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Distanzlernen über Laptop und Internet sollen Schulen genauso anbieten wie Präsenzunterricht.

© Sebastien Bozon/AFP

Chaos an Potsdamer Schulen: Ein Lockdown, der keiner ist

Lehrerverbände und Eltern kritisieren die neuen Corona-Regeln des Landes für Schulen und Kitas.

Potsdam - Corona-Chaos in Bildungseinrichtungen: Das vom Land Brandenburg verordnete Aussetzen der Anwesenheitspflicht in den Schulen und Kitas – ohne diese aber ab Mittwoch konsequent zu schließen – hat in Potsdam am Montag für viel Unverständnis und Ärger gesorgt. Erste Kritik kam bereits am Morgen von Linken-Fraktionschef Stefan Wollenberg. Er sprach von einer „Mogelpackung“, vor allem könnten Lehrer nicht gleichzeitig Präsenz- und Distanzunterricht absichern. „Der schwarze Peter wird den Eltern zugeschoben, die nun selbst entscheiden sollen, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken oder zu Hause betreuen. Das ist unverantwortlich“, sagte Wollenberg, der auch Vorsitzender des Bildungsausschusses der Stadtverordneten ist. Das Ministerium habe im Sommer und Herbst „seine Hausaufgaben nicht erledigt“, einmal mehr müssten dies Schüler, Lehrkräfte und Eltern „ausbaden“.

Beschwerden aus der Lehrerschaft

Es folgten zwei Brandbriefe aus der Lehrerschaft. So forderte der Brandenburgische Pädagogen-Verband, ab Mittwoch müsse der Präsenzunterricht an Schulen ausgesetzt werden. Die gefundenen Regelungen seien „unvertretbar“, weil damit der von Bund und Ländern beschlossene Lockdown nicht konsequent unterstützt werde. Das bisherige Agieren sehe man „mit großer Besorgnis“. Ähnlich äußerte sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Die jetzt getroffenen Maßnahmen für die Woche vor den Weihnachtsferien reichen nicht aus und verlagern die notwendigen Entscheidungen zur Bekämpfung der Pandemie auf die Kitas, Schulen und Eltern“.  GEW-Landeschef Günther Fuchs erklärte, dies sei „eine neue Variante des Wegduckens und der Nichtwahrnehmung politischer Verantwortung“, was zusätzliches Wirrwarr erzeuge. Fuchs: „Mit solchen Maßnahmen kann man eine Pandemie nicht wirksam bekämpfen, sondern man gefährdet die Gesundheit aller Beteiligten.“

Von einem „Schnellschuss“ sprach der Chef des Landeselternrats, René Mertens: „Wenn es für den aufmerksamen Beobachter sowieso klar war, dass der Tag X irgendwann kommt, hätte man ja schon etwas vorbereiten können.“ Potsdams Kreiselternratssprecher Markus Kobler sagte den PNN, ihm wäre eine klare Regelung lieber gewesen. Denn bei Freiwilligkeit bestehe die Gefahr, „dass viele nicht mitziehen“. Er befürchte, dass viele Eltern ab Mittwoch ihre Kinder nicht aus den Schulen nehmen würden. Dabei sei das Infektionsgeschehen dort nicht unbedeutend. 

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Entsprechend meldete die Stadt auch weitere Corona-Fälle an Schulen, genannt wurden die Babelsberger Grundschule Bruno H. Bürgel, die Grundschule Am Pappelhain sowie einmal mehr die Sportschule am Luftschiffhafen, wo es nach PNN-Informationen um Schüler der Jahrgangsstufen 8, 12 und 13 geht. Allerdings gilt zumindest an den weiterführenden Schulen in Potsdam ab der Jahrgangsstufe 7 seit Montag die Pflicht zum Homeschooling. Diese Regelung, die weiter geht als jene des Landes, hatte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) schon vergangene Woche angeordnet. 

Unklare Regelungen für Kitas, Horte und Grundschulen

Auf der Ebene der Grundschulen sowie der Kitas und Horte gelten hingegen freiwillige Regelungen – diese bleiben grundsätzlich geöffnet. „Soweit möglich wird den Eltern der Kitakinder jedoch nahegelegt, ihre Kinder zu Hause zu betreuen“, hieß es vom Ministerium. Sprecherin Ulrike Grönefeld verteidigte auf PNN-Anfrage den Kurs. Man habe damit den unterschiedlichen Bedürfnissen vieler Brandenburger entsprechen wollen. So müsse man etwa darauf achten, dass Abschlussklassen diese Woche noch Klausuren schreiben müssten. Eine über die Kommunen und Landkreise organisierte Notbetreuung lasse sich auch nicht einfach so umsetzen. Allerdings räumte Grönefeld ein, dies alles sei für Lehrer und Schulleitungen „sicher aufwendig“, jedoch werde so kurz vor Weihnachten an den Schulen gemeinhin kaum noch neuer Stoff gelehrt, so dass niemand abgehängt werde, wie sie deutlich machte. Ähnlich würden auch andere Bundesländer wie zum Beispiel Niedersachsen verfahren, fügte die Sprecherin hinzu – allerdings sind dort die Corona-Inzidenzwerte auch deutlich geringer als in Brandenburg. 

Nur sechs Prozent der Schüler blieben Zuhause

Zugleich zeigte sich bereits am Montag, dass anders als empfohlen, noch recht wenige Eltern die Kinder aus den Einrichtungen nehmen – also das Ziel einer Kontaktvermeidung gegen die Ausbreitung des Virus verfehlt wird. So sagte die Leiterin der Karl-Foerster-Grundschule in Bornstedt, Petra Knoblauch, den PNN auf Anfrage, am Montag seien nur sechs Prozent der Kinder nicht erschienen. Die Verunsicherung sei groß, auch mit Blick auf die ab dem 4. Januar angekündigte Notbetreuung für Eltern aus systemrelevanten Berufen. Das würde von den Schulen und Horten sowie Kommunen organisiert, so Ministeriumssprecherin Grönefeld. Das Rathaus teilte mit, es gebe aber noch „offene Fragen mit dem Land“, die zuvor geklärt werden müssten.

Unklarheit bei Maskenpflicht in Horten

Auch bei Kitas und Horten ist die Irritation groß. So sagte ein Sprecher der Fröbel-Gruppe, die in Potsdam rund ein Dutzend Betreuungseinrichtungen betreibt, die Auslastung in den Horten habe am Montag noch bei 50 bis 70 Prozent gelegen. Die Ankündigungen aus der Elternschaft würden nahelegen, dass diese Zahl in dieser Woche auch kaum sinken werde. Ähnlich sei es bei Kitas, dort würden Eltern ihre Kinder ebenfalls weiter in die Betreuung geben. Dabei habe man in den Einrichtungen selbst schon mit erheblichem Personalausfall zu kämpfen. Noch keine Angaben konnte der Fröbel- Sprecher dazu machen, ob die vom Ministerium neu verhängte Maskenpflicht ab der ersten Klasse auch in Horten gelte. Dazu lägen aus dem Ministerium noch keine Informationen vor: „Die Ausführungen sind verwirrend, weil sie nicht zur Überschrift eines harten Lockdowns passen.“

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