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Noch prägen parkende Autos das Bild in der Mittelstraße. Das soll anders werden. 

© Andreas Klaer

Debatte um weniger Autos in der Innenstadt: Parkuhren werden ab sofort auf teurer gestellt

Ab sofort gelten die höheren Parkgebühren in der Potsdamer Innenstadt. Zugleich stellt sich die Handwerkskammer gegen die Pläne der Stadt für weniger Autos und Stellplätze im Zentrum.

Potsdam - Potsdams Parkscheinautomaten werden ab sofort auf die neuen, deutlich höheren Gebühren zur Nutzung der Stellplätze umgestellt. In dieser Woche sollen alle Automaten in der Innenstadt die neuen Preise ausweisen, teilte die Stadtverwaltung jetzt in einer Erklärung mit. Die Kommunalpolitik hatte Anfang Juni die Erhöhung der Gebühren beschlossen. So kostet nun eine Stunde Parken in der Innenstadt drei statt bisher zwei Euro. Im übrigen Stadtgebiet gilt ein Satz von 1,50 Euro. Vergünstigungen erhalten Carsharing-Nutzer.

Die höheren Gebühren sollen – kombiniert mit dem geplanten Wegfall von 500 der 1300 Parkplätze in der Innenstadt – helfen, das Zentrum von Autos zu entlasten. Auch hoffe man, dass die Potsdamer verstärkt Parkhäuser nutzen, da es nun keinen Preisvorteil mehr gebe, sagte Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos). Die Parkgebühren in den Parkhäusern und Tiefgaragen liegen derzeit zwischen 1,50 Euro und 2,50 Euro je Stunde. Ihre Auslastung lässt sich unter www.mobil-potsdam.de nachvollziehen. 

Kritik an Plänen zum Wegfall von Parkplätzen

Derweil regt sich gegen die vom Rathaus vorangetriebenen Pläne für eine deutlich autoärmere Innenstadt nun erster Widerstand. Der Chef der Potsdamer Handwerkskammer (HWK), Ralph Bührig, betonte in einer Erklärung: „Wirtschaftsverkehr muss in der Potsdamer Innenstadt weiterhin möglich bleiben.“ 

Angeführt werden in der Mitteilung der Handwerkskammer drei Einzelbeispiele. Das Sanitätshaus Kniesche mit mehreren Standorten in Potsdam kritisiert demnach, dass „Parkplätze für Kunden, vor allem für jene mit körperlichen Einschränkungen, nicht einfach wegrationalisiert werden können“. Zumindest Kurzzeitparkplätze müssten möglich sein. „Es ist bereits jetzt schon so, dass Ladengeschäfte wegen schlechter Erreichbarkeit schließen müssen“, so Kniesche. 

Kritik kommt auch von Werner Gniosdorz, Chef der Bäckerei Braune. So sei eine „weitere starke Einschränkung des Lieferverkehrs für Produktionsbetriebe wie Bäcker oder Fleischereien geschäftsschädigend“. Für Mitarbeitende solcher Unternehmen seien Parkmöglichkeiten wichtig – wegen der Arbeitszeiten am ganz frühen Morgen, wenn Busse und Straßenbahnen kaum mehr fahren. Auch Raumausstatter Hans-Gerald Eckert von „freiraum.einrichten“ in der Jägerstraße sehe die dort geplante Halteverbotszone als geschäftsschädigend. Briefe an die Stadtverwaltung blieben bisher ohne Reaktion, heißt es. „Das behindert uns Gewerbetreibende und Steuerzahlende in unserer Arbeit.“ Kammerchef Bührig sagte, das Handwerk sei darauf angewiesen, für die Kunden mit dem Auto erreichbar zu bleiben.

Stadt: Autofahrer sollen Parkhäuser nutzen

Wie berichtet sollen in der Innenstadt zwischen Brandenburger Tor und Holländischem Viertel in absehbarer Zeit rund 500 von 1300 Parkplätzen wegfallen. Ziel seien besonders auswärtige Besucher, die nach den bisherigen Vorstellungen der Verwaltung die Parkhäuser rund den Innenstadtring nutzen oder gleich ohne Auto kommen sollen. Statt der Parkplätze sind mehr Fahrradstreifen und Platz für Fußgänger und Gastronomie geplant. 

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Eine deutlich autoärmere Innenstadt gehört zu den Grundsätzen, auf die sich die rot-grün-rote Rathauskooperation nach der Kommunalwahl 2019 verständigt hatte. Linke-Fraktionsgeschäftsführer Sascha Krämer erklärte dazu jüngst via Twitter: „Der öffentliche Raum soll für Menschen da sein und nicht für Autos.“ Auf dem Weg hin zu einer lebendigen Innenstadt mit mehr Freiräumen und Lebensqualität sei auch die erst jüngst vorgenommene Erhöhung der Parkgebühren ein erster Schritt. Autos gehörten auf Park-and-Ride-Plätze am Rande der Stadt oder in Parkhäuser. Dafür seien aber noch Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr und beim Parkleitsystem notwendig, so Krämer. 

Kritik kommt auch von der AfD

Widerstand hat hingegen die in Teilen rechtsradikale AfD angekündigt. Zur „Vernichtung“ der 500 Parkplätze erklärte deren Fraktionschef Chaled-Uwe Said: „Es ist ein Unding, wie permanent und radikal gegen Autofahrer vorgegangen wird.“ Man lehne „diesen pausenlosen Angriff“ auf den Autofahrer ab, so Said, der auf Senioren, Familien mit Kindern oder andere verwies, die aus seiner Sicht „auf die Anreise in die Innenstadt per Auto angewiesen sind“.

Weniger aufgeregt diskutierte jüngst der Wirtschaftsrat der Stadt über die Themen Mobilität und Verkehr. In einer Erklärung nach der Sitzung lobte Steffen Kammradt, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburg (WFBB), mit innovativen Projekten wie der im Testbetrieb befindlichen autonomen Straßenbahn des Verkehrsbetriebs habe Potsdam beste Voraussetzungen, zu einem spannenden Testfeld der Mobilitätswende zu werden. Vorgestellt wurde auch ein Forschungsprojekt zu Smart-Traffic-City-Lösungen, das die Technische Hochschule Wildau in Kooperation mit Potsdam durchführt.  

Dabei geht es laut Mitteilung um eine spezielle App, „mit der verschiedene Mobilitätsangebote ganz einfach gebucht werden können, egal ob Potsdamer ÖPNV, Leihfahrrad, Sharing-Angebote oder Bedarfsverkehre“. Der Chef des Wirtschaftsrats, der Stadtverordnete Götz Friederich, empfahl denn auch dringend, mithilfe von innovativen Mobilitätstechniken und digitalen Steuerungsmöglichkeiten „optimale Rahmenbedingungen für bedarfsgerechte Verkehre“ zu schaffen – für den öffentlichen Nahverkehr, für Pendler und auch für die Logistik für die Wirtschaft. 

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