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Eisiger Regen. Spiegelglatt war gestern auch diese Kopfsteinpflasterstraße in Müncheberg (Märkisch-Oderland).

© Patrick Pleul dpa/lbn

Von Claus-Dieter Steyer: Spiegelglatt erwischt

Berliner Feuerwehr rief Ausnahmezustand aus. Tauwetter ließ Oder über Höchststand von 1997 steigen

Potsdam/Berlin – Selbst altgediente Lastwagenfahrer schüttelten über die Situation am Morgen auf der Autobahn von Dresden nach Berlin verdutzt den Kopf. Mitten auf der langgezogenen Steigung kurz vor der Ausfahrt Bestensee, die im Vergleich zu richtigen Bergen im Süden höchstens als „kleiner Hügel“ durchgehen würde, drehten die Räder der Brummis durch. An ein Weiterkommen war nicht zu denken. „Zum Glück fuhren die Lkw nur mit einem geringen Tempo, so dass es an dieser Stelle trotz der spiegelglatten Fahrbahn zu keinen Unfällen kam“, sagte später ein Polizeisprecher. Erst nach rund zwei Stunden konnten die Laster weiterrollen – dank des Winterdienstes und der ansteigenden Temperaturen.

Auch auf anderen Autobahnen in der Regionen kam es zu erheblichen Behinderungen. Nach Lkw-Unfällen mussten die Strecken nach Hannover (A 2) und nach Hamburg (A 24) voll gesperrt werden. Auf der A 19 hinter dem Dreieck Wittstock forderte die Polizei sogar die Lkw-Fahrer auf, vorsichtshalber den „nächstmöglichen Halteplatz“ anzusteuern. Der Busverkehr kam in einigen Regionen ebenfalls zum Erliegen. Allein in Westbrandenburg, wo der Eisregen noch vor Beginn des Berufsverkehrs eingesetzt hatte, registrierte die Polizei bis zum Nachmittag rund 200 Unfälle. Etwa 20 Verletzte wurden zwischen Wittenberge (Prignitz), Rathenow (Havelland) und der Stadt Brandenburg gezählt.

Betroffen waren auch die beiden Flughäfen der Hauptstadtregion. Auf dem Flughafen Tegel fielen wegen des Eisregens 15 meist innerdeutsche Flüge aus. Etliche Maschinen mussten vor dem Start von dicken Eispanzern befreit werden. In Schönefeld war der Flugverkehr kaum beeinträchtigt. „Dort hatten wir Glück“, sagte der Sprecher der Flughafengesellschaft, Ralf Kunkel, dieser Zeitung. „Es gab weniger Eisregen.“

Nicht zur Ruhe kamen dagegen die Einsatzkräfte in Berlin. Dort rief die Feuerwehr um 8.45 Uhr den Ausnahmezustand aus. Daraufhin wurden zwanzig zusätzliche Rettungswagen (RTW) in Dienst gestellt und mit Beamten besetzt. Die Zahl der Hilferufe nahm im Vergleich zu normalen Tagen um zwei Drittel zu. Die Rettungsstationen aller Kliniken hatten entsprechend viel zu tun. „Jede Menge los“, hieß es knapp auf der chirurgischen Ambulanz des Virchow-Klinikums der Charité. „Wir sind gut belegt mit Knochenbrüchen“, vermeldete das Kreuzberger Krankenhaus Am Urban. Zwischen 9 und 10 Uhr eilte die Berliner Polizei zu 110 Unfällen, meist mit leichten Blechschäden. Zwischen Mitternacht und 11 Uhr krachte es 251 mal. An Tagen mit normaler Witterung ereignen sich in Berlin 10 bis 15 Unfälle pro Stunde.

Während sich die Lage auf den Straßen am Nachmittag weitgehend normalisierte, blicken die Menschen an der Oder im Nordosten Brandenburgs mit Sorge auf die Thermometer. Rasches Tauwetter könnte die Situation zwischen Hohensaaten, dem Oderbruch und der Mündung der Warthe in die Oder bei Küstrin erheblich zuspitzen. Der Pegel in Hohensaaten-Finow zeigte um 12 Uhr genau 7,40 Meter, um 16.15 Uhr waren es bereits 7,48 Meter – 19 Zentimeter mehr als beim Sommerhochwasser von 1997. Eisbarrieren und das von Süd nach Nord fließende Wasser drücken immer stärker gegen die Deiche. Die Behörden haben für den Fall eines Dammbruchs oder eines Überschwappens des Wassers über die Deichkrone Evakuierungspläne ausgearbeitet. Im schlimmsten Fall müssten 15 000 Menschen in Sicherheit gebracht werden. Seit dem Morgen versuchen Eisbrecher von Stettin aus, in der etwa 70 Kilometer langen Eisdecke eine Abflussrinne für die Schollen freizulegen.

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