zum Hauptinhalt
Angeklagt. Der Brandstifter (r.) und sein Anwalt.

© René Garzke

Prozess um Brandstiftung an Asylunterkunft: Wie rechts ist der Asylheim-Zündler von Jüterbog?

Vor Gericht gibt sich der 21-jährige Angeklagte Chris P. unpolitisch, findet sich „normal deutsch“. Die PNN haben sich auf Spurensuche nach seiner wirklichen Gesinnung begeben.

Potsdam/Jüterbog - Seit Mitte Juli muss er sich vor dem Landgericht Potsdam verantworten: der Asylheim-Zündler von Jüterbog. Seine Tat hat Chris P. bereits gestanden. Am 1. Oktober des vergangenen Jahres warf er in seiner Heimatstadt zwei Molotow-Cocktails auf ein Asylheim für minderjährige Flüchtlinge. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm deshalb versuchten Mord vor. Im Gerichtssaal zeichnet der 21-Jährige aber das Bild eines unpolitischen Jugendlichen, der nur sauer und betrunken gewesen sein will. Eine rechte Gesinnung bestreitet er, vielmehr sei er „normal deutsch“. Die PNN haben sich auf Spurensuche begeben nach der wirklichen Gesinnung des Angeklagten – die mit großer Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf das Strafmaß haben wird.

Fakt ist: Bei der Hausdurchsuchung haben die Ermittler in P.s Zimmer keine Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung gefunden – keine Fahnen, keine Bücher, keine Rechtsrock-CDs. Dafür sind sie in der Garage des Wohnhauses, in dem P. bis zuletzt mit seinem Vater wohnte, fündig geworden. Am Auto: ein Reichsadler, mit Eisernem Kreuz statt Hakenkreuz. Im Regal Rechtsrock-CDs. „Balladen des Nationalen Widerstands“, „Radio Wolfsschanze I und II“, „Freikorps“. Die aber müssen nicht dem Angeklagten, könnten vielmehr auch dem Vater gehört haben.

Schon vor fünf Jahren hatte er offenbar Kontakt zur rechten Szene

Einblicke in die Gedankenwelt des Zündlers, der seit Februar in Untersuchungshaft sitzt, bietet jedoch sein Facebook-Profil. Schon vor fünf Jahren, im April 2012, hatte P. demnach offenbar Kontakt zur rechtsextremen Szene. Er postete ein Bild des 2009 verstorbenen Neonazi-Liedermachers Michael Müller. In einem seiner Lieder heißt es: „Mit sechs Millionen Juden, da fängt der Spaß erst an.“ Außerdem gefallen dem 21-Jährigen die Rechtsrock-Bands „Sturmwehr“ und „Sleipnir“. Wenige Stunden nach seinem Brandanschlag auf das Jüterboger Asylheim hat er, gemeinsam mit seinem Vater – offenbar ein strammer Neonazi –, gesungen: „Hisst die rote Fahne mit dem Hakenkreuz“. Zeugen wollen ihn dabei beobachtet haben. Vor Gericht räumt der 21-Jährige das erst nach mehrmaligem Nachfragen ein, weitere Passagen will er von dem Lied aber nicht kennen. Eine etwa lautet: „Hängt dem Adolf Hitler den Nobelpreis um.“ Diese Textzeilen stammen von der Neonazi-Band Landser, der ersten Band, die von einem Gericht als kriminelle Vereinigung eingestuft wurde. Auch bei ihrem Frontmann, Michael Regener, hat P. ein „Like“ hinterlassen.

Zwar räumt der Angeklagte vor Gericht ein, auch ausländerfeindliche Freunde zu haben. Bei politischen Gesprächen habe er sich aber immer rausgehalten, beteuert der 21-Jährige. Einmal habe die rechte Gesinnung seiner Freunde auch zu einem Konflikt geführt, bei seinem eigenen Geburtstag, sagt P. – weil er einen Freund mit somalischer Abstammung eingeladen hatte. Diese Freunde, sie hätten ihn auch mal mit zu einer NPD-Demonstration genommen. „Das hat mir aber nicht zugesagt“, erklärt der Angeklagte vor Gericht. Auch die AfD nicht, „das war fast das Gleiche“, sagt er. Auch hier zeigt das Facebook-Profil eine andere Seite des 21-Jährigen. Seiten, die er mit „Gefällt mir“ markiert hat, heißen: „Die Jugend wählt NPD“, „Deutschland gegen Multi-Kulti“ oder „Nein zum Heim in Luckenwalde“. Vor Gericht allerdings sagt der Asylheim-Zündler: „Die Flüchtlinge können hierherkommen, da, wo sie herkommen, ist ja auch Krieg.“ Damit habe er kein Problem. Auch für die örtliche SPD will er am Bahnhof schon mal Flyer verteilt haben, als die ihn um Hilfe bat.

P sagt, er wollte einem mutmaßlichen Dieb aus dem Heim Angst einjagen

Die Molotow-Cocktails, sagt P., habe er nur auf das Asylheim geworfen, weil er einem der Bewohner Angst einjagen wollte. Denn der habe ihm eine Woche zuvor das Portemonnaie gestohlen. Der 21-Jährige war nachts betrunken an einer Haltestelle eingeschlafen, sah den Dieb noch wegrennen. An seinen Haaren mit blonden Spitzen will er ihn in Jüterbog wiedererkannt haben. „40 Euro sind für mich viel Geld“, sagt der Brandstifter vor Gericht. Die Idee mit den Molotow-Cocktails sei ihm gekommen, als er betrunken war. Hinweise darauf, dass er von anderen zur Tat angestachelt wurde, gibt es bislang nicht. Die Frage des Gerichts, ob er die Brandsätze nach einem Diebstahl auch auf ein Wohnheim mit deutschen Kindern geworfen hätte, weiß der 21-Jährige im Verhandlungssaal indes nicht zu beantworten.

Die Sicherheitsbehörden stufen P. als Mitläufer der rechten Szene ein. Neunte- Klasse-Abschluss, keine Jobperspektive, Alkoholprobleme. Das Bild des Mitläufers mag stimmen. Fragwürdig ist aber, ob P. die die Molotow-Cocktails wirklich nur wegen seines Portemonnaies auf die Asylunterkunft geworfen hat. In der nächsten Woche, am Montag, wird der Prozess fortgesetzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false