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SPD in Brandenburg: Woidkes neuer Machtapparat

Neuer Innenminister, neuer Fraktionschef, neue Generalsekretärin: Nach Platzecks Rücktritt sortiert sich die SPD in Fraktion und Partei neu. Ein Überblick

Potsdam - Durch den Wechsel an der Spitze der Landesregierung hat es auf mehreren Posten der SPD Änderungen gegeben. Weil Dietmar Woidke vom Innenministerium in die Staatskanzlei wechselte rückte Personal nach. Ein Überblick:

Ralf Holzschuher, Innenminister

Eigentlich war er schon eine Notlösung, als er von Dietmar Woidke 2010 die Führung der SPD-Landtagsfraktion übernahm, deren Vizechef er seit 2007 war. Jetzt rückt der Jurist erneut für Woidke auf. Er ist nun Innenminister des Landes Brandenburg, auch Avancen auf das von den Linken besetzte Justizressort werden ihm nachgesagt. In der Fraktion, die als einfluss- und bedeutungslos und Abnicktruppe gilt, gelang es ihm kaum Akzente zu setzen. Er war immer um Ausgleich bemüht, heißt es über ihn. Er fiel meistens mit kleinen Ausfällen auf, etwa mit Äußerungen, die offenbar nicht abgestimmt und konträr zur Linie von Staatskanzlei und Kabinett lagen. Das wurde ihm als Unsicherheit und Führungsschwäche ausgelegt. Bei manchen Fragen von Journalisten redete und redete Holzschuher und hinterließ Ratloskeit. Andere Male fuhr er aggressive Verbal-Attacken gegen die Oppositionsfraktionen von CDU, FDP und Grünen. Mit manch scharfer Wortwahl hinterließ er die Parlamentskollegen im Plenum und in Gremium verwundert zurück. Waren die Worte mit Bedacht gewählt? Warum führte da ein wenig bekannter SPD-Politiker, der in Brandenburg an der Havel Karriere machte und immerhin die Fraktion der Regierungspartei führt, rhetorisch die Axt statt des feinen Floretts? Musste sich da einer unbedingt profilieren? Und warum lächelt dieser Mann eigentlich ständig, selbst bei den schärfsten Attacken? Während man Woidke jeden emotionalen Ausbruch wie beim Abschied von der Polizei abnimmt, passt bei Holzschuher irgendetwas nicht zusammen. Auf der anderen Seite wird seine gut Laune von vielen geschätzt. „Er bringt alles Notwendige dazu mit. Aber er braucht ihre Unterstützung“, warb Woidke bei der Polizei für Holzschuher. Der 50-Jährige ist Vater zweier junger Kinder, er bezeichnet sich selbst als Familienmenschen. Geboren wurde er 1963 im Westen Berlins, Wilmersdorf, Grunewald, Mietwohnung, mit Blick auf den Güterbahnhof. Nach dem Jura-Studium ging er nach Brandenburg an der Havel und ließ sich dort als Rechtsanwalt nieder. 1993 trat er in die SPD ein, mischte in der Stadtpolitik mit, wurde sogar Chef des SPD-Unterbezirks und bekam 2004 mit Direktmadat in den Landtag.

Klaus Ness, Fraktionsvorsitzender

Das Ergebnis war schon überraschend. 28 von 30 Abgeordneten der SPD-Landtagsfraktion stimmten für Klaus Ness als neuen Vorsitzenden als Nachfolge für Ralf Holzschuher. Dabei gab es in der Fraktion schon Unmut über die Vorgaben aus dem engsten SPD-Führungszirkel, dass der bisherige Generalsekretär nun die Fraktion führen soll. Ness gilt keineswegs als Sympathieträger, sondern einer, der die Reihen auch mit gegen Widerstände durchgesetzten Personalentscheidungen zusammenhält, er ist bekannt für seinen rigiden Führungsstil. Als Generalsekretär holte er regelmäßig Ergebnisse um die 65 Prozent. Dennoch hat er als Stratege maßgeblichen Anteil an den SPD-Wahlerfolgen in Brandenburg. Es ist zu erwarten, dass der gebürtige Niedersachse die SPD-Fraktion mit Strenge führt, damit in der Staatskanzlei für Ruhe sorgt. Ness gilt als wichtigster Vertrauter des scheidenden Regierungschefs Matthias Platzeck, er gehörte auch zu Platzecks Küchenkabinett mit Ex-Minister Rainer Speer.

