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Nach Anschlag in Berlin: Neue Spur im Fall Amri

Womöglich wurde der Breitscheidplatz-Attentäter von einem IS-Prediger angestachelt.

Von Frank Jansen

Berlin - Auch knapp ein Jahr nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche bleibt unklar, ob der Attentäter Anis Amri auf Befehl der Terrormiliz „Islamischer Staat“ gehandelt hat. Der Tunesier sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ von dem Netzwerk des Predigers Abu Walaa „zur Verübung des Anschlags in Berlin angeworben werden“, berichteten am Montag der rbb und die „Berliner Morgenpost“. Sie stützen sich auf Unterlagen des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen. Abu Walaa war bis zu seiner Festnahme im November 2016 der mutmaßliche IS-Chef in Deutschland.

Sicherheitskreise äußerten sich skeptisch. Es sei bekannt, dass Amri mit Abu Walaa und Leuten aus dessen Umfeld in Kontakt stand. Daraus könne nicht automatisch geschlossen werden, der Tunesier habe „auf Knopfdruck des IS gehandelt“, hieß es. Von einem „klaren Befehl“ wisse man nichts. Andererseits hatte Amri in Berlin vor dem Anschlag ein Video aufgenommen, in dem er sich zum „Islamischen Staat“ bekennt. Das IS-Sprachrohr Amaq veröffentlichte den Clip wenige Tage nach dem Terrorangriff.

Amri in NRW: Eine Gruppe junger Salafisten lief im Sauerland mit Gepäck kilometerweit durch einen Wald

Abu Walaa ist eine schillernde Figur. Der Iraker, dessen richtigen Namen die Bundesanwaltschaft mit Ahmad Abulaziz Abdullah A. angibt, muss sich seit September mit vier mutmaßlichen Komplizen vor dem Oberlandesgericht Celle verantworten. Die Anklage wirft der Gruppe vor, in Deutschland ein „überregionales salafistisch-dschihadistisches Netzwerk“ gebildet zu haben. Abu Walaa habe als IS-Repräsentant die zentrale Führungsposition übernommen. Ziel des Netzwerks sei es gewesen, Personen an den IS nach Syrien oder in den Irak zu vermitteln.

Der Iraker leitete in Hildesheim als Imam eine Moschee. Im März 2017 verbot Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) die Truppe. Amri soll laut Sicherheitsbehörden Ende 2015 in der Moschee gewesen sein. Der rbb berichtet unter Bezug auf Papiere des LKA Nordrhein-Westfalen, Abu Walaa habe Amri eine „dreißigminütige Privataudienz“ gewährt. In der Verbotsverfügung von Pistorius wird ein Mitglied des Moscheevereins namentlich als „Kontaktperson des Anis Amri“ erwähnt. Außerdem hielt Abu Walaa in Berlin Islam-Seminare ab. In Berlin trat der Prediger in Moabit in der Fussilet-Moschee auf. Dort war auch mehrmals Amri – zuletzt eine Stunde vor dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz. Laut Sicherheitskreisen hat ein Mitglied der Gruppe von Abu Walaa, der Deutschserbe Boban S., Amri im Dezember 2015 zu einer Wehrsportübung mitgenommen. Eine Gruppe junger Salafisten lief im Sauerland mit Gepäck kilometerweit durch einen Wald. Boban S. ist einer der Angeklagten im Verfahren in Celle.

Sicherheitsbehörden waren nach LKW-Anschlag in Nizza gewarnt

Unstreitig ist, dass Amris Todesfahrt mit einem gekaperten Truck der Propaganda des IS entspricht. Ein führendes Mitglied der Terrormiliz, der Syrer Abu Mohammed al Adnani, hatte im September 2014 die Anhänger des IS weltweit aufgerufen, mit allen vorstellbaren Mitteln die „Ungläubigen“ anzugreifen. Sicherheitskreise vermuten, Adnanis Hetze sei Amri geläufig gewesen. Dass der Tunesier einen Lkw einsetzte, könnte auch ein „Nachahmungseffekt von Nizza sein“. In der südfranzösischen Stadt war im Juli 2016 der Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel mit einem Lkw über die Promenade am Meer gerast. 86 Menschen starben, mehr als 400 wurden verletzt. Die deutschen Sicherheitsbehörden sahen schon damals eine hohe Gefahr von Nachahmertaten, da das Tatmittel einfach zu beschaffen war. Und der IS bekannte sich der Tat von Nizza.

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