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Matthias Platzeck (SPD) muss alle Ämter aus gesundheitlichen Gründen aufgeben.

© dpa

Brandenburg: Platzeck hört auf – Woidke wird ab September Regierungschef

Matthias Platzeck hört nach seinem Schlaganfall auf: Brandenburgs Regierungs- und SPD-Chef wird nach PNN-Informationen zum September als Regierungschef aufhören.

Potsdam – Neuer Regierungschef wird der jetzige Innenminister Dietmar Woidke. Neuer Innenminister soll der bisherige Chef der Landtagsfraktion der SPD, Ralf Holzschuher, werden. Darüber sollen heute Abend ab 17 Uhr in Potsdam die Landtagsfraktion und der SPD-Landesvorstand informiert werden. Anschließend ist eine Pressekonferenz geplant. Platzecks letzter Arbeitstag wird der 28. August 2013 sein. Am Vormittag war Platzeck nach PNN-Informationen in Berlin, um diesen Schritt auch mit der Bundesspitze der Partei abzuklären. Neben dem Regierungsamt und dem Vorsitz der Landes-SPD hat er den Posten des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft für den neuen Hauptstadt-Airport BER inne.

Am Abend kommen in Potsdam auf Einladung von Platzeck und Fraktionschef Holzschuher die Landtagsfraktion und der SPD-Landesvorstand zusammen. Der 59-jährige Platzeck hatte im Juni einen l Schlaganfall erlitten und daraufhin seine Zukunft von seiner vollständigen Genesung abhängig gemacht.

Der frühere Umweltminister Platzeck hatte 2002 das Amt des Ministerpräsidenten in Brandenburg von Manfred Stolpe übernommen. Bis 2009 stand er an der Spitze einer rot-schwarzen Koalition mit der CDU. Seitdem regiert er gemeinsam mit der Linken. 2006 war Platzeck kurzzeitig auch Vorsitzender der Bundes-SPD. Zwei Hörstürze und ein Zusammenbruch zwangen den Hoffnungsträger damals nach 146 Tagen zum Rückzug. Von 1998 bis zum Jahr 2002 war Platzeck Oberbürgermeisters einer Heimatstadt Potsdam. Damals war er in den Ring gestiegen, um die aus SPD-Sicht fast an die Linke verlorene Landeshauptstadt für die SPD zu sichern. Das gelang ihm auch. Ihm wird angerechnet, die Stadt aus den Negativschlagzeilen geholt zu haben.

Nach  seinem Schlaganfall und einem dreiwöchigen Urlaub war in seinem Umfeld zunächst davon ausgegangen worden, dass Platzeck ohne Einschränkungen weitermacht - zumindest bis zur Landtagswahl im Jahr 2014. Noch bis Montag waren selbst Spitzen der SPD davon ausgegangen, dass Platzeck bis dahin weitermacht und dann aber nicht mehr erneut als Spitzenkandidat für die SPD antritt.

Doch scheint sich bei Platzeck die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass er kürzer treten muss. Platzeck selbst gab noch vor seinem Urlaub und direkt nach seinem Krankenhausaufenthalt an, beim Gehen noch unter „einem Linksdrall“ gelitten zu haben. Auch müsse er auf Anraten seiner Ärzte Training des „Gleichgewichts und der Koordination“ betreiben – was für schwerere Folgen sprach. Sein Sehvermögen und das Laufen waren, berichtet er, war durch den Schlaganfall eingeschränkt.

Platzeck war nach zwei Wochen zusammengebrochen, in denen er versucht hatte, in alter Manier den Deichgrafen zu geben, als der er beim Oderhochwasser 1997 bundesweit bekannt geworden war: Nun beim Elbe-Hochwasser war er auf vielen Deichen zu sehen, hatte für Bilder posiert und mit Helfern und Betroffenen gesprochen – Stippvisiten hier, Kurzauftritte dort. Trotz gesundheitlicher Probleme im Vorfeld hatte er weder seinem für den Katastrophenschutz zuständigen Innenminister Woidke noch seiner Umweltministerin Anita Tack (Linke) den Vortritt gelassen. Nur ein halber freier Tag sei ihm geblieben, sagten Freunde nach dem Schlaganfall. Nur einen halben freien Tag habe er seiner Familie gegönnt, sich privat gelassen.

Am Montag hieß es nun, Platzeck habe sich zwar gut erholt - aber nicht komplett und nicht so, wie aus seiner Sicht nötig gewesen wäre, um das Amt des Regierungschefs voll ausfüllen zu können.

Ob Platzecks Nachfolger auch in den Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft geht, wird sich zeigen. Brandenburg könnte  die Chance nutzen, einen externen Fachmann oder eine Fachfrau ins Gremium zu entsenden – wie einst den Manager Hans-Olaf Henkel. Aber auch Wirtschaftsminister Ralf Christoffers oder Finanzminister Helmuth Markov könnten den Vorsitz übernehmen – falls die anderen Gesellschafter die Linken akzeptieren.

Der Bund als dritter Gesellschafter will Platzecks Schritt – noch – nicht kommentieren. Anfang des Jahres war auch Staatssekretär Rainer Bomba aus dem Bundesverkehrsministerium, der ebenfalls im Aufsichtsrat sitzt, gefragt worden, ob er an die Spitze rücken wolle, was er aber abgelehnt hat.  Der Bund besitzt nur 26 Prozent der Anteile der Flughafengesellschaft, Berlin und Brandenburg jeweils 37 Prozent. Der Einfluss des Bundes ist damit gering, was sich unter anderem daran gezeigt hat, dass es dem Bund lange nicht gelungen war, die von ihm gewünschte Ablösung von Flughafenchef Schwarz durchzusetzen. Erst als Brandenburg mitzog, konnte sich der Bund durchsetzen. Die Flughafengesellschaft selbst äußerste sich bisher nicht.

Es sei "noch viel zu früh, sich jetzt darüber Gedanken zu machen", sagte auch Berlins Senatssprecher Richard Meng auf die Frage, wer Platzeck als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschafter nachfolgen werde. "Das werden zu gegebener Zeit die Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund gemeinsam entscheiden." Dem Vernehmen nach wird Platzeck die nächste Sitzung des BER-Aufsichtsrats noch selbst leiten.

Die Sprecherin der SPD-Landesgruppe im Deutschen Bundes, die Potsdamer Abgeordnete Andrea Wicklein, erklärt zum Rücktritt von Matthias Platzeck: "Der Rücktritt von Matthias Platzeck ist ein schmerzvoller Verlust für das Land Brandenburg und für die gesamte SPD. Mit Matthias Platzeck gibt ein geradliniger und ehrlicher Politiker seine Ämter und Funktionen auf. Matthias Platzeck steht für eine Politik auf Augenhöhe mit den Bürgerinnen und Bürgern und eine politische Kultur des Miteinanders. Ich zolle Matthias Platzeck höchsten Respekt für seine Entscheidung. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen alles Gute."

In der Bundes-SPD wurde der Schritt Platzecks mit großer Betroffenheit kommentiert. Sein Rückzug sei nicht nur für die SPD, sondern für die Politik insgesamt ein herber Verlust, hieß es in Parteikreisen. Platzeck sei „ein ganz Großer“ in der SPD, der wegen seiner integren Persönlichkeit und auch wegen seiner Verletzlichkeit eine hohe Achtung in der Partei genieße. Gleichzeitig wurde die Erwartung geäußert, dass der Amtswechsel in Brandenburg auf die Bundespolitik keine Auswirkungen haben werde. Für die Landes-SPD allerdings sei die Entwicklung bitter.

(mit thm und sib)

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