollen ihr Vorhaben am 10. Juli bei einer abendlichen Versammlung der Wählergruppe der Potsdamer Demokraten vorstellen. Deren Chef Peter Schultheiß, der sich seit Jahren für den Stadtkanal und andere Vorhaben der Potsdamer Mitte engagiert, hat aber auch Bedenken – etwa wegen des bekanntermaßen schwierigen Potsdamer Baugrunds: „Und allein schon wegen der Dimensionen gibt es bei mir viele Fragezeichen.“

Auch im Bündnis „Potsdamer Mitte, zu dem der Stadtkanalverein gehört, ist das Projekt bekannt – wenn auch nicht im Detail, wie Sprecherin Barbara Kuster sagt: „Ob es realistisch ist, können wir noch nicht sagen.“ Sie plädiere aber auf jeden Fall für eine öffentliche Debatte, so Kuster – allein schon wegen der großartigen Vorstellung, den Stadtkanal wiederzubekommen. „Und das schuldet man auch der Mühe von Siegfried Benn, der unendlich lange an diesem Projekt gearbeitet hat.“

Erfahrungen mit Großprojekten dieser Dimensionen hat Potsdam bereits gemacht – allerdings keine guten. Prominentestes Beispiel ist das Kasernengelände in Krampnitz. Dort wollte ein Großinvestor eine Milliarde Euro investieren. Der Ausgang ist bekannt: Jetzt wird die Stadt Krampnitz selbst entwickeln.

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