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Personalsucher. Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) und Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Historischer Tiefstand bei Polizei: Schröters Hoffnung, Mörkes Realität

Die Zahl der Polizisten in Brandenburg hat einen historischen Tiefstand erreicht. Innenminister Schröter verkündet: Ab jetzt geht es bergauf. Polizeipräsident Mörke meint: Die Personalnot bleibt.

Potsdam - Die Polizeireform von 2011 ist zwar gestoppt, Rot-Rot hat aufgestockt, doch die Folgen des jahrelangen Personalabbaus schlagen durch: Noch nie gab es so wenige Polizisten wie aktuell in Brandenburg. Das teilte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Donnerstag im Haushaltsausschuss des Landtags mit. Am 1. September waren nur noch 7930 Polizeibeamte im Dienst. Entlastung sollen ab Oktober 160 Absolventen der Fachhochschule der Polizei bringen, dann steige die Gesamtzahl von 8070 Polizisten und werde weiter zunehmen.

Schröter sagte, die These "Polizei werde in Brandenburg weniger", gelte nur noch bis Ende September 2017. Danach werde es planmäßig Jahr für Jahr mehr Beamte geben. Vorgesehen sind im Haushalt allerdings 8250 Stellen im Jahr 2018. Ob das mit den bisherigen Maßnahmen erreicht werden kann, daran gibt es selbst im Polizeiapparat und bei den Gewerkschaften erhebliche Zweifel.

Polizeipräsident: Besetzung der Stellen nicht möglich

Polizeipräsident Hans Jürgen Mörke hatte - wie berichtet - im Juni in einem Vermerk an das Innenministerium erklärt, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen werden, um alle Planstellen zu besetzen. "Auf der Grundlage der zu erwartenden Personalzu- und -abgänge wurde die (...) Prognose der Personalbestände" vom 1. Oktober 2017 bis 1. Oktober 2019 erstellt. "Daraus ergibt sich, dass auch nach der Realisierung aller derzeit genutzten Einstellungsmöglichkeien und nach vorsichtiger Bewertung, die Besetzung der derzeitigen und absehbaren Bestands an Planstellen und Stellen nicht möglich sein wird."

Im Klartext: Was bisher geplant ist, reicht nicht aus. Schröter setzt zunächst auf die aufgestockten Ausbildungsjahrgänge an der Fachhochschule, allein 2017 würden 407 Anwärter eingestellt. Bis sich die Umkehr hin zu mehr mehr Polizeischülern jedoch bemerkbar macht, dauert es noch. 2015 waten 290 Polizeianwärter eingestellt worden, 2016 dann 351. Das wird also frühestens 2018 langsam durchschlagen. Schröter will zudem die Ausbildung in Brandenburg attraktiver machen. Er forderte vom Haushaltsausschuss Landesgelder für den Bau eines Internats, um bezahlbaren Wohnraum für die Polizeischüler in Oranienburg (Oberhavel) zu schaffen. Wie berichtet  sind die Anforderungen bei den Einstiegstest an der Polizeifachhochschule angepasst, teils gesenkt worden – um genügend geeignete Bewerber zu finden. Innenminister Schröter widerspricht zwar, die Anforderungen seien nicht gesenkt worden. Doch offiziell erklärte das Ministerium: Die Ventile seien geöffnet worden. Im Klartext: Weniger Bewerber fallen beim ersten Test durch.

Wachsende Konkurrenz um Feldjäger

Gegen die Personalnot sollen zudem Beamte, die vor der Pensionierung stehen, mit einem Zuschuss von 400 Euro pro Monat für eine Verlängerung gewonnen werden. Bei den Gewerkschaften ist nach PNN-Recherchen davon die Rede, dass sich ältere Beamte in Personalgesprächen regelrecht unter Druck gesetzt fühlten, damit sie verlängern.

Daneben versucht die Polizei, Zeitsoldaten der Bundeswehr für die Zeit nach ihrem Dienst für Brandenburg zu gewinnen. Schröter sagte, die Anwerbung von Feldjägern sei erfolgreich verlaufen. Dagegen heißt es von Personalräten, Gewerkschaften und der Polizeiführung, dass das Feldjäger-Programm ins Stocken geraten sei. Der Grund: Auch andere Bundesländer buhlen um diese Soldaten mit Militärpolizeiausbildung - und sie bezahlen ihre Polizeibeamten besser.