Ness stammt aus Peine in Niedersachsen, mit 15 Jahren trat der spätere Diplom-Pädagoge der SPD bei. Inzwischen lebt und arbeitet er seit 22 Jahren in Brandenburg, der Kettenraucher fühlt sich als „echter Brandenburger“. Seine Karriere begann noch unter Manfred Stolpe, von 1994 bis 2005 war er SPD-Landesgeschäftsführer und hatte seit 2006 den damals eigens geschaffenen Posten des Generalsekretärs inne. Als Ministerpräsident Matthias Platzeck 2005 für wenige Monate SPD-Bundesvorsitzender war, begleitete ihn Ness ins Berliner Willy-Brandt-Haus als Abteilungsleiter. 2009 kam er über die Landesliste in den Landtag, in der Fraktion ist er seither auch für den Kampf gegen Rechtsextremismus zuständig. Ness’ Gattin, Martina Gregor-Ness aus Senftenberg, sitzt ebenfalls für die SPD im Landtag.

Klara Geywitz, SPD-Generalsekretärin

Für viele SPD-Genossen ist sie die große Hoffnung der Partei in Brandenburg. An Klara Geywitz wird nach der Landtagswahl 2014 wohl kein Weg vorbeiführen. Schon einmal war der 37-Jährigen ein Ministerposten angeboten worden, aber sie schlug aus. Sie könne warten und müsse sich nicht in die erste Reihe drängen, so etwa sagte sie es einmal. Nun soll sie von Ness das Amt als Generalsekretär übernehmen. Am kommenden Montag soll sie der SPD-Landesvorstand kommissarisch berufen, ein Parteitag sie im November wählen. Dann müssen auch Nachfolger für Woidke, der Beisitzer im Vorstand war, und für Geywitz bestimmt werden. Immerhin war sie seit 2008 Platzecks Vize als Landeschef der SPD, machte also Führungserfahrung. Dass Geywitz Generalsekretärin wird, ist bemerkenswert. Einerseits kennt sie die Partei sehr gut, ist bestens vernetzt, kann aufgrund ihrer Verbindungen in die Bundespolitik auch über den Tellerrand schauen. Doch als dreifache Mutter ist der neue Job auch eine Belastungsprobe, die Treffen, oft am Abend, mit den Genossen an der Basis sind zeitraubend. Und es stehen bis Herbst 2014 vier Wahlen an, im Bund, in Europa, in den Kommunen und im Land. Wahlkampf ist der Job des Generalsekretärs.

In der SPD ist Geywitz schon lange nicht mehr nur das Nachwuchstalent aus Potsdam, sie ist inzwischen ein Schwergewicht, nur drängte sie sich dabei nie in den Vordergrund. Die Potsdamerin startete vor 15 Jahren ihre politische Karriere erst in der Stadtpolitik, vor neun Jahren kam sie in den Landtag. Dort machte sie sich erst als Bildungspolitikerin einen Namen, war Fraktionsvize, nach der Wahl 2009 unter Fraktionschef Dietmar Woidke parlamentarische Geschäftsführerin und glänzte als Finanzpolitikerin. 2010 führte sie die Enquetekommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, selbst die Opposition lobte ihren Stil. Für die Geburt ihrer Zwillinge nahm sie sich eine politische Auszeit. Die Krise um den Pannen-Flughafen BER brachte ihr neue Aufgaben, sie leitet den BER-Sonderausschuss des Landtags. Flughafenchef Hartmut Mehdorn wies sie einige Male freundlich, aber unmissverständlich zurecht, mit spitzen, ironischen Bemerkungen, dafür ist sie bekannt. Auch dafür, dass sie innerlich immer Distanz wahrte zum SPD-Männerzirkel. Ein unabhängiger Kopf. Analytisch und strategisch stark, schlagfertig und immer verbindlich.

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