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Landeshauptstadt: Die Heilige Familie aus rohem Ton

In einer kleinen Werkstatt in Babelsberg entstehen wieder die beliebten Oberlin-Krippen

In einer kleinen Werkstatt in Babelsberg entstehen wieder die beliebten Oberlin-Krippen Von Juliane Streich Von Wedemeyer Babelsberg - Marias Blick ist etwas verschwommen. Kein Wunder, eben noch war sie eine Scheibe Ton. Aber Monika Uhlig ist schon mit dem Modellierholz dabei und verleiht den Augen der Gottesmutter die nötige beseelte Klarheit. Behutsam streicht sie mit dem Stäbchen über die Lider und stupst mit ihren Fingern das heilige Näschen zurecht. In ihrer kleinen Werkstatt im Oberlinhaus stellt die Potsdamer Arbeitstherapeutin Krippenfiguren aus rotem Ton her: Mit einer Teigrolle walzt sie das Material zu Scheiben, bevor sie es in die negativen Gipsformen drückt. Eine halbe Stunde muss die Figur darin trocken. Dann modelliert Uhlig die Gesichter und Hände nach und bringt die hohlen Tonkörper zum Brennen. Maria und Josef mit Kind, drei Hirten, drei Könige, ein Ochs, ein Esel und ein Schaf schafft sie in einer Woche – eine ganze Krippe. Der Hirtenjunge mit dem Lämmchen ist Uhlig dabei das liebste Stück: „Mein Baby“, sagt sie und wiegt den Kleinen im Arm. Das Besondere an den Oberlinkrippen sei der „starke Ausdruck“ der Gesichter. Die Scheffer-Figuren seien eben „künstlerisch“. Und tatsächlich erinnern sie an die Arbeiten Ernst Barlachs. Diakon Georg Krönke findet sie darum einfach „originell, nicht so wie die üblichen volkstümlichen Krippen“. Der 71-Jährige half Uhlig, die Geschichte und alte Abbildungen der Krippe zusammentragen. Entworfen hat sie Ilse Scheffer in den 50er Jahren für das Oberlinhaus. Die Figuren waren bald so beliebt, dass sie sogar als Postkartenmotive reißenden Absatz fanden: „Die wurden uns unter den Händen weg gerissen“, erinnert sich Krönke. Als die Kleinmachnower Künstlerin, die 1977 in Düsseldorf starb, 1954 in den Westen ausreisen wollte, sollte sie all ihre Werke dem DDR-Staat überlassen. Kurzentschlossen schenkte sie deshalb die Gipsnegative dem Oberlinhaus. Dort setzte Nikolaus Leist die Arbeit an der Heiligen Familie fort. Leist war es auch, der die damals frisch gebackene Therapeutin Uhlig in das Keramikerhandwerk einführte. Als er in den 80er Jahren in Rente ging, wurden die rund 30 Zentimeter hohen Figuren nur noch ab und zu hergestellt. Lediglich eine kleinere Variante der Krippe produzierte Monika Uhlig seit 2003 regelmäßig als selbstständige Keramikerin. Nun hat sie vom Oberlinhaus das Vervielfältigungsrecht und die Abdruckformen für die große Krippe erhalten. An die christliche Einrichtung geht dafür ein Teil des Gewinns. Schon am ersten Tag bekam Uhlig drei Aufträge für die Darstellung der Geburt Jesu. Später einmal sollen zwei Behinderte ihr bei der Arbeit helfen. Ihr einstiger Lehrer Leist konnte zur Eröffnung der neuen Werkstatt nicht mehr kommen. Der 90-jährige starb vergangene Woche.

Juliane Streich Von Wedemeyer

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