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Brandenburg: Sperenberg International

Berlin wird Drehkreuz zwischen West und Ost – und Europa braucht einen neuen zentralen Airport. Ein Vorschlag des Stadtplaners Florian Mausbach

Verzweifeltes Kopfschütteln über das nicht enden wollende Trauerspiel um den Bau des Großflughafens BER und wachsendes Staunen über die unendliche Leistungsfähigkeit des Kleinflughafens Tegel haben eine Debatte um den Berliner Flugverkehr entfacht, die über die parteitaktischen Vorstöße zum Erhalt des Flughafens Tegel hinausgeht. Jetzt fiel (durch einen Einwurf des früheren CDU-Justizsenators Thomas Heilmann im Tagesspiegel) das Stichwort Sperenberg. Plötzlich weitet der Blick auf den verwaisten Militärflugplatz 40 Kilometer südlich von Schönefeld den Horizont und eröffnet die Chance, über Berlins Verbindungen in die Welt neu nachzudenken.

Berlin ist eine Insel. Anders als die älteren westdeutschen Großstädte, die seit Jahrhunderten die wirtschaftlichen und kulturellen Potenziale ihrer Regionen bündeln und steigern, ist Berlin nicht aus seinem Umland geboren und mit ihm gewachsen. Das Umland lebt von Berlin. Als Metropole ohne Hinterland ist Berlin existenziell auf gute Fernverbindungen angewiesen – Autobahnen, Eisenbahnen, Wasserstraßen, heute aber vor allem auf Flugverbindungen.

Die Schwerachse der europäischen Wirtschaft liegt im Westen des Kontinents. Berlin aber ist eine Stadt des Ostens. Und in Ost- und Mitteleuropa liegt seine besondere Chance. Die politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der Staaten Mittel- und Osteuropas einschließlich Russlands wird Europas Wirtschaftsraum weit nach Osten ausdehnen und Berlin vom östlichen Rand Westeuropas geografisch und wirtschaftlich in die Mitte des Kontinents rücken. Berlin kann so zum Bindeglied und Drehkreuz zwischen West und Ost werden, zur zentralen Ost-West-Metropole. Es ist undenkbar, dass Berlin in dieser für Europa so wichtigen Mittlerfunktion und als Hauptstadt des größten und wirtschaftlich stärksten europäischen Landes mit unzureichenden Flugverbindungen seiner Verantwortung gerecht werden kann.

Berlin hat sich mit der Unfähigkeit, einen großen Flughafen zu bauen, zum Gespött der ganzen Welt gemacht. Jetzt sollten nicht nur bau- und verfahrenstechnische Lehren gezogen werden, sondern die Flugverkehrspolitik von Grund auf neu überdacht werden. Berlin braucht einen stadtnahen Großflughafen. Bis der BER in Betrieb und auch tatsächlich in der Lage ist, den ständig gewachsenen Flugverkehr aufzunehmen und zu bewältigen, wird der Flughafen Tegel gebraucht.

Große Metropolen brauchen mehr als einen Flughafen. Das kann aber angesichts wachsender Lärmschutzforderungen und Sicherheitsrisiken auf Dauer nicht ein innerstädtischer Flughafen wie Tegel sein. Auch ein stadtnaher Großflughafen wie der BER in Schönefeld wird mit seinen Einschränkungen bald überfordert sein. Es wäre kurzsichtig, den Flugplatz Sperenberg nicht wieder in die Planungen des Berliner Luftverkehrs einzubeziehen – und sei es zunächst als Ausweich- und Ersatzstandort.

Weil alle europäischen Flughäfen in der Nähe von Großstädten liegen und Lärm- und Erweiterungsprobleme haben, hat der Architekt Sir Norman Foster vorgeschlagen, in der Themse-Mündung durch künstliche Aufschüttung wie in Hongkong einen europäischen Hub zu bauen – ein neues Luftfahrtdrehkreuz in Tag- und Nachtbetrieb. Randlage, Kosten und Brexit sprechen allerdings nicht dafür.

Vielleicht wird es tatsächlich eines Tages einen solchen europäischen Rund-um-die-Uhr-Umsteigeflughafen geben. In einer zentralen und zugleich bevölkerungsarmen Region in der geografischen Mitte des Kontinents. Der ehemalige Militärflugplatz Sperenberg wartet darauf.

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