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Mauerperspektiven: Mathias Döpfner (l.) und Thierry Noir.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Das „Einschüchternde“ der Mauer

Eröffnung zum Tag der Einheit: Neue Ausstellung „Mauerperspektiven“ in der Villa Schöningen

Die geradezu gigantischen Ausmaße der Berliner Mauer sind seit gestern in der Multimedia-Schau „Mauerperspektiven“ in der Villa Schöningen an der Glienicker Brücke zu sehen. Der Besucher kann den Teil des laut DDR-Sprachregelung „antifaschistischen Schutzwalls“ auf Breitwand projizieren. Laut Kurator Jürgen Ast, der mit seinem Sohn Daniel die Multimedia-Darstellung konzipiert hat, stammen die einzigartigen Foto-Dokumente aus dem „Berliner Mauerarchiv Hagen Koch“. Wie Ast erläutert, handelt es sich um Aufnahmen der DDR-Grenztruppen aus den Jahren 1988/89. Zum Teil seien sie von einer Hebebühne aus, die auf einem Lastwagen stand, gemacht worden.

Der Eigentümer und Betreiber der Villa Schöningen, „Springer“-Vorstandschef Mathias Döpfner, zeigte sich bei der gestrigen Eröffnung höchst zufrieden. Zum Konzept sagte Döpfner, dass das „Einschüchternde des Themas“ wissenschaftlich ernsthaft und menschlich dokumentiert werden sollte – und zwar „ohne Belehrung mit erhobenem Zeigefinger“.

Das „Einschüchternde“ ist fast allen Räumen gegenwärtig, etwa wenn die Porträts der an der Mauer Getöteten an der Bildwand vorbeihuschen. 136 Menschen seien zwischen 1961 und 1989 an der Berliner Mauer getötet worden. „Wer unsere Grenzen nicht respektiert, der bekommt die Kugel zu spüren“, wird DDR-Verteidigungsminister Heinz Hoffmann zitiert. Die Wahrheit über die Umstände des Todes ihrer Lieben erfuhren die Angehörigen oft erst nach 1990, als die DDR-Archive zugänglich waren.

Als schönsten Raum, wenn dieses Urteil überhaupt angemessen scheint, empfinden die ersten Besucher den mit der „Berliner Mauerkunst“. Auf einem der weißen Bänke inmitten des Zimmers, an deren Wänden farbige Projektionen von „Mauer-Tätowierungen“ wechseln, sitzt Thierry Noir mit seiner kleinen Tochter. Der Franzose hatte 1986 mehrere Mauerteile gegenüber seiner Wohnung in Westberlin bemalt. Sichtlich zufrieden schaut er auf ein Original, das von der Scheuerleiste bis zur Decke im Museumszimmer – höher als die Original-Mauer – reicht. „Ich habe es extra für die Ausstellung gemalt“, erzählt Noir. Einen Nachmittag habe er daran gearbeitet und tausend Euro oder mehr damit verdient. Das expressionistische Bild wirkt wie ein farbiger Lichtblick innerhalb des Düsteren und Einschüchternden der Ausstellung. Es zeigt zwei menschliche Profile, die einander zugewandt sind.

Die DDR konnte nur mit der Mauer existieren. 11300 Mann, darunter 7200 Wehrpflichtige, mussten das Ungetüm ständig bewachen, Heerscharen von Spezialisten und Wissenschaftlern, welche die Sicherungsanlagen perfektionierten, beschäftigte der Staat. Von dem, was Berlin und Potsdam, die Menschen und die Weltpolitik über Jahrzehnte prägte, sei heute fast nichts mehr zu spüren, die Narben seien kaum noch zu sehen, so die Ausstellungsmacher. Deshalb sei eine genaue Aufarbeitung ungemein wichtig.Günter Schenke

Die Ausstellung „Mauerperspektiven“ in der Villa Schöningen ist noch bis zum 8. Januar 2012 geöffnet – von Dienstag bis Freitag zwischen 11 und 18 Uhr und am Wochenende von 10 bis 18 Uhr.

Günter Schenke

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