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Landeshauptstadt: Der Nazi als Fashion-Victim

Woran erkennt man die Rechten? Es wird immer schwieriger vom Outfit auf die Gesinnung zu schließen

Skin-Frisur, Bomberjacke und Springerstiefel sind out. Die rechte Szene hat sich mittlerweile der Mainstream-Streetware angepasst. Einige Nazis tragen sogar Flip-Flops, Haarreif und Bermudas. Selbst das Schwarz der Autonomen haben sich manche Anhänger der extremen Rechten zu eigen gemacht. Für Mitschüler, Kommilitonen und Lehrpersonal wird es da schwierig, vom Outfit auf die Gesinnung zu schließen.

„Des Nazis neue Kleider“ hieß die Infoveranstaltung in der Universität am Griebnitzsee, die über die neuen Dresscodes der Rechten informierte. Sie wurde von der kürzlich gegründeten „Libertären Gruppe“ an der Uni, des „Arbeitskreises Antifa“ und dem Fachschaftsrat Erziehungswissenschaft organisiert.

Den aktuellen Anlass zum Treffen lieferte eine Gruppe von vier bis sechs Studenten der Politikwissenschaften, erzählt Carolin Sommer von der Libertären Gruppe. Deren Erscheinungsbild und Verhalten ließe auf eine rechtsextreme Gesinnung schließen. Man trüge Kleidung der Marke „Thor Steinar“ und unterhielte sich offen über Konzerte, die die rechte Szene illegal organisiere.

Mit der Aufklärung über Kleidungs- und Erkennungscodes der Neo-Nazis möchten die Studentengruppen verhindern, dass sich aggressive, diskriminierende und rassistische Ideologie schleichend in einem öffentlichen Raum wie der Universität Akzeptanz verschaffen kann.

Tamás Blénessy, Referent für Antifaschismus beim bundesweiten Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften, wurde 2005 Opfer rechtsextremer Gewalt. „Die Angst ist geblieben“, erzählt er von dem spektakulären Überfall in der Potsdamer City. Er berichtet von einem politikwissenschaftlichen Seminar im „Haus der Wannseekonferenz“, vor dem der Dozent die Erwartungen seiner Studenten an das Seminar abfragen wollte. Zwei Teilnehmer hätten, so Blénessy, die Existenz der historischen Konferenz, auf der die „Endlösung der Judenfrage“ organisiert wurde, schlichtweg geleugnet.

Und was trägt der „rechte“ Mann heute? Die in Königs Wusterhausen mit großem Erfolg von der Firma MediaTex vertriebenen „Thor Steinar“ Produkte, die sich oberflächlich kaum von anderen Labels unterscheiden. Das alte Logo der Firma, bestehend aus verschwungenen germanischen Runen, sei zunächst verboten gewesen, so der Referent. Das Verbot sei aber von einem Brandenburger Gericht wieder aufgehoben worden. Auf T-Shirts dieser Marke fände man nationalistische Symbolik, Zahlencodes und auch die norwegische Flagge. Diese Fahne sei auch auf Nazi-Demonstrationen sehr präsent. Zu achten wäre besonders auf die Zahlencodes: Die 88 stehe für „Heil Hitler“ (H ist der achte Buchstabe im Alphabet), die 28 für „Blood & Honour“, ein großes Nazi Label. Die Aufschrift „168 : 1“ beziehe sich auf ein Attentat in Oklahoma mit rassistischem Hintergrund, die 14 auf die 14 Worte eines diskriminierenden Leitspruchs des Ku-Klux-Clans. Gerne wird ein umgedrehter Hammer, das Werkzeug des germanischen Kriegsgottes Thor, getragen, verziert mit zwei liegenden Achten.

Nach dem informativen Vortrag, der spontan von einem Antifa-Aktivisten gehalten wurde, begann eine Diskussion über den Umgang mit Nazis an der Uni. Der sich Peter nennende Sprecher wollte anonym bleiben, und verwies als Begründung auf sein gebrochenes Nasenbein. Der ursprüngliche Referent war aus rein persönlichen Gründen nicht erschienen.

Einige der zwanzig Teilnehmer setzten sich für ein sehr offensives „Outing“ der Rechten. Da sei Zivilcourage nötig. Man solle den Dozenten auffordern, den erkannten Neo-Nazi des Raumes zu verweisen. Und notfalls eine Folie „Hallo, Nazi!“ auf den Overheadprojektor im Hörsaal legen.

Deutlich wurde jedoch auch, dass die Auseinandersetzung mit der Gesinnung schwieriger ist, als mit den rechten Symbolen. Schließlich kann man eine Überzeugung nicht so einfach abstreifen wie ein T-Shirt. Matthias Hassenpflug

Mehr Info zu rechten Symbolen: www.dasversteckspiel.de

Matthias Hassenpflug

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