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Landeshauptstadt: Die Befreier waren zu Bösem fähig

Denkwürdige Worte bei der Grundsteinlegung für die Gestaltung der künftigen KGB-Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße

Potsdam - Vom Pfarrhaus zum Ort des Grauens – und nun zu einem Ort der Mahnung: In der Potsdamer Leistikowstraße wurde gestern der Grundstein für den Erhalt und den Ausbau der Gedenk- und Begegnungsstätte Ehemaliges KGB-Gefängnis gelegt. Der Ort in der Nauener Vorstadt soll zu einer Erinnerungsstätte von bundesweiter und europäischer Bedeutung werden. Für ihren Betrieb habe das Land im Haushalt Vorsorge getroffen, sagte Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) unter Beifall.

Im Beisein überlebender Häftlinge nannte der evangelische Bischof Wolfgang Huber das 1945 durch den russischen Geheimdienst NKWD, später KGB, in Beschlag genommene Haus einen „Erinnerungsort für die Zukunft“. In diesem Gebäude, in dem vorwiegend Jugendliche gefangen und gefoltert wurden, könne sich jeder bewusst werden, „dass der Mensch immer wieder der Befähigung widerstrebt, Mensch zu sein“. Zahlreiche Häftlinge, denen zumeist Spionage vorgeworfen wurde, erhielten die Todesstrafe oder wurden zu langer Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. Nun soll das in seiner Art in Europa einzigartige Gebäude konserviert werden und künftig das Hauptexponat einer Dauerausstellung sein. Zudem wird ein Besucherzentrum nach einem Entwurf des Architekten Wolfgang Brune errichtet. Die Kosten von 2,5 Millionen Euro tragen die Europäische Union, der Bund, das Land Brandenburg, die Ostdeutsche Sparkassen-Stiftung und der Evangelisch-Kirchliche Hilfsverein (EKH). Im Jahr 1916 war die heutige Gedenkstätte als Pfarrhaus für die Reichsfrauen-Hilfe des EKH an der damaligen Mirbachstraße 1 errichtet worden.

Mehrere Redner betonten, an Geschichte zu erinnern sei insbesondere an einem authentischen Ort möglich. Hier, sagte Bischof Huber, verstehe jeder, was der Schriftsteller Daniil Granin meinte, als er das 20. Jahrhundert als „Das Jahrhundert der Angst“ bezeichnete. Huber versicherte, dass die Verwüstungen, die von den Deutschen vor 1945 ausgegangen sind, nicht verdrängt werden. „Wir behalten die Scham und das Entsetzen über den deutschen Vernichtungswillen“, so Huber. Ebenso „sind wir dankbar“, mit welcher Entschlossenheit die Alliierten gegen den deutschen Faschismus vorgingen. „Der Dank bleibt bestehen“, erklärte der Bischof, „wenn auch die Befreier zu Bösem fähig waren“.

Mit klaren Worten trat Huber jedem Fatalismus entgegen: „Wir lassen uns nicht in die Behauptung ein, die Welt sei in einen Teufelskreis des Bösen gefangen. Wir finden uns damit nicht ab.“ Gegenwärtig sei in unserer Region ein Frieden gefunden worden, der zwar nicht ideal sei, von dem aber „unsere Väter und Mütter nicht zu träumen gewagt hätten“, sagte Huber.

„Hätte uns Häftlingen damals jemand gesagt, dass wir rehabilitiert werden und dass die Orte des Grauens Gedenkstätten werden – wir hätten es nicht geglaubt.“ Dies sagte der 76-jährige Günter Martins vor dem Festpublikum. Martins war 20-jährig am 17. Mai 1951 verhaftet worden und brachte sechs Monate in den Kellerzellen des KGB-Gefängnisses Leistikowstraße zu – bei Hunger, Folter und Einsamkeit. Täglich musste er um sein Überleben bangen. „Ich sollte Dinge gestehen, die ich nie begangen habe“, so Martins: „Wir wurden wie Tiere behandelt.“ Viele seien zum Tode verurteilt und „wenn nicht hier, dann in Moskau erschossen worden“. Martins erklärte am Rande der Grundsteinlegung, dass in der Leistikowstraße auch Häftlinge erschlagen wurden. Martins verurteilten die KGB-Richter zu 15 Jahren verschärfte Haft im berüchtigten sibirischen Arbeitslager Workuta. Daheim sei er noch lange in der Nacht aufgeschreckt und habe geglaubt, er sei noch immer im Gulag. Für seine Peiniger hegt Günter Martins ein gewisses Verständnis: „Wir waren Faschisten in ihren Augen.“

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