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Und täglich grüßen Hamster, Meerschwein und Kaninchen. Wo früher Schreibmaschinen klickten, fühlen sich heute die Kleintiere des Potsdamer Tierschutzvereins wohl. In Rehbrücke warten sie und zahlreiche Katzen auf eine neue Familie.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Ein Büro voller Kaninchen

Der Potsdamer Tierschutzverein sorgt sich um Hunderte kleiner Tiere und hofft auf ein neues Tierheim

Lilly schaut aus dem Fenster. Vor dem Heim in Potsdam fällt Schnee. Die weißen Krümel landen auf den Tannen, dem Rasen, dem Gehweg, nur nicht auf Lilly. Lilly ist ein Scheidungskind. Schon seit Wochen harrt sie im Heim aus, wohl behütet und doch nicht zu Hause. Mit ihrer Zunge leckt sie ihr schwarzes Fell.

Lilly ist eine von einem Dutzend Katzen, die im Kleintierheim des Potsdamer Tierschutzverein auf eine neue Familie warten. „Viele Potsdamer wissen gar nicht, dass es uns hier gibt“, sagt Niklas Wanke. Mit seinen kräftigen Fingern blättert der Chef des Tierschutzvereins durch einige Aktenblätter. Lillys Eltern haben sich zerstritten, sagt Wanke, als er das richtige Blatt gefunden hat. 15 Jahre ist die Katze alt. Gemeinsam mit ihrer Schwester Miezi wurde sie in dem blassgelben Bürobau am Bahnhof Rehbrücke abgegeben.

Seit über drei Jahren gibt es das Kleintierheim des Tierschutzvereins an der Arthur-Scheunert-Allee. Es ist eine Notunterkunft im doppelten Sinne. In dem mehrstöckigen Haus sind außer dem Tierschutzverein auch Internetspezialisten und ein Rettungsdienst untergebracht. Jetzt, kurz vor Weihnachten, hat der Verein das Heim erweitert und zwei weitere Büroräume angemietet, einer zur Quarantäne und einer für Katzen in Not. Die Räume sind hell, haben eine Heizung und werden liebevoll eingerichtet. Aber trotzdem: „Wir wünschen uns unbedingt ein richtiges Tierheim“, sagt Wanke. Doch das ist in Potsdam so eine Sache.

Im Jahr 2007 wurde dem Tierschutzverein der Mietvertrag für das Tierheim am Wildpark gekündigt. Die Verhältnisse dort waren desolat, teilte die Stadt damals mit. Mehr als die Hälfte der Hundezwinger mussten geschlossen werden, weil sie nicht den Vorgaben entsprachen. Ersatzweise werden Potsdamer Tiere seitdem im „Pfötchenhotel“ in Beelitz betreut.

Seit der Schließung des alten ringt der Tierschutzvereins mit der Stadt um den Bau eines neuen Tierheims in der Stadt. Immer wieder waren verschiedene Standorte im Gespräch, seit Neuestem das Sago-Gelände bei Wilhelmshorst. Doch die finanzielle Hürde ist groß. Fast eine Million Euro soll das Grundstück samt Erschließung kosten. Undenkbar. Zwar habe der Verein Geld gespart, doch je länger die Diskussion anhält, desto schneller schmölzen die Rücklagen, sagt Wanke.

„Wir sind in einer prekären finanziellen Situation.“ Seit Jahren sinken Mitgliederzahlen und Spenden. Mit dem Ende des Tierheims am Wildpark sei die Arbeit des Tierschutzvereins aus den Köpfen der Potsdamer verschwunden. Heute sind es noch rund 600 Tierliebhaber, die 50 Euro jährlich überweisen.

In dem Kleintierheim werden Jahr für Jahr viele Hundert Katzen, Kaninchen, Hamster, Wellensittiche, Meerschweinchen, Chinchillas, Igel und Krähen von einer Tierpflegerin, einem Auszubildenden und wechselnden Praktikanten versorgt und vermittelt. Der Bedarf für ein Tierheim in Potsdam sei groß, sagt Wanke und zeigt die Warteliste. Es sind nicht nur die Schicksale der Tiere, die an einem Platz im Heim hängen, sondern auch die der Menschen, sagt Wanke. Wenn sich Tierbesitzer zerstreiten, Ehen geschieden werden, bleiben Katzen wie Lilly auf der Strecke. Für ältere Menschen kann hingegen der Gang ins Krankenhaus der letzte sein. Auch ihre Tiere brauchen ein Zuhause.

„Die Platznot zwingt uns, immer öfter nein zu sagen“, sagt Wanke. Er hält ein Stückchen Möhre in einen weitläufigen Stall für Meerschweinchen und Kaninchen. Auf dem Linoleum-Boden liegen Holzspäne. Es fiept und piepst und das Kaninchen Schäfchen knabbert an Wankes Möhre. „Unser Gehege soll als Vorbild dienen.“ Bevor der Verein die Tiere gegen eine Schutzgebühr abgibt, werden die neuen Besitzer unter die Lupe genommen. Die Tiere sollen nicht in verqualmte Raucherwohnungen kommen und auch nicht zu Menschen, die schon ohne Tiere keine Ordnung halten können. Etwa zwei bis drei Monate dauert es, bis Katzen, Kaninchen und Meerschweinchen ein neues Zuhause finden.

Lilly ist indes auf einem Katzenbaum eingenickt. Sie gähnt einmal kräftig und wartet. Auf ihre neue Familie mit Haus und Garten, zum Spielen und Toben.

www.tierschutzverein-potsdam.de

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