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Zerfall. Das alte Kino Charlott (l.) und die Villa in der Zeppelinstraße sind seit 2004 in Privatbesitz  doch nichts passiert. Die Verwaltung ist machtlos.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Eigentümer will nicht verhandeln

Ein Denkmal zerfällt, die Stadt schaut machtlos zu. Seit 15 Jahren steht das frühere Kino „Charlott“ leer

Potsdam-West - Der Eigentümer des früheren Kinos „Charlott“ hat Verhandlungen mit der Stadt über den Verkauf von Einzelflächen abgelehnt. Der Diplom-Ingenieur habe die Stadtverwaltung darum gebeten, „in diesem Zusammenhang nicht mehr angeschrieben zu werden“, heißt es in einer Mitteilung der Bauverwaltung an die Stadtverordneten. Die städtischen Mitarbeiter hatten mehrfach versucht, Kontakt zum Eigentümer Klaus Hentges aufzunehmen, doch ohne zählbaren Erfolg – das Denkmal am Bahnhof Charlottenhof in der Zeppelinstraße gammelt weiter vor sich hin. Gegenüber den PNN sagte Hentges kurz und knapp, es gebe nichts, was er mit der Presse besprechen wolle.

Seit Jahren versuchen Stadt und Anwohner Kontakt mit dem Eigentümer aufzunehmen – schon, um den seinerseits geschlossenen Durchgang „Gesundheitsgasse“ wieder als Fußweg öffnen zu lassen. Doch der „lehnte den Wunsch mehrfach ab“, so die Verwaltung. Baudezernent Matthias Klipp (Bündnisgrüne) erklärte, der Eigentümer wolle mit der Verwaltung nicht reden. Daher sei die Öffnung der Gesundheitsgasse als offizieller Fußweg zwischen Geschwister-Scholl- und Zeppelinstraße weiterhin durch Bauzäune versperrt. Einzig der Schritt wie am Griebnitzsee, also über einen gültigen Bebauungsplan mit anschließender Enteignung, wäre denkbar. Klipp bezweifelt aber, dass es für ein Enteignungsverfahren an dieser Stelle ausreichend gute Gründe gibt. Dabei hatten die Bauarbeiten an der Villa neben dem „Charlott“ vor einigen Jahren begonnen – doch bereits nach kurzer Zeit war alles wieder ruhig. Damals sagten Bauarbeiter den PNN, im Dachgeschoss würden schützenswerte Vögel nisten, daher könne nicht weitergebaut werden. Was der Inhaber mit den Häusern vorhat, bleibt also weiter unbekannt.

Abriss und Neubau vielleicht? Der Abriss eines Denkmals ist laut Verwaltungsangaben dann möglich, wenn der Eigentümer die Unwirtschaftlichkeit der Sanierung nachweist. Im September 2004 hat Hentges als Privatmann das Gelände bei einer Versteigerung der Deutsche Grundstücksauktionen AG den Zuschlag erhalten. 126 000 Euro hatte der Ingenieur geboten, es war die Höchstsumme für das knapp 2000 Quadratmeter große Grundstück mit dem „Charlott“ und nebenstehender Villa. Mitgeboten hatten auch potenzielle Investoren, die nach eigenen Angaben das 1996 geschlossene „Charlott“ wieder eröffnen und ein Programmkino betreiben wollten. Der Plan scheiterte am Kaufpreis. Die Nutzungsvarianten für das denkmalgeschützte Haus sind eingeschränkt. Schon bei der Versteigerung stand fest: Diskothek oder Supermarkt sind nicht möglich – Wohnungen, Büros oder Einzelhandel schon.

Der Zustand der Gebäude ist erbärmlich. Bereits vor sieben Jahren waren Teile des Kinos mit dem über 700 Quadratmeter großen Saal und der 225 Quadratmeter großen Villa wegen „bautechnischer Mängel“ gesperrt. Damals war etwa die Treppe der Villa einsturzgefährdet, auch im Kinosaal war der Boden herausgerissen. Der Raum sah aus wie ein riesiges Nichtschwimmerbecken ohne Wasser.

Dabei muss es einst eines der schönsten Restaurants der Stadt gewesen sein, das „Victoria-Garten-Restaurant“. Doch von der früheren noblen Adresse in der heutigen Zeppelinstraße 37 ist nichts mehr zu erkennen. Das Filmtheater entstand 1934 anstatt des Tanzsaals des Restaurants, heißt im Nachschlagewerk „Potsdam-Lexikon“. 530 Plätze habe es gegeben. Es war eins der größten Kinos der Stadt.

Bekannt ist das Gelände auch wegen seiner Geschichte als Ort der Arbeiterbewegung. Karl Liebknecht hatte hier laut Potsdam-Wiki am 15. Januar 1901 seinen ersten Auftritt in Potsdam, später war es sein Wahlkreis. An die Zeit erinnerte eine Gedenktafel am Kino – 2009 verschwand sie spurlos. Jan Brunzlow/(mit pee)

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