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Exzentriker, Entertainer, Quasselstrippe und Forensik-Experte: Dr. Mark Benecke

© dpa

Dr. Mark Benecke in der Waschhaus-Arena: Totenstille in der Arena

Der Forensiker Dr. Mark Benecke hielt gleich zwei Vorträge im Waschhaus: Am Freitag traute sich Steffi Pyanoe zu "Gerüche und Leichen", am Samstag Oliver Dietrich zu "Plötzliche Selbstentzündung beim Menschen"

Hier kommt ein Hinweis an alle, die sich beruflich verändern wollen: „Es gibt zu wenige Fäulnisspezialisten“, sagt Mark Benecke. „Feuchte Leichen haben die Eigenschaft zu zerlaufen, an dem Farbspiel des Glibbers lässt sich einiges über Todesumstände und Zeitpunkt erkennen“. Wenn man das kann. Der Kriminalbiologe Mark Benecke zum Beispiel ziemlich gut sogar. Der geborene Kölner ist mittlerweile ein international gefragter Spezialist auf dem Gebiet der forensischen Entomologie, das, was sich auf, in und um Leichen abspielt, was da wächst, krabbelt und frisst und fliegt. Er hat zahlreiche Bücher geschrieben, ist gefragter Gastredner, Ausbilder von Rechtsmedizinern, unterrichtete selbst an der FBI-Academy. Und er ist ein begnadeter Entertainer. Am Wochenende trat Benecke, der Herr der Fliegen, gleich zweimal in der Waschhausarena auf. Die war beide Tage fast ausverkauft.

Am Freitag gab es den Klassiker: „Gerüche und Leichen“, die Samstagnacht war dem nützlichen Thema „Plötzliche Selbstentzündung bei Menschen“ gewidmet, alles hübsch anschaulich unterlegt mit einem Diavortrag. Anhand von realen Fällen und Experimenten erklärte Quasselstrippe und Rätsellöser Benecke den Lebenszyklus des verräterischen Getiers, Maden und Fliegen, Bakterien, Algen. Er erklärte den Unterschied von Würgemalen und Abdrücken aus dem Unterholz, in das jene Leiche abgelegt wurde, zeigte, wie sich Wasserleichen und getrocknete Tote verändern. „Luftgetrockneter Schinken ist eigentlich nichts anderes ist als eine gut abgelegene Leiche“, sagte Benecke, der selbst Vegetarier ist. Weshalb Letztere auch nicht giftig sein können, ist er überzeugt: „Sonst könnten wir auch keinen Schinken essen“.

Neben all dem Infotainment über „Blut, Kot, Haare, Knochen und Sperma – alles, was man so auf dem Alex findet“, folgte ein leidenschaftlicher Appell an alle Hobbytüftler. „Das Unwahrscheinliche ist nicht unmöglich“, ist Beneckes Leitsatz. „Immer wie ein Kind denken und keine Annahmen von vornherein machen, dann hat man schon verloren. Dann kann man keine Kriminalfälle lösen.“ Und tröstete gleichzeitig das Publikum, dass mit dem Tod eben doch nicht alles zu Ende ist: „Auf Ihrer Leiche ist ordentlich was los, da kommen Bakterien, Fliegen, Maden - und Kriminalbiologen."

Sie wollen einen medizinischen Vortrag, in dem tote Prostituierte zu sehen sind? Kriegen Sie, Schonung gibt es bei Benecke nicht. Überhaupt gibt es so viel totes Gewebe zu sehen, dass schnell eine Gewöhnung eintritt, was aber auch an Beneckes wissenschaftlich fundierter, lockerer Art liegt, ein naturwissenschaftlicher Tüftler, von dem zuletzt eine Biografie in Buchform erschien: "Seziert. Das Leben von Otto Prokop" nennt sich das Buch, in dem er einer gerichtsmedizinischen Ikone folgt. Und praktische Hinweise liefert: "Wenn Sie neben einer toten Person aufwachen, dann verlassen Sie Europa! Wenn Sie es waren, dann rufen Sie die Polizei und stellen Sie sich, wenn nicht, dann vertrauen Sie bloß nicht auf die Ermittlungen." Scheinen ja alle ziemlich nachlässig zu sein, die Herren Kollegen.

Wie geschaffen für Benecke, der sich niemals als Pathologe bezeichnet wissen will: "Streichen Sie das aus Ihrem Wortschatz, das ist kompletter Unsinn", sagt er. Ein Pathologe sei einer, der einfach nur Krankheiten auf den Grund gehe, an Leichen schnipple nur ein Gerichtsmediziner, so wie Benecke selbst. Leichen? Ja, klar, die gibt es zuhauf: Benecke selbst verschwindet auf der Bühne im Dunklen, es bleibt nur ein großer Bildschirm, auf den Benecke mit einem Laserpointer zeigt.

Auch interessant für Kriminalbiologen sind jene kuriosen Fälle, in denen jemand scheinbar von selbst in Flammen aufgegangen ist. Plötzliche Selbstentzündung? Ein Mythos, wie er es selbst nennt: Plötzlich verbrennt ein Mensch, keine Zündquelle, immer sind die Unterschenkel noch da, rundherum ist nichts verbrannt - und fast immer sind die Personen weiblich und über 60 Jahre alt.

In Belgien soll es letztens einen Fall einer spontanen Selbstentzündung gegeben haben, doch diesmal hatte die Dame Glück: Sie überlebte - und konnte also befragt werden. Doch wie entzündet sich ein Körper selbst? Da ist doch kein Benzin drin: "Das kann man messen." Wasser sei da drin, das kann zu Wasserstoff werden, Knallgas. Aber wo sei dann die Explosion? Die Leiche ist immer zu einer schwarzen, verkohlten Masse zusammengeschmolzen, die Beine sind angewinkelt - weil sich die Sehnen bei Hitze zusammenziehen, erklärt Benecke, ab und zu gebe es sogar eine "Brandamputation", weil die Sehnen die Knochen brechen. Im belgischen Fall ließ sich das Feuer nicht löschen: Hat das etwas mit Natrium zu tun? Das brauche auch keine Zündquelle, mit Feuchtigkeit bilde sich Wasserstoff, das reicht schon, erklärt Benecke in die Totenstille in der Arena.

Was soll's, lösen wir das Rätsel: Es gibt keine spontane Selbstentzündung beim Menschen, wie der Vegetarier Benecke nach dem Anzünden Dutzender Tier- und Menschenleichen herausfindet. Ein Mythos: Es ist die Kippe in der Hand, und im belgischen Fall einfach Phosphor aus dem Ersten Weltkrieg, der am Strand aufgesammelt wurde. Wir wollen nur gern das unerklärliche Phänomen, das es nicht gebe. Frauen brennen eben einfach besser, weil sie mehr Unterhautfettgewebe haben, das sich verflüssigt und damit als Brandbeschleuniger dient. Das hätten Sie jetzt aber nicht erwartet, gell?

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