zum Hauptinhalt
Open palm with white pill on the disco.

© imago images/luckaakcul

Nach Tod einer 15-Jährigen: Drug-Checking auch in Brandenburg?

Angebote zur Analyse von Inhaltsstoffen in Drogen wie in Berlin sollen bundesweit möglich werden. Die Potsdamer Einrichtung Chill Out unterstützt die Pläne.

Von Monika Wendel, dpa

Nach der großen Nachfrage in Berlin nach kostenlosen Analysen von Drogen gibt es auch in Brandenburg Befürworter des sogenannten Drug-Checking. Der neue Suchtpräventionskoordinator in der Kleinstadt Rathenow, Christoph Seide, sagte: „Wenn Jugendliche das sanktionsfrei nutzen könnten, wäre das ein wichtiges Instrument. In diese Richtung muss man denken.“ In Rathenow im Havelland war im Juni eine 15-Jährige nach Drogenkonsum im Krankenhaus gestorben. Zuvor war eine 13-jährige Schülerin im Osten Mecklenburg-Vorpommerns nach der Einnahme einer Ecstasy-Variante gestorben.

Der Sozialpädagoge Seide, der seit August dieses Jahres bei der Stadt Rathenow als Beauftragter für Suchtprävention beschäftigt ist, meinte: „Wäre die 15-Jährige zum Drug-Checking gegangen, dann hätten die gesagt, nimm es nicht, das ist verunreinigt.“ Allerdings richtet sich das Angebot für kostenlose und anonyme Drogenanalysen in Berlin an Erwachsene.

Vorfälle mit der chemischen Droge „Blue Punisher“ lösten Besorgnis aus. Zuletzt waren solche Pillen durch eine offenbar sehr hohe und gefährliche Konzentration aufgefallen.

Das 15-jährige Mädchen starb an einem Serotonin-Syndrom als Folge einer Vergiftung mit den Drogen Ecstasy und Amphetamin - das ergab nach Angaben der Staatsanwaltschaft Potsdam vom Montag das toxikologische Gutachten. Die „Märkische Allgemeine“ berichtete zuvor darüber. Bei diesem Syndrom ist zu viel von dem Nervenbotenstoff Serotonin vorhanden, was zum Beispiel zu hoher Körpertemperatur, Angst, Zittern oder Delirium führen kann. Gerade nach ihrem Tod will Seide die Präventionsarbeit zunächst an Schulen verstärken und Schulleitungen dafür gewinnen. „Das braucht viel Zeit und Kraft.“

Initiative in Brandenburg für Drug-Checking denkbar?

Auch die Einrichtung Chill Out in Potsdam - Fachstelle für Konsumkompetenz - beschäftigt sich mit der Debatte um Drug-Checking und kann sich vorstellen, für Brandenburg eine solche Initiative für kostenlose Drogentests anzustoßen. Der Verein teilte mit, er habe seinen Blick immer auf Berlin gerichtet, „da wir die Hoffnung hatten, dass ein Drug-Checking-Angebot in Berlin auch den Nahraum um Berlin mit erreichen würde“. Da das Berliner Projekt seit einigen Monaten arbeite und sich eine sehr hohe Nachfrage abzeichne, sei das Thema auch in Brandenburg derzeit wieder präsent. Man könne sich sehr gut vorstellen, einen solchen Prozess auch für Brandenburg anzustoßen, hieß es.

Das Gesundheitsministerium in Potsdam teilte mit, in Brandenburg gebe es bisher keine Initiative zur Einführung von Drug-Checking. Die Zahl der Konsumierenden sei laut Suchthilfestatistik in den vergangenen Jahren nicht gestiegen. Die Zahl der Drogentoten habe sich nach einem Anstieg in den 2010er Jahren im niedrigen zweistelligen Bereich eingepegelt.

Anstieg bei sichergestellten Mengen der Partydroge Ecstasy

Aber auch in ländlichen Regionen - abseits einer großen Club- und Partyszene - bereiten Drogen den Behörden Sorgen. „Drogen sind massiv im Umlauf“, meinte Seide. „In jedem Dorf hat man Zugang.“ Der Rathenower Jugendarbeiter André Neidt hatte der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ im August gesagt: „Sich Drogen zu beschaffen geht schneller, als eine Pizza zu bestellen.“

Die von der Polizei in Brandenburg sichergestellte Menge der Partydroge Ecstasy verdoppelte sich seit 2018 nahezu. Im vergangenen Jahr fielen den Behörden 6732 Tabletten in die Hände, 3147 mehr als vier Jahre zuvor. Bei den polizeilich registrierten Straftaten in Sachen Rauschgiftkriminalität insgesamt wies die Statistik in Brandenburg im Jahresvergleich einen Rückgang um 1309 Fälle (14,2 Prozent) auf 7884 Fälle im Jahr 2022 aus.

Landesstelle für Suchtfragen will auch mehr digitale Beratung

Auf dem Land müssen die Menschen oft lange Wege zu einer Einrichtung für Suchtberatung zurücklegen. In jedem der 14 Landkreise gebe es mindestens eine Beratungsstelle, sagte die Geschäftsführerin der brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen, Andrea Hardeling. Sie plädierte dafür, die digitale Beratung auszuweiten. Bislang bieten sieben Suchtberatungsstellen auch ein solches Online-Angebot an, 2024 sollen es mehr werden, wie Hardeling sagte.

Der Rathenower Koordinator für Suchtprävention, Seide, hofft, dass bei der finanziellen staatlichen Unterstützung für die Jugendsozialarbeit nicht gekürzt wird. Die Stadt habe nach dem Drogentod der Teenager auch die Ministerinnen und Minister der Ressorts Gesundheit, Inneres und Bildung zu einem Austausch eingeladen.

Die Pläne der Bundesregierung für eine Legalisierung von Cannabis für Erwachsene sind auch in Brandenburg umstritten. Die Geschäftsführerin der Landesstelle für Suchtfragen, Hardeling, bezeichnete diesen Weg als sinnvoll. Wie auch der Suchtpräventionskoordinator von Rathenow hält sie es für wichtig, eine Legalisierung mit Präventionsprojekten zu begleiten. Der Chefarzt der Kinderkliniken in Rathenow und Nauen, Torsten Kautzky, spricht dagegen von einer großen Gefahr, etwa wenn Cannabis als Droge gesellschaftlich „anerkannter“ würde. Er befürchte, dass eine Legalisierung von Cannabis zu einem noch leichterem Bezug auch für Jugendliche führe. Der Mediziner warnte, Cannabis-Konsum in der Jugendzeit könne Risiken für die Hirnentwicklung mit sich bringen. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false