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Brandenburg: Was von der Lex Görke übrig blieb

Wahlkampf: Landtag stellt Verhaltensregeln für Regierungsmitglieder auf. Nur die SPD bremste

Potsdam - Es ist die Lex Christian Görke und eine Folge von dessen umstrittener Sommertour als Finanzminister mitten im Landtagswahlkampf 2014. Die rot-rote Regierungskoalition und die Oppositionsfraktionen wollten deshalb neue Regeln aufstellen, wie sich Regierungsmitglieder künftig in der heißen Wahlkampfphase sechs Wochen vor dem Urnengang zu verhalten haben. Doch in der entscheidenden Sitzung des Hauptausschusses im Landtag am gestrigen Mittwoch endete die Sache im Streit. SPD und Linke setzen mit ihrer Mehrheit einen Beschluss durch, wonach die Landesregierung bis 2017 nach bestimmten Vorgaben des Parlaments einen Regelkatalog aufstellen soll. CDU und Grüne fühlen sich brüskiert.

Zur Vorgeschichte: Görke tourte im Wahlkampfsommer 2014 durch Brandenburg – als Minister. Zugleich war er Spitzenkandidat der Linkspartei. Später stellte der parlamentarische Beratungsdienst des Landtags fest, dass Görke bei der Tour sein Regierungsamt und den Wahlkampf nicht ausreichend getrennt hat. Zudem habe er gegen die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Grundsätze für zulässige Öffentlichkeitsarbeit in der Vorwahlzeit – also gegen gesetztes Verfassungsrecht – verstoßen. Im Klartext: Görke hat gegen das Neutralitätsgebot von Regierungsmitgliedern vor Wahlen verstoßen. Es geht um das Prinzip der Chancengleichheit politischer Bewerber.

Selbst die Staatsanwaltschaft war eingeschaltet, wegen eines Foto-Honorarvertrages des Ministeriums zur Sommertour für einen Genossen von Görke. Der bezahlte das Honorar schließlich selbst, der Fall war für die Staatsanwaltschaft erledigt. Görke hatte seine Tour zu Finanzämtern, Polizeistationen, Sporteinrichtungen, Gesundheitszentren, Schulen und Kindertagesstätten mit der Querschnittsaufgabe seines Ressorts begründet. Doch auch der Bundestag prüft die Tour wegen des Verdachts auf unzulässige Parteienfinanzierung, es gebe „mehrere Anzeichen für eine Grenzüberschreitung zur unzulässigen Wahlwerbung“, weil die Tour der Werbung für die Person Görke diente. Das Verfahren läuft noch, der Linken droht eine Strafzahlung.

Das alles soll in Brandenburg künftig vermieden werden – mit den neuen Verhaltensregeln. Zwar gibt es die schon, aufgestellt vom Bundesverfassungsgericht, darauf verwies auch die Bundestagsverwaltung in einem Schreiben an die Linke, das stellte auch der parlamentarische Beratungsdienst fest – es ist in der Bundesrepublik auch geübte Praxis.

Brandenburg will es nun noch besser machen. Dazu trafen sich vor einigen Wochen in informeller Runde die Parlamentarischen Geschäftsführer von Rot-Rot, CDU und Grünen. Sie einigten sich auf einen Entwurf von Thomas Domres (Linke) und gingen damit zurück in ihre Fraktionen. Alle hätten den Entwurf mitgetragen, auch die Linke – bis auf eine: die SPD-Fraktion. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Björn Lüttmann, erst seit wenigen Monaten im Amt, musste einen zentralen Satz herausstreichen: Unzulässiges Handeln nach bisheriger Rechtsprechung wäre „wahlwerbendes Auftreten als Mitglied der Landesregierung im Rahmen von Veranstaltungen oder in schriftlichen Materialien“. Auch bei öffentlichen Fördermittelvergaben oder Tagen der offenen Tür wurden Formulierungen in dem auf Druck der SPD geänderten Antrag aufgeweicht. CDU und Grüne brachten den alten, weitaus strengeren Linke-Entwurf als Antrag ein – weil gegen das Neutralitätsgebot für die Regierung „im politischen Alltag Brandenburgs regelmäßig verstoßen werde“. SPD und Linke ließen die Opposition abblitzen.

Jan Redmann (CDU) erklärte, Rot-Rot weigere sich, aus seinem bisherigen Fehlverhalten Lehren zu ziehen. Nicht einmal das Mindestmaß an politischer Fairness wolle die Koalition akzeptieren. „Das lässt nur einen Schluss zu: SPD und Linke haben den Vorsatz, auch weiterhin mit Steuergeldern Wahlwerbung in eigener Sache zu betreiben“, sagte Redmann. Grüne-Fraktionschef Axel Vogel kritisierte: „Mit der Streichung des Grundsatzes, wahlwerbendes Auftreten von Mitgliedern der Landesregierung als unzulässig einzustufen, hat Rot-Rot den Antrag völlig entkernt.“ Das Anliegen – Verhaltensregeln für den Wahlkampf – werde damit konterkariert. „Rot-Rot ist bestrebt, die Vorgaben so weit wie möglich zu verwässern“, so Vogel.

Domres nannte die neuen Regeln einen Fortschritt, dies sei einmalig in der Bundesrepublik. Lüttmann sprach von Differenzen in nur einem Detail – eben oben zitiertem zentralen Passus. Und Lüttmann warf CDU und Grünen „inszenierte Empörung“ vor, sie hätten sich einem gemeinsamen Beschluss verweigert, versuchten aus einer Sachfrage parteipolitisches Kapital zu schlagen. Ein Verbot der Amtsbezeichnung von Regierungsmitgliedern bei politischen Werbemaßnahmen wäre weltfremd.

Tatsächlich? Ein Beispiel: Vor der Bürgermeisterwahl in Groß Pankow (Prignitz) Anfang April drehten bekannte SPD-Politiker für den SPD-Kandidaten Georg Abel Videos, auch Dietmar Woidke, 20 Sekunden ist es lang. „Wählen Sie Georg Abel“, sagte Woidke. Im Video steht unter seinem Namen nicht etwa SPD-Landesvorsitzender sondern: Ministerpräsident des Landes Brandenburg.

Alexander Fröhlich

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