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Ingo Waligora hat sich in die Geheimnisse des alten Handwerks des Getreide-Mahlens einweisen lassen.

© dpa / dpa/Patrick Pleul

Von der Ruine zur Brandenburger Schaumühle: Greiffenberger Wahrzeichen ist wiederaufgebaut

Die fast 200 Jahre alte achteckige Erdholländermühle mahlt wieder Mehl. Zu verdanken ist das dem riesigen Einsatz von Enthusiasten aus der Gegend.

Von Jeanette Bederke, dpa

Stolz reckt die Erdholländermühle am Ortsrand von Greiffenberg in der Uckermark ihre elf Meter langen Flügel in die Höhe. Fixiert sind sie mit einem mächtigen Metall-Steert und Pollern, um die starke Ketten geschlungen sind.

„Das verhindert, dass sich die Flügel bei Wind unkontrolliert in Bewegung setzen. Und man braucht den Steert zum Drehen der hölzernen Mühlenkappe in den Wind“, erklärt Ingo Waligora. Der Greiffenberger hat sich beim Britzer Mühlenverein in Berlin in die Geheimnisse des alten Handwerks des Getreide-Mahlens einweisen lassen, um es bei Schauvorführungen im Greiffenberger Wahrzeichen zu demonstrieren.

Seit die achteckige, 15 Meter hohe Mühle auf dem Hügel vor Greiffenberg in diesem Sommer ihre neuen Flügel bekam, ist sie als solche auch wieder für Laien erkennbar. Der Weg dorthin war erstaunlich. Denn die 1830 erbaute und noch einige Jahre nach 1945 betriebene Windmühle war vor 15 Jahren noch eine verfallene Ruine.

Am Anfang stand nur noch das Steinfundament

„Nach einem Gewitter 2006 fielen auch die letzten Teile in sich zusammen“, erinnert sich Torsten Rüdinger von der Mühlenvereinigung Berlin-Brandenburg. Gemeinsam mit Horst Fichtmüller, Pfarrer im Ruhestand aus Schönermark (Uckermark), habe er damals auf dem Greiffenberger Mühlenberg gestanden und die kümmerlichen Mühlenreste begutachtet, berichtet Rüdinger. Lediglich das robuste, mächtige Feldsteinfundament hatte der Witterung standgehalten.

„Dass die Mühle jetzt wieder komplett aufgebaut ist, verdanken wir Fichtmüllers Beharrlichkeit und beispielhaftem bürgerschaftlichem Engagement“, lobt Rüdinger. Ihm zufolge sind Erdholländermühlen in Brandenburg selten. Das Greiffenberger Exemplar sei jetzt das einzige funktionstüchtige, erklärt der Experte. Nach seinen Angaben gibt es im Land noch etwa 160 Mühlen unterschiedlichen Typs.

„Was die Erbauer unserer Erdholländermühle vor 200 Jahren geschafft haben, packen wir auch“, meint der heute 88-jährige Fichtmüller rückblickend. Er erinnere sich noch gut daran, dass die Enthusiasten für den Mühlenverein aus umliegenden Dörfern kamen, nicht aber aus Greiffenberg selbst. „Dort hat man uns als Spinner abgetan“, erzählt er schmunzelnd.

200 Kilogramm Roggen können auf einen Schlag gemahlen werden

Wie viel Geld letztlich in den Wiederaufbau geflossen ist, weiß er nicht genau; es sind aber wohl weit über eine Million Euro, schätzt der Mühlen-Kämpfer. Das Besondere: Spenden, Sponsoren und heimische Handwerksbetriebe waren es, die dafür sorgten, dass die „Königsmühle“ wieder auferstand. Lediglich an den Kosten für die neuen Flügel beteiligte sich die Ostdeutsche Sparkassenstiftung.

Von der Originalsubstanz sei nicht mehr viel zu retten gewesen, lediglich die sogenannte Königswelle, die Körnerwalze und das Fundament, sagt Fichtmüller. Die Welle wurde wieder eingebaut, dazu ein neues Kammrad. Aus einer alten Mälzerei in Angermünde hat sich der Verein einen historischen Sackaufzug geholt. Die Mühlensteine sind aus Eifelbasalt gemacht.

„200 Kilogramm Roggen können wir auf einen Schlag mahlen. Die 100 Kilogramm Mehl, die wir bei einem ersten Versuch herauskamen, gingen so schnell weg wie die sprichwörtlichen Semmeln“, erzählt Windmüller Ingo Waligora.

Noch fehlt die behördliche Genehmigung, das gemahlene Mehl oder auch daraus entstehende Backwaren zum Verkauf anbieten zu können, ergänzt Hartmut Hinze, Schatzmeister im Mühlenverein. „Im nächsten Jahr wollen wir soweit sein – in Kooperation mit einem Angermünder Bäcker.“ Das Getreide liefern dann Ökobauern aus der Region und der Verein zur Rekultivierung alter Nutzpflanzen (VERN) aus Greiffenberg.

Am 10. September lädt der Verein zum „Flügelfest“

„Die weithin gut sichtbare Mühle ist eine wichtige sogenannte Landmarke, ein Wahrzeichen in der Landschaft – egal ob aus dem ICE Richtung Ostsee oder dem Auto auf dem Weg in den Uckermark-Urlaub“, sagt Anet Hoppe, Geschäftsführerin der tmu Tourismus Marketing Uckermark GmbH. Das imposante Bauwerk, an jedem Sonntagnachmittag geöffnet, die alte Technik und das Handwerk seien ein echter Touristenmagnet, glaubt sie.

„Der eigentliche Weg hin zu einer tatsächlichen Schaumühle beginnt aber erst jetzt“, macht Rüdinger deutlich. Denn die Flügel müssten sich drehen, um funktionstüchtig zu bleiben. Über den Steert werden sie in den Wind gedreht. „Dafür braucht es kräftige junge Leute, die anpacken“, sagt er. Dessen sind sich auch die 52 zumeist betagten Mitglieder des Greiffenberger Mühlenvereins bewusst.

Am 10. September laden sie zum „Flügelfest“ an die Mühle. „Vielleicht gewinnen wir bei dieser Gelegenheit neue, junge Mitstreiter“, hofft Schatzmeister Hinze, der dabei auf Windmüller Waligora setzt. „Der kann die alte Technik toll erklären und Besucher durch die dreistöckige Mühe führen.“

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