zum Hauptinhalt

Brandenburg: Stockholm nimmt Vattenfalls Pläne für die Lausitz ins Visier Schwedischer Reichstag debattiert, wie neue Tagebaue und Kohlestrom zur Klimadirektive passen

Potsdam - Nicht nur der mögliche Verlust des Berliner Stromnetzes macht dem Energiekonzern Vattenfall zu schaffen. Auch aus Schweden wächst der Druck.

Potsdam - Nicht nur der mögliche Verlust des Berliner Stromnetzes macht dem Energiekonzern Vattenfall zu schaffen. Auch aus Schweden wächst der Druck. Dort werden Pläne des Konzerns für neue Tagebaue in der Lausitz jetzt ein Fall für die Politik. Das Vorhaben des Staatsunternehmens, in Brandenburg und Sachsen fünf neue Tagebaue zu eröffnen, stößt zunehmend auf Widerstand. Ende der Woche befasst sich erstmals der schwedische Reichstag damit – ein Novum mit möglicherweise weitreichenden Folgen für Brandenburg.

Bislang interessierte sich in Schweden außer ein paar Umweltaktivisten niemand recht für Vattenfalls Geschäft mit dem Strom aus Lausitzer Braunkohle. Auch nicht dafür, dass die Kohlekraftwerke Vattenfalls zu den dreckigsten Europas gehören und der Konzern in Deutschland größere Mengen des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) ausstößt als in ganz Schweden, wo Vattenfall nur Wasser- und Atomkraftwerke betreibt.

Von größerem Interesse ist da nach Angaben der Umweltorganisation Greenpeace in Schweden, dass Vattenfall inzwischen vom Goldesel des Staatshaushaltes „zu einem schrumpfenden Verlustunternehmen geworden ist“. Im Sommer titelte die konservative Tageszeitung „Svenska Dagbladet“ noch: „Die Party um Vattenfalls große, europäische Einkaufstournee ist vorbei. Nun kommt der Kater.“ Nach dem Expansionskurs der vergangenen Jahre muss Vattenfall sparen, 540 Millionen Euro allein in den kommenden zwei Jahren. Den größten Umsatz hat Vattenfall in Deutschland, wobei die Braunkohletagebaue und Kraftwerke in der Lausitz für den Konzern bislang eine sichere Einnahmequelle waren.

Nicht umsonst vermied es die Regierung in Stockholm deshalb bisher, sich allzu deutlich zu den Aktivitäten Vattenfalls in der Lausitz zu äußern. Nur die Umweltministerin hatte jüngst gesagt, die vor einigen Monaten eingeführten Nachhaltigkeitskriterien für Staatsunternehmen könnten die Tagebaupläne Vattenfalls stoppen. Als deshalb Anfang Oktober das Boulevardblatt „Aftonbladet“ beim zuständigen Finanzmärkteminister Peter Norman nachfragte, wie sich Vattenfalls Pläne mit den Klimaschutzzielen vertragen, gab es keinerlei Antwort. Die aber soll es nun am Freitag im schwedischen Reichstag auf Antrag der Grünen geben. Bei einer geplanten Debatte geht es um die Frage, ob Vattenfall wegen der neuen Nachhaltigkeitsziele in Schweden seine Pläne stoppen muss. Die Grünen berufen sich dabei auch auf eine Aussage Normans zu den Nachhaltigkeitszielen Schwedens: „Die staatlichen Unternehmen sollten Vorbilder sein, nicht zuletzt wenn es um nachhaltiges Wirtschaften geht.“

Bei der Debatte im Stockholmer Reichstag geht es aber auch um Vattenfalls Verhältnis zu erneuerbaren Energien. Denn der Staatskonzern forderte Mitte Oktober gemeinsam mit neun anderen großen europäischen Energieunternehmen ein Ende der Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien in Europa – obwohl der Staat Schweden sich zur Einhaltung der Klimaziele zu einem höheren Anteil von erneuerbaren Energien verpflichtet hat.

Erst im Sommer hatte der Grünen-Fraktionschef im brandenburgischen Landtag, Axel Vogel, seine Kollegen in Schweden auf Vattenfalls Pläne in der Lausitz aufmerksam gemacht. „Jetzt droht der gute Ruf Schwedens in Mitleidenschaft gezogen zu werden“, sagte Vogel. „Neue Tagebaue, der hohe Kohlendioxid-Ausstoß der Kraftwerke, die Abbaggerung von Dörfern, das alles wäre in Schweden so nicht möglich. Das Unwohlsein dort wegen der Lausitzer Braunkohle ist mit den Händen zu greifen.“ Vattenfall müsse jetzt den Wandel einleiten und dürfe das Kohlegeschäft nicht einfach verkaufen. „Schweden ist hier in der Verantwortung.“

Auch die schwedische Presse verfolgt die Ereignisse in der Lausitz inzwischen stärker. Über Vogels Brief an die Grünen im Reichstag hieß es etwa: „Die deutschen Grünen flehen Vattenfall an, seine umstrittenen Braunkohlebetriebe in Ostdeutschland nicht zu verkaufen.“ Vattenfall habe Milliarden mit den Kraftwerken verdient und habe deshalb als Teil des schwedischen Staates eine Verantwortung, die Braunkohlesparte umweltfreundlich abzuwickeln, statt sie an noch skrupellosere Konzerne weiterzuverkaufen.

Analysten in Schweden geben inzwischen düstere Zukunftsprognosen für Vattenfall ab. Die Manager hätten im Vergleich zur Konkurrenz viel zu spät auf die absehbare Entwicklung auf dem Energiemarkt reagiert. Mit der Konzentration auf Gas und Kohle habe Vattenfall den Umstieg auf subventionierte umweltfreundlichere Energieformen verpasst – obwohl die schwedische Regierung in einer Eigentümerdirektive nachhaltige Energieversorgungsformen vorgebe. (mit aaw)

nbsp;Alexander Fröhlich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false