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Das Klinikum Ernst von Bergmann erlebt gerade unruhige Zeiten.

© Sebastian Gabsch

Coronakrise, Umbau und Ermittlungen: Ernst-von-Bergmann-Klinikum erwartet Einbußen

Ein Überblick: Was die Ermittlungen der Potsdamer Staatsanwaltschaft nach sich ziehen und wie das Klinikum finanziell dasteht.

Potsdam - Zum schweren Corona-Ausbruch am kommunalen Bergmann-Klinikum laufen seit Montag offiziell Ermittlungen der Potsdamer Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung sowie der fahrlässigen Körperverletzung gegen drei leitende Mediziner und die mittlerweile beurlaubte frühere Geschäftsführung. Die PNN geben einen Überblick zu weiteren Reaktionen und offenen Fragen.

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Wie arbeitet nun die Untersuchungskommission des Aufsichtsrats weiter?

Regulär. „Wir haben einen Auftrag des Klinikum-Aufsichtsrats und werden bis Ende des Jahres einen Bericht zu den Ergebnissen unserer Arbeit vorlegen“, sagte die Kommssionsvorsitzende Anita Tack den PNN am Dienstag. Wie berichtet soll die Expertenrunde das Ausbruchsgeschehen im Klinikum aufarbeiten, aber auch Empfehlungen für die Zukunft ausarbeiten. Tack sagte, vielleicht könne auch die Staatsanwaltschaft von der Arbeit der Kommission partizipieren. Allerdings würden sich manche zu führenden Gespräche vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Ermittlungen wohl etwas schwieriger gestalten, mutmaßte sie. Unter anderem steht der Verdacht der fahrlässigen Tötung im Raum.

Anita Tack
Anita Tack

© Sabine Schicketanz

Welches Strafmaß ist möglich?

Im Strafgesetzbuch steht: „Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Dabei dürfte es bei den Ermittlungen im Klinikum vor allem um die Frage gehen, ob Sorgfaltspflichten verletzt worden sind und der tödliche Corona-Ausbruch hätte vermieden oder schneller eingedämmt werden können. Kann die Staatsanwaltschaft das gerichtsfest nachweisen, droht den drei ins Visier der Ermittler geratenen leitenden Medizinern und der beurlaubten vormaligen Doppelspitze sogar eine Haftstrafe – und damit das mutmaßliche Ende der beruflichen Karriere. Zunächst arbeiten die unter Verdacht stehenden Mediziner jedoch weiter – es handelt sich nach PNN-Informationen um den kürzlich abgesetzten Ärztlichen Direktor Thomas Weinke, der weiterhin Chefarzt der Infektiologie und Gastroenterologie ist, sowie die Krankenhaus-Hygienikerin und die Chefärztin der am stärksten vom Ausbruch betroffenen Geriatrie. „Diese Arbeitsverhältnisse sind von der Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens nicht unmittelbar betroffen“, so das Klinikum.

Direktor Thomas Weinke
Direktor Thomas Weinke

© Sebastian Rost

Welche wirtschaftlichen Folgen hat der Corona-Ausbruch bislang?

Der Corona-Ausbruch und die mehr als 40 mit oder an Covid-19 Verstorbenen haben bundesweit Schlagzeilen gemacht. Wochenlang galt am Klinikum Aufnahmestopp für neue Patienten. Um jetzt größtmögliche Infektionssicherheit zu gewährleisten, soll das Haus wie berichtet umgebaut und in drei Bereiche geteilt werden – corona-frei, Verdachtsbereich sowie Covid-Station. Zudem sollen die Hygienestandards heraufgesetzt werden. Um die Teilung umzusetzen und Infektionsgefahr zu minimieren, sei die Zahl der Betten von normal 1000 auf derzeit rund 500 reduziert worden. „Wie groß die Kapazität des Klinikums nach dem Umbau exakt sein wird, lässt sich derzeit noch nicht genau definieren“, teilte Sprecherin Theresa Decker auf PNN-Anfrage mit. Das müsse unter anderem mit dem Gesundheitsamt abgestimmt werden. Zudem gelte die Order des Gesundheitsministeriums, 25 Prozent der Intensiv- und zehn Prozent der Normalkapazitäten für Covid-19-Patienten vorzuhalten. Was das für das Konzernergebnis im April und Mai bedeute, darüber wolle man zunächst den Aufsichtsrat und die Stadt als Gesellschafter informieren, teilte Sprecherin Decker mit. Doch die Zahlen dürften einschneidend sein. So sei beispielswiese die Zahl der Privatpatienten, die sich in den Praxen der Poliklinik des Hauses behandeln lassen, im zweiten Quartal des Jahres um 60 bis 80 Prozent eingebrochen, so die Sprecherin.