Jetzt sollen Zeitsoldaten und KSK-Kräfte angeworben werden

Und weil nach Akenlagen mit all diesen Maßnahmen die Stellen bei der Polizei Brandenburg nicht besetzt werden können, hatte er sich ein Sonderprogramm von Innenminister Schröter genehmigen lassen. Wie berichtet sollen sogar Zeitsoldaten für die Bereitschaftspolizei und KSK-Soldaten für das Spezialeinsatzkommando (SEK) angeworben werden, weil geeignetes Personal nur schwer zu finden ist. 

Wie berichtet, hat der Polizeipräsident gegen den Willen der Fachhochschule der Polizei und der eigenen Fachleute bei  Schröter (SPD) eine Sonderregelung für weitere Soldaten durchgesetzt. Schröter genehmigte die Pläne bereits am 6. Juli per Erlass. Bei der Bundeswehr wurde dann eine Stellenausschreibung verbreitet. 

Zum Oktober und zum April 2018 sollen je 25 Zeitsoldaten eingestellt werden, die mindestens über den Dienstgrad eines Feldwebels verfügen, also Unteroffizier mit Portepee sind, sich zu zehn Jahren Dienst bei der Bundeswehr verpflichtet und eine Ausbildung haben. Zudem sollen sie gleich bei den vier Hundertschaften der Polizei, mit kurzen Praktika im Streifendienst, eingesetzt werden und könnten nach Mörkes Plänen sogar „vollzugspolizeiliche und sogar hoheitliche Aufgaben“ wahrnehmen.

Gewerkschaft und CDU warnen vor Soldatenpolizei und Schnellbesohlung

Die verkürzte praktische und theoretische Ausbildung der Soldaten soll aber von der Fachhochschule der Polizei abgekoppelt werden und unter Führung des Präsidiums bei der Bereitschaftspolizei erfolgen. Die Abschlussprüfung soll den Vorgaben an der Fachhochschule aber „zumindest nahe kommen“. Mörke will dazu eine eigene Prüfungskommission einrichten – und schafft damit in seiner Behörde parallele Strukturen zur Fachhochschule. Per Erlass sind sogar neue Schulterklappen für die Soldaten kreiert worden.

Bei den Fachleuten in der Polizei selbst trifft die Einstellung von Soldaten an der üblichen Polizeiausbildung vorbei mit verkürzter Schulung auf Widerstand, auch bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Intern sind Mörkes Pläne als "Soldatenpolizei" verschrien.  Der Innenexperte der CDU-Landtagsfraktion, Björn Lakenmacher, warnte, „eine solche Schnellbesohlung wird den hohen Anforderungen im Polizeidienst nicht gerecht.“ 

KSK-Soldaten und Fallschirmjäger für das SEK gesucht

Daneben will Polizeipräsident auch kampferprobte Soldaten mit ganz besonderen Fähigkeiten einstellen. Angeworben werden Elitesoldaten vom Kommando Spezialkräfte (KSK) und Fallschirmjäger. In Brandenburg sollen sie Polizeibeamte beim Spezialeinsatzkommando (SEK) werden. Laut Polizeipräsidium spricht der Berufsförderungsdienst der Bundeswehr KSK-Soldaten und Fallschirmjäger an, die kurz vor Ende ihrer zwölfjährigen Dienstzeit sind. Brandenburgs Polizei verspricht sich unter ihnen genug Bewerber, die die strengen Sporttests für das SEK ohne Probleme bestehen. Denn bislang gelang es der Polizei nicht, die neue Zielmarke von 60 Beamten in vier Einsatzgruppen zu erreichen.

KSK-Soldaten und Fallschirmspringer bringen aus Sicht der Polizei besondere Fähigkeiten und Kenntnisse mit, die auch beim SEK gebraucht werden: Fitness, Kampferfahrung, Waffenkunde. Bewerber, die das Auswahlverfahren bestehen, sollen dann eineinhalb Jahre – wie die Feldjäger – an der Fachhochschule der Polizei ausbildet werden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) unterstützt die Pläne, hat aber Zweifel, dass KSK-Soldaten wegen der im Bundesvergleich geringen Besoldung auch in Brandenburg anfangen. Zudem warnte die GdP, die Folgen der Kriegserfahrungen der KSK-Soldaten nicht zu unterschätzen.  

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