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Brandenburg: War es Mord?

Urteil gegen Berliner Raser auf dem Prüfstand

Berlin - Lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes oder einige Jahre wegen fahrlässiger Körperverletzung – darum ging es am Donnerstag für die beiden Angeklagten Hamdi H. und Marvin N. vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Das Berliner Landgericht hatte sie am 27. Februar 2017 zu „lebenslänglich“ verurteilt. Bis heute ist es das erste Mal, dass Teilnehmer eines tödlich verlaufenden illegalen Autorennens des Mordes schuldig gesprochen wurden, darauf steht unweigerlich die lebenslange Freiheitsstrafe. In der Öffentlichkeit und unter Juristen löste der Berliner Richterspruch eine Debatte aus.

Die Angeklagten sitzen seit knapp zwei Jahren in Untersuchungshaft. Zur Revisionsverhandlung nach Karlsruhe waren sie am Donnerstag nicht gekommen. Insgesamt vier Anwälte verteidigten sie. Und die halten das Berliner Urteil für rechtsfehlerhaft und nicht haltbar. Sie beantragten gestern die Aufhebung, der Prozess müsse neu aufgerollt wird. Die Bundesanwaltschaft, die vor dem BGH die Anklage vertritt, hält die Verurteilung wegen Mordes dagegen für fehlerfrei und beantragte Verwerfung der Revision. Am 1. März soll in Karlsruhe das Urteil fallen.

Bei der Verhandlung des Berliner Landgerichtsurteil gehe es allein um die Frage, ob das Urteil des Landgerichts Berlin rechtsfehlerfrei begründet sei, betonte die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible. Auch nach knapp dreistündiger Verhandlung ließ sich nicht sicher vorhersagen, ob der BGH der Verteidigung oder der Anklage folgen wird.

In der Nacht vom 31. Januar auf 1. Februar 2016 startete das tödliche Rennen in der Berliner Innenstadt kurz hinter dem Adenauerplatz, entlang des Kurfürstendamms und der Tauentzienstraße bis zur Kreuzung Nürnberger Straße. Insgesamt elf Ampeln passierten die Fahrer, einige bei Rot. Am Ende beschleunigte der Vorausfahrende auf 160 bis 170 Stundenkilometer, rekonstruierte später das Landgericht. Wieder ging es bei Rot über die Kreuzung, dort fuhr ein unbeteiligter Autofahrer, der bei Grün eingebogen war. Die Fahrzeuge kollidierten, der Unbeteiligte starb.

Wie dieser Unfall zu bewerten ist, darüber ringen nun die Juristen. Wenn es Mord war, dann muss es den beiden Fahrern egal gewesen sein, ob ein Unbeteiligter dabei umkommt; sie müssen es „billigend in Kauf genommen haben“. Das haben sie, meinte das Landgericht. Nach Passieren einer Baustelle nahe des Breitscheidplatzes hätten sie stark beschleunigt und seien auf die rote Ampel zugerast. Das Gewinnen sei ihnen wichtiger gewesen als Verkehrsteilnehmer. Auch Selbstgefährdung hätten sie hinten angestellt.

Aber, so stellte es das Landgericht auch fest, als das andere Fahrzeug auftauchte, sei der vorn liegende Fahrer unfähig gewesen, noch zu reagieren. Eben, so die Verteidiger. Er habe gar nicht mehr handeln können und gerade deshalb habe es keinen bedingten Tötungs-Vorsatz gegeben, es sei vielmehr fahrlässig gewesen. Die Bundesanwaltschaft interpretiert das Berliner Urteil anders. Schon vor der Kreuzung sei der Entschluss gefallen, zu beschleunigen und mit Höchstgeschwindigkeit bei Rot über die Kreuzung zu fahren. Da hätten sie noch die Handlungsfreiheit gehabt. Dass sie noch hofften, dass nichts passiert, helfe ihnen nicht. Ursula Knapp

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