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Julia Schmidt, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, spricht 20219 beim Landesparteitag ihrer Partei.

© dpa/Monika Skolimowska

Zum Rücktritt genötigt: Wollte Brandenburgs Grüne Parteivorsitzende Julia Schmidt zu schnell zu viel?

Die 29-Jährige ist nicht länger Co-Chefin des Landesverbands. Gegen die Studentin werden schwere Vorwürfe erhoben.

Sie war der Shooting-Star der Brandenburger Grünen: Julia Schmidt. Im Dezember 2019 wurde die bis dahin nur als Vertreterin der „Grünen Jugend“ in den Koalitionsverhandlungen bekannte, heute erst 29-jährige Studentin aus Oberhavel auf einem Parteitag in Templin zusammen mit Alexandra Pichl zur Landesvorsitzenden der Grünen gewählt.

Scharfe, pointierte Reden

Schnell erwarb sie sich Respekt: Scharfe, pointierte Reden, die auch die Koalitionspartner nicht schonten, gehörten ebenso zu ihrem Repertoire, wie die Fähigkeit, Netzwerke zu bilden und Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Wenn die Koalitionspartner etwas mit den Grünen zu besprechen hatten, wandten sie sich an Schmidt.

Und wenn in den Medien von einer Parteichefin der Grünen die Rede war, war es selbstverständlich die eloquente und politisch denkende Schmidt, die interviewt wurde. In den letzten Monaten war sogar die Rede davon, Schmidt könnte Spitzenkandidatin ihrer Partei bei den Landtagswahlen 2024 werden.

Doch am Freitagabend kam es zum Knall. Schmidt ist nicht länger Parteivorsitzende der Brandenburger Grünen. Im sozialen Netzwerk „Twitter“ schrieb sie, ihren Rücktritt vom Parteivorsitz erklärt zu haben und sich auf ihr Studium konzentrieren zu wollen.

Ihre Partei dagegen verbreitete eine Mitteilung ihrer Co-Vorsitzenden Alexandra Pichl: Demnach wurde Schmidt wegen „wiederholter Fälle untragbaren Fehlverhaltens“ einstimmig das Vertrauen entzogen. Später erklärte Pichl noch, Schmidt sei „in eigener Sache unterwegs gewesen, und nicht in Sachen des Landesverbands“ oder habe ihr Wort gebrochen. Andere Vertreter der Grünen wollten sich am Wochenende nicht öffentlich äußern.

Wiederholte Fälle untragbaren Fehlverhaltens.

Alexandra Pichl, Co-Vorsitzende der Grünen in Brandenburg

Spricht man mit Parteifreunden Schmidts, ergibt sich das Bild einer machtbewussten jungen Frau, die wusste, dass die Spitzenkandidatur der Grünen und noch höhere Weihen schon aufgrund fehlender Konkurrenz für sie in greifbarer Nähe lagen. Doch scheinbar wollte Schmidt zu schnell zu viel. Denn zur DNA der Brandenburger Grünen gehört es, dass niemand selbst zu sehr nach Macht streben darf.

Das merken die Koalitionspartner, die seit Beginn des rot-schwarz-grünen Bündnisses über eine angebliche Entscheidungsunfähigkeit der Ökopartei klagen. Alles muss immer erst einmal mit allen gründlich durchdiskutiert werden. Klare Führung gibt es nicht.

Intrigen und Lügengeschichten

Im Gegenteil: Ende Januar hatte die nun ehemalige Parteivorsitzende Schmidt auf ihrem öffentlichen Facebook-Profil Fotos von einer Sitzung des Parteivorstands veröffentlicht, die in der Geschichte der Brandenburger Landespolitik wohl einmalig sein dürften: Die Bilder aus einem Hotel in Birkenwerder zeigen einen Stuhlkreis, Menschen, die auf dem Fußboden kniend Plakate beschreiben und ohne Schuhe durchgeführte Gruppenspiele, wie man sie vielleicht bei einer Konfirmandenfahrt erwarten würde. Arbeitet so der Vorstand einer Regierungspartei?

Schmidt hatte in Gesprächen immer wieder erklärt, dass sie eine Professionalisierung ihrer Partei anstrebe. Parteifreunde sprechen davon, dass sie Schmidt zuletzt „nicht mehr erreicht“ hätten. Und dass die Studentin auf dem Weg zur Macht auch vor Intrigen und Lügengeschichten nicht zurückschrecke. Aber sind das „wiederholte Fälle untragbaren Fehlverhaltens“? Oder ist es einfach nur das, was im politischen Betrieb aller anderer Parteien den Normalzustand darstellt, aber nicht zur oft beschworenen DNA der Grünen passt?

Es ist bezeichnend, dass vor allem CDU-Vertreter Julia Schmidt in den sozialen Netzen sofort beisprangen. „Mit Julia Schmidt verlieren die Grünen eine profilierte Stimme, die es der CDU oft nicht leicht gemacht hat“, sagt der Chef der CDU-Landtagsfraktion, Jan Redmann. Zu ihn hatte Schmidt einen besonders engen Kontakt. „In schwierigen Verhandlungen der Koalition hat sie aber oft auch kreativ an Kompromissen mitgewirkt – das wird fehlen.“

Denn in der Tat ist im Moment nicht absehbar, wer die Rolle, die Schmidt im Koalitionsgefüge innehatte, ausfüllen soll: Von den Grünen ist kaum jemand so gut, und vor allem, so verbindlich ansprechbar für CDU und SPD gewesen, wie es Schmidt am Ende war.

Einstweilen aber bleibt das Bild, dass die Grünen im Umgang mit ihrer Parteivorsitzenden Tugenden an den Tag legen, die man früher eher in der Brandenburger CDU verortet hätte: Aus der berühmt-berüchtigten „Brandenburger Schlachteplatte“ der CDU wurde am Freitag jedenfalls die „Schlachteplatte à la Ökopartei“.

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