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Landeshauptstadt: Eigenständig leben lernen

Im Wohnprojekt „Montevini“ am Bornstedter Feld sollen psychisch Kranke wieder in den Alltag finden

Von Sarah Kugler

Bornstedter Feld - Die gute Laune war überall zu spüren. Nicht nur bei Gästen aus Politik und Wirtschaft, sondern auch bei den Betreuern und Anwohnern des Wohnprojektes „Montevini“, die am gestrigen Dienstag gemeinsam die offizielle Einweihung des Komplexes am Bornstedter Feld feierten. Bezogen wurde die Wohnstätte für chronisch psychisch erkrankte Menschen an der Viereckremise allerdings schon im Mai dieses Jahres – die Bewohner haben sich inzwischen gut eingelebt.

Wohnstättenleiter Nico Weigel war froh, dass der Umzug vom Quartier in der Weinbergstraße so reibungslos verlaufen ist. Es habe Befürchtungen gegeben, dass manche Bewohner durch die Veränderung in eine Psychose rutschen, was allerdings nicht eingetreten sei. Niemand habe zur Behandlung in die Klinik gemusst. Auch auf die heutige Einweihung hätten sich die Bewohner gefreut, sie seien inzwischen stolz auf ihr Zuhause. Das ist zum großen Teil dem modernen Neubau zu verdanken, der insgesamt 32 Bewohnern mit verschiedenen psychischen Erkrankungen ein Zuhause bietet.

Das Haus, in dem ausschließlich Erwachsene leben, ist in zwei verschiedene Bereiche aufgeteilt. In den oberen drei Stockwerken leben jeweils acht Personen in einer Wohngemeinschaft zusammen, darunter gibt es Einzelwohnungen. In den Gemeinschaften steht jedem ein Einzelzimmer mit eigenem Bad zur Verfügung. Gerade Letzteres sei eher untypisch, wie Weigel erklärte. Die Privatsphäre der Anwohner zu wahren, sei aber ein wichtiger Aspekt an dem Bau gewesen. Auf jeder Etage gibt es außerdem eine große Gemeinschaftsküche mit Balkon, einen Gemeinschaftsraum und ein Büro mit Computer und Internetzugang.

Die Räume sind durch die großen Fenster sehr hell und in ihrer Einrichtung relativ schlicht gehalten. Nach und nach sollen die Anwohner ihre persönliche Note mit einbringen, etwa mit Bildern an den Wänden. In den vollstationären Wohngemeinschaften werden die Bewohner rund um die Uhr von Sozialarbeitern und -pädagogen betreut. Wie Einrichtungsleiterin Ursula Röpell betonte, würden jedoch sämtliche Hausarbeiten von den Bewohnern selbstständig durchgeführt. Vom Putzen des Bades bis zur Essensplanung obliegt alles ihrer Organisation, bei der sie allerdings Hilfe in Anspruch nehmen können. Die Hausbewohner planen selbst den Speiseplan, besprechen die Einkaufslisten und berechnen die Kosten, damit sie den Umgang mit Geld lernen, so Röpell. Auch das Essen kochen die Bewohner selbst, was ihnen auch helfen soll, eine gewisse Eigenständigkeit in der Tagesstruktur zu entwickeln. Da sich viele der Bewohner durch ihre Erkrankung gerne isolieren, sei es ganz besonders wichtig, ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, so Weigel. Diverse Freizeitangebote, wie etwa der Fotoclub oder die Betreuung des eigenen Hochbeetes im Garten, sollen dabei helfen und soviel Normalität wie möglich schaffen.

Die sechs eigenständigen Apartments im Erdgeschoss, von denen zwei auch behindertengerecht eingerichtet sind, bieten mit jeweils eigenen Küchenzeilen noch mehr Privatsphäre. Die Bewohner sollen hier so eigenständig wie möglich leben, um nach etwa zwei Jahren in eine eigene Wohnung ziehen zu können. Somit gehen sie auch selbstständig einkaufen und planen ihre Freizeit unabhängig von der Betreuung. Dafür ist der Wohnort ideal, da die Bewohner durch die Tramhaltestelle vor der Tür, einen Supermarkt um die Ecke und den Volkspark in unmittelbarer Nähe sehr gut an die Stadt angebunden sind. Wie Weigel erklärte, bestünde hier nur eine Betreuung von sechs Stunden pro Wochentag. Am Wochenende stünden die Mitarbeiter lediglich zwei Stunden zur Verfügung – ein Bereitschaftsdienst kann aber bei Bedarf gerufen werden. Ein großes Ziel sei natürlich auch, die Bewohner wieder ins Arbeitsleben einzubinden, was teilweise auch schon funktioniert hat: Ein Anwohner hat vor Kurzem einen Job in den Bahnhofspassagen erhalten.

Bis zum Umzug an das Bornstedter Feld war es für die Bewohner ein weiter Weg. Wie „Montevini“-Geschäftsführer Andreas Kaczynski sagte, sei bereits vor fünf Jahren bekannt geworden, dass der Brandschutz am alten Standort in der Weinbergstraße nicht mehr den aktuellen Standards entspricht. Wie die PNN berichteten, waren die beiden Wohngruppen mit elf und 13 Bewohnern außerdem zu groß, um ein heimatliches Gefühl aufkommen zu lassen. Da das Haus aber unter Denkmalschutz stand, waren größere Umbauarbeiten nicht möglich, sodass im Jahr 2011 die Suche nach einem geeigneten Ersatz begann. Die Wahl fiel auf das Grundstück an der Viereckremise, wobei die kommunale Immobilienholding Pro Potsdam die Bebauung übernahm. Im Mai 2014 war die Grundsteinlegung, etwa drei Monate später das Richtfest.

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