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Alte und neue Kraft. Windräder drehen sich vor den Kühltürmen des Kraftwerks der Vattenfall Europe AG im brandenburgischen Jänschwalde.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Mit Energie

Auf dem Windkraft-Branchentag in Potsdam tritt Wirtschaftsminister Gerber auf – und provoziert mit seinen Forderungen nach mehr Ehrlichkeit beim Umgang mit Braunkohle Widerspruch

Potsdam - Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) lässt gerade die bisherige, teils überholte „Energiestrategie“ 2030 für das Land erarbeiten. Im Herbst sollen dazu die Konsultationen mit der Energiewirtschaft, Gewerkschaften und Kommunen beginnen, sagte Gerber am Donnerstag auf dem Branchentag des Windenergieverbandes in Potsdam, auf dem es um die weitere Energiepolitik zur Sache ging – etwa um den Umgang mit der klimaschädlichen Braunkohlewirtschaft im Land und das Tempo beim Bau neuer Wind- und Solarparks im Land.

Gerber forderte „mehr Ehrlichkeit“ in der Debatte. „Wir werden nicht innerhalb kurzer Zeit auf fossile Energieträger verzichten können und alle nur noch Elektroauto fahren“, sagte der Wirtschaftsminister. Derzeit stamme noch mehr als 60 Prozent des in der Bundesrepublik erzeugten Stroms aus konventionellen Energieträgern. „Es ist utopisch anzunehmen, dass kurze Zeit nach der Atomkraft gleich noch aus der Braunkohle aussteigen können.“

In seiner Rede forderte Gerber, die EEG-Umlage, nach der jeder Haushalt mit der Stromrechnung seinen Anteil an erneuerbaren Energien bezahlt, über eine Finanzierung der Energiewende komplett aus dem Bundeshaushalt zu ersetzen. Ziel sei mehr Transparenz und eine Entlastung von Geringverdienern. Gerber sprach sich für eine langfristige, systematische Energiewende aus, lehnte ein starres Datum für den Ausstieg aus der Braunkohle ab. „Wir dürfen das Schiff nicht versenken, bevor wir das sichere Ufer erreicht haben.“

Das war eine Steilvorlage für Volker Quasching, Professor für regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin , der Gerbers Aussagen – stellvertretend für die Politik in Deutschland – auseinandernahm. Und zwar als „wenig visionär, ohne Verständnis für die großen Probleme der Menschheit“, als viel zu kurz gegriffen. Genau das sei das Problem der Energiewende in Deutschland, „wir glauben nicht daran, dass wir sie schaffen“. Wenn sich aber die Erderwärmung ungebrochen wie in den letzten 100 Jahren fortsetze, die zur Hälfte auf fossile Energieerzeugung zurückgehe, werde zum Beispiel der Meeresspiegel im Worst-Case-Szenario eines Abschmelzens der beiden Pole um 60 Meter steigen. „Schon beim Anstieg um einen Meter, wären 100 Millionen Menschen an Küsten betroffen.“ Und schon 2016 habe es nach Zahlen der Vereinten Nationen 23 Millionen Klimaflüchtlinge gegeben, doppelt so viele wie Kriegsflüchtlinge. Auch das gehöre zur Ehrlichkeit, die der Minister fordere.

Und Quasching verwies ebenfalls darauf, dass etwa „auch die jüngsten Extremniederschläge in Brandenburg bereits Auswirkungen des Klimawandels“ sind. „Mehr Wasser, mehr Niederschläge. Das ist einfache Physik.“ Um bis 2040 die Kohlendioxidemmissionen auf Null zu senken, sei konsequentere Politik nötig. Stattdessen verfolge es bislang keine Partei im Bundestag, „auch nicht die Grünen“, ernsthaft, das Pariser Klimaabkommen in Deutschland zu erfüllen. Andere Staaten machten hingegen vor, was alles möglich sei. So würden in Norwegen keine neuen Ölheizungen mehr zugelassen werden, „bei uns werden sie in Bayern noch gefördert“.

Schweden etwa bereite die Elektrifizierung seiner Autobahnen mit Oberleitungen vor, in anderen Ländern werde ein Verbot des Verkaufs von Benzin und Dieselautos ab 2025 diskutiert. Es könne längst bei Neubauten eine Pflicht für Solardächer geben. Vor allem aber forderte Quasching einen zügigen sozialverträglich begleiteten Ausstieg aus der Braunkohle. „Der Ausstieg muss zwischen 2025 und 2030 abgeschlossen sein“, sagte er. Doch stattdessen hänge man in Deutschland, das mehr Braunkohle fördere als China, an der Braunkohle wie ein Süchtiger an der Flasche.

Vor solchen Schwarz-Weiß-Konfrontationen wiederum warnte Jan Hinrich Glahr, der Landeschef des Bundesverbandes der Windenergiewirtschaft. Er verwies darauf, dass die Erneuerbaren in Brandenburg inzwischen 17 350 direkte und indirekte Jobs sichern würden. „Wir sind inzwischen bei den Erneuerbaren in Brandenburg damit ganz klar auf Augenhöhe mit der Braunkohle“, sagte er. Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien, für den das Tempo verdreifacht werden müsse, sei nur in enger Kooperation mit den Kommunen möglich, „sonst gibt es keine Akzeptanz vor Ort“.

Aus Sicht von Glahr ist in den nächsten Jahren ein Miteinander von Energieerzeugung aus Kohle und Erneuerbaren unverzichtbar. „Wir wissen in Brandenburg, dass Energiewende nicht funktionieren kann, wenn man die Leute in der Lausitz einfach nach Hause schickt“, sagte Glahr. „Aber sie funktioniert auch nicht, wenn man in der Lausitz die Hoffnung schürt, dass es ewig so weitergeht.“

Die energiepolitische Sprecherin der Grüne-Fraktion im Landtag, Heide Schinowsky, sagte, ohne schrittweisen Ausstieg aus der Kohle seien Deutschlands Klimaschutzziele nicht zu halten. „Die Politik müsse den Ausstieg nun zügig, solide und vor allem im Dialog mit den betroffenen Regionen auf den Weg bringen. „Statt hierfür Pläne zu schmieden, steht Gerber jedoch mit beiden Füßen auf der Bremse.“

nbsp;Thorsten Metzner

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