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Dialogbereit. Die Teilnehmer des deutsch- amerikanischen Dialogs – eines Programms der Denkfabrik Aspen Institute in Washington – waren zu Besuch in der Landeshauptstadt Potsdam.

© A. Klaer

Deutsch-amerikanischer Dialog in Potsdam: Jenseits von Trump

Mit dem Aspen Institute besuchen derzeit US-Amerikaner die Stadt. Es geht um Medien, Verkehr und das Sozialsystem.

Potsdam - Eigentlich sei in Deutschland alles so, wie es in den USA im Wahlprogramm der Demokratischen Partei gestanden hätte, stellt ein junger Mann in der Runde fest. „Rente, soziale Absicherung, Elternzeit – es ist schön zu sehen, dass das alles hier so gut funktioniert.“ Er ist Teilnehmer eines Programms der US-Denkfabrik Aspen Institut, das den Dialog zwischen Deutschland und den USA fördern soll. Das Aspen Institut hat seinen Hauptsitz in Washington. Nach Potsdam kamen die US-Amerikaner, weil die hiesige Grünen-Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock diesjährige Dialog-Teilnehmerin ist.

Neben dem IT-Unternehmen D-Labs und dem Verkehrsbetrieb (ViP) besuchten die Gäste am Donnerstag auch die Redaktion der Potsdamer Neuesten Nachrichten. Chefredakteurin Sabine Schicktanz gab einen Überblick über die Geschichte der Zeitung, erklärte Besonderheiten der Medienlandschaft in Deutschland. Anschließend diskutierte sie mit den Teilnehmern über Unterschiede zwischen US-amerikanischen und deutschen Medien.

Hörer und Leser tun unliebsame Dinge schneller als "Fake News" ab

Teilnehmerin Kelley Libby arbeitet als Radiojournalistin in Richmond, Virginia. „Das ist eine Gegend, in der viele Menschen heute noch leugnen, dass es je Sklaverei in den USA gegeben hat“, sagt Libby. Umso wichtiger sei es, in einer solchen Region einen unabhängigen Journalismus zu fördern. Der Radiosender, für den sie arbeite, sei erst vor wenigen Jahren gegründet worden – und das, obwohl Richmond die Hauptstadt des US-Bundesstaates ist. Die Situation für Journalisten sei unter Donald Trumps Präsidentschaft schwieriger geworden, findet sie, da Hörer und Leser Dinge, die ihnen nicht passten, schneller als „Fake News“ abtäten als dies vorher der Fall gewesen sei.

Zur deutschen Medienlandschaft hatten die Teilnehmer viele Fragen: Wie haben sich die Abonnentenzahlen seit Beginn der Zeitungskrise entwickelt? Wie sieht es hierzulande aus mit Lügenpresse-Vorwürfen? Und: Wie hat sich die Rolle der Leser verändert? Für Kelley Libby ist klar: „Die Leser wollen heutzutage nicht nur von oben etwas erklärt bekommen, sondern selbst an der Medienproduktion teilhaben.“ In den USA gebe es immer mehr Online-Projekte, in denen Leser Wunschthemen vorschlagen könnten, zu denen professionelle Journalisten recherchieren sollten. Solche Modelle finden auch in Europa immer mehr Interessenten. Daneben gebe es in den USA immer häufiger Partnerschaften zwischen Universitäten und Medien. Davon profitierten sowohl Journalistikstudenten, die so schneller an Praktikumsstellen und Jobangebote kämen und die Medien seien durch die zusätzliche Finanzquelle krisensicherer.

„Ich finde es besorgniserregend, dass es immer weniger Printmedien gibt“, sagte Teilnehmerin Billie Ellen Easton, die als Ausbildungsleiterin an der University of Virginia arbeitet. Vielleicht sei es sinnvoll, Medienerziehung stärker in den Lehrplan von Schulen zu integrieren, so ihr Vorschlag.

Schicketanz: Wenn es um schwierige Themen geht, bevorzugen nach wie vor viele Menschen das gedruckte Wort 

Die aktuelle politische Entwicklung in ihrer Heimat sahen die Teilnehmer des Programms kritisch – auch wenn dies nicht jeder öffentlich aussprechen wollte, da viele der Arbeitgeber überparteilich sind. Das Aspen Institut bezeichnet sich selbst ebenso als überparteilich. Interessant fanden die Teilnehmer, dass sich die Potsdamer Neuesten Nachrichten nach der US-amerikanischen Präsidentschaftswahl im Februar besonders gut verkauften. Wenn es um schwierige Themen geht, die man erstmal sacken lassen muss, würden offenbar nach wie vor viele Menschen das gedruckte Wort gegenüber Online-Nachrichten bevorzugen, sagte Schicketanz.

Für alle Teilnehmer war es der erste Besuch in Deutschland. Besonders beeindruckt zeigten sich viele vom öffentlichen Nahverkehr in Potsdam und anderen deutschen Städten. „In South Bend, wo ich lebe, ist die gesamte öffentliche Infrastruktur auf den Autoverkehr fokussiert“, sagte Jitin Kay, stellvertretender Direktor für öffentliche Bauvorhaben einer kleineren Stadt in Virginia, die etwa 90 Meilen von Chicago entfernt liegt. „Wenn alles auf den Autoverkehr ausgerichtet ist, entsteht mehr Ungleichheit zwischen Armen und Reichen, da die Armen sich natürlich kein Auto leisten können“, so Kay. Ohne Bus- und Bahnverkehr seien sie so von vielen Aktivitäten ausgeschlossen oder müssten sehr viel mehr Zeit für Erledigungen einplanen. Ihn beeindrucke auch die innovative Kultur, die er bei D-Labs wahrgenommen habe, sagte Jitin Kay. „Die Potsdamer scheinen wirklich daran interessiert zu sein, ihre Stadt voranzubringen.“ Er wünsche sich, diesen Geist bei seiner Rückkehr auch an die Bürger von South Bend weitergeben zu können.

Neben Potsdam besuchten die Teilnehmer Berlin und trafen dort unter anderem mit Vertreter von CDU, SPD und Grünen. Dabei standen Themen wie die Energiewende, Umweltschutz und das deutsche Sozialsystem im Fokus.

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