Muss das Klinikum derzeit Patienten abweisen oder verlegen?

Nein. Klinikumsprecherin Decker sagte, man sei verplichtet, „an der Notfallversorrung teilzunehmen“ und dürfe Rettungsfälle nicht abweisen. Wie auch vor Corona-Zeiten habe die Notaufnahme zeitweise über das sogenannte Ivena-System den Rettungsdiensten signalisieren müssen, dass sie gerade ausgelastet sei und Patienten präferiert in andere Häuser gebracht werden sollten. Ob dies dann geschehe, entscheide immer der Rettungsdienst. Mehr als 30 Patientenverlegungen in andere Häuser – erfolgt zwischen dem 19. Mai und 12. Juni – seien nur aus medizinischen Gründen erfolgt, nicht wegen der fehlenden Bettenzahl, sagte Decker.

Die „Märkische Allgemeine“ hatte zuletzt berichtet, in Potsdam würden wegen der reduzierten Bettenzahlen zunehmend Patienten in andere Kommunen verlegt – wo Betten auch knapp seien. Ein Sprecher des aufsichtsführenden Landesgesundheitsministeriums erklärte dazu auf Anfrage, die Lage in Potsdam sei wegen der noch nicht vollständigen Rückkehr des Schwerpunktversorgers ans Versorgungsnetz noch immer angespannt. Gerade das St. Josefs als zweites Krankenhaus leiste Herausragendes, um Patienten möglichst wohnortnah zu versorgen. Derzeit seien landesweit rund 70 Prozent der verfügbaren Krankenhausbetten wieder belegt. Der Sprecher verwies auf finanzielle Hilfen von Bund und Land für Krankenhäuser – unter anderem Ausgleichszahlungen für nicht genutzte Betten.

Gibt es Neues aus der Stadtpolitik?

Der Ex-SPD-Fraktionschef und jetzige Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung Pete Heuer hat die Aussage zurückgewiesen, er habe im Fall Bergmann einen Konfrontationskurs gegen Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) eingeschlagen. Heuer hatte am Montag unter dem PNN-Beitrag zur Aufnahme der Ermittlungen via Facebook kommentiert, die Forderung der Vorlage der von der Stadt eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die beurlaubte Klinikleitung und die drei Mediziner bei der Staatsanwaltschaft gehe „auf Stadtverordnete zurück“. Auf Nachfrage eines Nutzers hatte Heuer zudem geantwortet: „Ohne die Forderung der Stadtverordneten wäre es nicht geschehen.“

Gegenüber den PNN wies Heuer am Dienstag zurück, dass er mit der Äußerung beispielsweise mangelnden Aufklärungswillen des Oberbürgermeisters oder der Verwaltung kritisieren wollte. Der Impuls sei gewesen, auf die ehrenamtliche Arbeit der Stadtverordneten hinzuweisen und darauf, dass sie ihren Aufgaben gerecht geworden seien. Es sei wichtig, dass dies dokumentiert werde. Ihm gehe es dabei ausdrücklich nur um das Geschehen am 6. und 7. April 2020.

Zu diesem Zeitpunkt hatten Schubert und die Verwaltung noch vorgeschlagen, erst die Betroffenen anzuhören, bevor die Ordnungswidrigkeitsverfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Dies hätten die Fraktionschefs, mit denen Schubert sich zu dieser Zeit täglich morgens beriet, jedoch abgelehnt und die sofortige Übergabe gewünscht. So war es dann geschehen. (mit SCH)

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