zum Hauptinhalt
Oberhavel-Landrat Ludger Weskamp (SPD), links, mit dem Sozialdezernenten Matthias Rink (CDU). 

© Landkreis Oberhavel

Staatsanwaltschaft ermittelt in Oberhavel: Untreueverdacht gegen leitende Landratsbeamte

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreueverdachts im Landratsamt Oberhavel gegen führende Mitarbeiter. Der Vorwurf: Einem Beigeordneten sollen Sozialleistungen zugeschanzt worden sein.

Oranienburg - Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen führende Mitarbeiter des Landratsamts Oberhavel. Entsprechende PNN-Recherchen bestätigte der Behördenchef, der Leitende Oberstaatsanwalt Wilfried Lehmann, am Montag auf Anfrage. Es handelt sich um Vorgänge, die sich erst nach dem Wechsel von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) vom Chefposten der Kreisverwaltung in die Landesregierung Ende 2014 ereignet haben sollen.

Es geht um den Vorwurf, dass unberechtigte Leistungen bewilligt worden sein sollen. Konkret richten sich die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Untreue nach PNN-Informationen gegen den Sozialdezernenten Matthias Rink (CDU) und den bisherigen Bildungsdezernenten Dieter Starke (SPD), der nach zweijähriger Amtszeit seit Wochenbeginn wieder Leiter eines Oberstufenzentrums in Oberhavel ist.

Die Ermittler waren am 25. Juli im Landratsamt in der Kreisstadt Oranienburg angerückt. Eine Sprecherin der Kreisverwaltung sagte den PNN am Montag, Landrat Ludger Weskamp (SPD) nehme „die im Raum stehenden Anschuldigungen sehr ernst und hat der Staatsanwaltschaft umfassende Unterstützung und Kooperation zur Sachverhaltsklärung zugesichert“. Alle angeforderten Akten und Dokumente seien der Staatsanwaltschaft umgehend ausgehändigt worden. Näher wollte er sich wegen der laufenden Ermittlungen nicht äußern.

Anonyme Anzeige: Es geht um Leistungen für das Kind von Rink

Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch eine anonyme Anzeige. Demnach soll Rink für die Betreuung seines Kindes - konkret ging es um Lernhilfen - eine Kostenübernahme durch das Landratsamt beantragt haben. Das sollen die zuständigen Mitarbeiter jedoch unter Hinweis auf die gute sozialen Lage der Familie abgelehnt haben. 

Wie der "Oranienburger Genearalanzeiger" berichtet, sollen sich die Mitarbeiter bei ihrer Entscheidung gegen Druck von oben gegen Einzelne in der Behörde absichert haben. Demnach sollen sie gemeinsam den Antrag von Rink auf Unterstützungsleistungen für Lernhilfe für den Sohn nach intensiver Prüfung als "rechnerisch richtig", aber "sachlich falsch" abgelehnt haben.

Das deckt sich mit PNN-Recherchen: Demnach sollen die Leistungen an besondere Bedingungen geknüpft sein, etwa die soziale Lage der Antragsteller, konkret des Kindes. Bei der Bewilligung ging es um die Frage, inwiefern die bestehenden Nachteile dazu führen, dass es sozial isoliert wird, die "Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beieinträchtigt" wird, wie es im Gesetz heißt. Genau das sollen die Fachleute im Landratsamt nach intensiver Prüfung im Fall von Rink aber nicht bestätigt haben.

Rink soll dennoch mit dem bisherigen Bildungsdezernenten Starke an den zuständigen Mitarbeitern vorbei die Bewilligung der Leistung - und damit die Zahlung - vereinbart haben. Dabei soll Starke angewiesen worden sein, trotz des Votums der Fachleute für die Gewährung der Leistungen zu entscheiden. Weisungsbefugt war jedoch nur Landrat Ludger Weskamp (SPD).

Ob die Vorwürfe zutreffen, wird derzeit von Polizei und Staatsanwaltschaft untersucht. Zwar sieht die Behörde bereits einen Anfangsverdacht, also „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für eine Straftat, was Voraussetzung für die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens ist. Der Leitende Oberstaatsanwalt Lehmann betonte aber auch: „Wir stehen noch ganz am Anfang.“

Oberhavels Sozialdezernent Rink wies die Vorwürfe auf Anfrage entschieden zurück. Er sprach von einer genehmigten Lerntherapie für sein Kind. Es habe auch keine Absprachen mit dem damaligen Bildungsdezernenten Starke gegeben, damit der Antrag genehmigt wird. Die anonyme Anzeige nannte Rink „perfide und feige“. Er habe einen Anwalt eingeschaltet, der habe aber noch nicht Einsicht in die Akten nehmen können. Und Rink kündigte an: „Ich werde mich zur Wehr setzen.“

Die Betroffenen kommen alle aus Hohen Neuendorf

Starke war am Montag nicht zu erreichen. Ein Zusammenhang zwischen seiner Rückkehr als Dezernent im Landratsamt an das Oberstufenzentrum mit den Ermittlungen wird in der Kreisverwaltung ausgeschlossen. Der Wechsel war wenige Tage vor der Durchsuchung bekannt geworden.

Rink ist auch CDU-Ortschef in Hohen Neuendorf, auch Starke und Landrat Weskamp leben dort. Rink und Weskamp waren 2015 gegeneinander zur Wahl des neuen Landrats angetreten, Rink unterlag und bekam den Dezernentenposten. Nötig war die Wahl, weil Karl-Heinz Schröter (SPD), ebenfalls aus Hohen Neuendorf, im Herbst 2014 Innenminister in Brandenburg geworden war. Auch der Nachfolger für Starke im Landratsamt als Bildungsdezernent – wenn auch kommissarisch – ist im politischen Potsdam bekannt. Es ist Schröters früherer Innenstaatssekretär Matthias Kahl (SPD). 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false