zum Hauptinhalt

Lobbyismus: Panik machende Realität

Die SPD-Abgeordnete Martina Gregor-Ness sitzt im Aufsichtsrat der Vattenfall-Bergbausparte. Im Landtag forderte sie bei der Debatte um die braune Spree und den bedrohten Spreewald von den Medien weniger dramatische Bilder.

Potsdam - Brandenburgs Landtag drängt in seltener Einigkeit auf eine konzertierte Strategie gegen die braune Spree. Doch ehe dieser gemeinsame Antrag aller Fraktionen am Donnerstag einstimmig beschlossen wurde, was eine Ausnahme im Potsdamer Parlamentsalltag ist, sorgte Martina Gregor-Ness, Vize-Chefin und umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, für einen Fauxpas. In der Debatte zur sogenannten Verockerung der Spree warnte Gregor Ness vor Panikmache – und appellierte an die Medien, „nicht so viele dramatische Bilder zu produzieren“. Das sorgte quer durch die Reihen für Kopfschütteln. Die Grüne-Abgeorndete Sabine Niels erinnerte die SPD-Politkerin prompt an die Freiheit der Presse und die einfache Tatsache, dass die Bilder aus dem Spreewald „die Realität abbilden“.

Das Unverständnis etwa bei den Linken und den Grünen im Parlament über die SPD-Politikerin war umso größer, weil Gregor-Ness auch noch im Aufsichtsrat der Vattenfall Europe Mining AG sitzt. Und deren aktive Tagebaue sind nach einem aktuellen Gutachten und Aussagen von Umweltministerin Anita Tack (Linke) zumindest für die ebenfalls wachsende Sulfatbelastung in der Spree und anderen Gewässern der Region verantwortlich, die bei einem weiter ungebrochenen Anstieg sogar einmal die Trinkwasserqualität in Frankfurt (Oder) und Berlin gefährden würde. In Berlin etwa wird Trinkwasser aus Uferfiltraten der Spree gewonnen. Noch seien keine Grenzwerte überschritten, keine toxische Wirkung nachweisbar, sagte Tack. Tack betonte, man sitze „regelmäßig mit Vattenfall am Tisch, um das Problem zu lösen“. Mit der als Verockerung bezeichneten Färbung der Spree zu einer braunen Brühe haben die Vattenfall-Tagebaue aber nichts zu tun. Das ist eine Spätfolge früheren Bergbaus – über verunreinigtes Grundwasser aus DDR-Tagebaurestlöchern in Sachsen und Brandenburg.

Nach dem Landtagsbeschluss soll in Brandenburgs Regierung eigens ein Sonderbeauftragter geschaffen werden, auch Ansprechpartner für Betroffene. Brandenburgs Regierung teile „die Besorgnis über die wachsende Gefahr für Mensch und Natur wegen der bergbaubedingten Einträge in die Fließgewässer“, betonte Tack. Sie verwies darauf, dass im vom Bund und den betroffenenen Ländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gerade verlängerten Braunkohlesanierungsabkommen für die Zeit von 2013 bis 2017 insgesamt 587 Millionen Euro für die Rekultivierung früherer Tagebaue und die Bewältigung von Folgeproblemen zur Verfügung stehen. Alle seien sich einig, dass die bundeseigene Firma LMBV – die Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft mbH– als Träger mehr tun muss.

Das Bundesunternehmen kündigte am Donnerstag auch erste Maßnahmen an. Es hatte Anfang Januar eine neue Eisenstudie vorgestellt, nach der das Problem in der Lausitz weltweit einmalig sei, die Lösung 50 bis 100 Jahre dauern wird. Nur gemeinsam mit Fachbehörden können kurz-, mittel- und langfristige Abhilfemaßnahmen umgesetzt werden, erklärte die LMBV. So wolle man noch 2013 die ehemalige Absetzanlage bei Vetschau – eine Grubenreinigungsanlage – „wieder ertüchtigen und revitalieren sowie weitere Absetzmöglichkeiten an anderen Fließen prüfen“.

Dagegen kritisierten Vertreter des Tourismusvereins Spreewald am Rande der Landtagssitzung, dass Geschäftsführung und Aufsichstrat der Bundesfirma ähnlich wie beim BER nicht rechtzeitig reagiert hätten: Ohne Abhilfe, so lautete die Warnung, sei in fünf Jahren der Status des Spreewalds als Unesco-Biosphärenreservat gefährdet.

Ähnlich äußerte sich der SPD-Landtagsabgeordnete Werner-Sigwart Schippel, der von einer „Notstandssituation“ sprach. „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird der Preis um ein Vielfaches teurer“, sagte er.

CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski forderte Brandenburgs Umweltministerin Tack auf, zügig zu klären, „was mit dem Eisenschlamm geschehen kann“, der zur Reinigung der Spreegewässer ausgebaggert werden muss. Während die meisten Redner auf ungeklärte Probleme und großen Forschungsbedarf hinwiesen, hatte SPD-Vizefraktionschefin Gregor-Ness keinen Zweifel, dass das alles beherrschbar sei, denn: „Wir können auf das Know-How des Bergbaus zurückgreifen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false