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Kampf ums Geld beim Fest. Brandenburger Polizisten demonstrierten am Rande des Sommerfests der Landesregierung für die Nachzahlungen. 

© Sebastian Gabsch

Gewerkschaften in Brandenburg erzielen Durchbruch: Mehr Geld für Polizisten und Lehrer - Ausstiegsprämlen für Forstleute

Die Gewerkschaften haben sich durchgesetzt, Brandenburgs Landesregierung hat sich mit ihnen in der Nacht zu Mittwoch auf ein breites und teures Umbaupaket geeinigt. Berufseinsteiger bei Polizei und an Schulen bekommen mehr Geld. Forstleuten wird der Ausstieg mit Prämien und Altersteilzeit versüßt. Und das ist noch nicht alles.

In der Nacht zu Mittwoch haben sich Gewerkschaften und Landesregierung nach mehrmonatigen Verhandlungen auf ein weitreichendes Tarif-Paket geeinigt, um den Landesdienst in einigen Bereichen attraktiver zu machen und um den Umbau der Landesverwaltung voranzutreiben. Dabei hat die Landesregierung - konkret Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD), Finanzminister Christian Görke (Linke) - den Forderungen der Gewerkschaften in den meisten Punkten nachgegeben. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte die Regierung im Frühjahr und Sommer mit massiven Protesten überzogen, die Lehrer-Gewerkschaft GEW konnte intern Druck aufbauen. Auf Brandenburg kommen mit der Einigung in den kommenden Jahren neue Millionensummen zu. Die Landesregierung will damit die Ausgangslage Brandenburgs bei der Konkurrenz um Fachkräfte in allen Bereichen verbessern. Nach Angaben von Görke belaufen sich die Kosten für das Land ab 2019 für das Gesamtpaket auf jährlich zusätzlich 40 Millionen Euro.

Bis zum 20. Dezember haben alle Beteiligten - Gewerkschaften und Regierung - Zeit, die erzielte Tarifvereinbarung anzunehmen. Die insgesamt 52 Seiten umfassenden Kompromisspapiere zum neuen Tarif für den Umbau der Landesverwaltung sowie zu besseren Besoldung bei Polizei und an Schulen liegen den PNN exklusiv vor. Die gesamten Dokumente finden Sie am Ende des Beitrags als Download, die Ergebnisse im Überblick hier: 

  • Bereitschaftspolizisten sollen ab 1. Januar 2018 - möglicherweise auf rückwirkend - eine Zulage von 60 Euro pro Monat als Erschwerniszulage erhalten. Grund dafür dürfte die gestiegene Belastung für die Beamten in den vier Hundertschaften sein: Die Zahl der Einsätze war in den vergangenen Jahren massiv gestiegen - durch Unterstützung im Kampf gegen Grenz- und Einbruchskriminalität, durch vermehrte rechte Demonstrationen und Gegenproteste in der Flüchtlingsfrage sowie wegen der gestiegenen Terrorgefahr. 
  • Für Polizeibeamte sollen zum 1. Januar die Voraussetzungen für die Wiedereinführung der freien Heilfürsorge - eine Krankenversicherung auf Staatskosten - geschaffen werden.
  • Innenminister Schröter will zeitnah ein Fernstudium an der Fachhochschule der Polizei einführen, damit Beamte darüber ihre Chancen für den Aufstieg in den gehobenen verbessern können.
  • Polizisten und Justizvollzugsbeamte im mittleren Dienst sollen besser bezahlt werden. Das sogenannte Eingangsamt, in dem viele Beamte nach dem Einstieg ohne Beförderung verharren, soll in der Besoldung von Stufe A7 auf A8 heraufgestuft werden.  Das sind im Monat zwischen 70 und 180 Euro mehr.
  • 3.322 Grundschullehrer sollen ab 1. Januar 2019 um eine Besoldunsstufe besser bezahlt werden. Statt A12 sollen sie künftig nach der Stufe A13 bezahlt werden. Das macht pro Monat rund 400 Euro aus.
  • Auch Lehrer mit DDR-Abschluss sollen zum 1. Januar 2019 mehr Geld bekommen. Zunächst werden sie von Besoldungsstuft A11 auf A12 angehoben. Das macht ebenfalls zwischen 250 und 400 Euro pro Monat mehr. Nach eine Bewährungszeit soll zum August  2020 eine Beförderungsmöglichkeit von A12 auf A13 geschaffen werden - was wieder rund 400 Euro mehr ausmacht. Innen- und Finanzministerium erklärten: "Brandenburg wird damit neben Berlin zum Vorreiter bei der Einstufung der Grundschullehrerinnen und -lehrer. Außerdem werden nun auch Lehrerinnen und Lehrer, die in der DDR an Pädagogischen Hochschulen ihren Beruf erlernten, angemessener besoldet." Finanzminister Görke wies darauf hin, dass bereits zum 1. August 5.866 Lehrer für Sekundarstufe I nach A 13 besoldet werden sowie 736 Leitungsposten an Grundschulen und der Primarstufenleitungen an Gesamt- und Oberschulen angehoben wurden.
  • Um einen fachgerechten und qualitativ hochwertigen Unterricht sicherzustellen, wurden Leitlinien für eine fachgerechte Qualifizierung der Seiteneinsteiger und Lehrkräfte vereinbart. Für Seiteneinsteiger an den Schulen sollen künftig auf 15 Monate befristete Verträge bekommen. Bevor sie Unterricht geben und auf die Schüler losgelassen werden, sollen sie einen dreimonatige Grundkurs und danach weitere Fortbildungen absolvieren. Wer diese erfüllt und wem vom Schulamt bescheinigt wird, sich bewährt zu haben, dessen Stelle wird nach 15 Monaten entfristet. Jede Schule wird pro Seiteneinsteiger ein zusätzliche Unterrichtsstunde zugeteilt. Zudem soll es ein Programm geben, um bereits unbefristete beschäftigte Seiteneinsteiger gestreckt über fünf Jahre auszubilden und fit für den sogenannten Vorbereitungsdienst zu machen.
  • Um die Digitalisierung der Landesverwaltung zu stemmen, sollen 50 zusätzliche Vollzeitstellen geschaffen werden.
  • Die Landesregierung will die hohe Zahl befristeter Stellen deutsch senken. Bereits mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 soll der Anteil um ein Drittel abnehmen. Die Gewerkschaft Verdi hatte zuletzt Anfang November die hohe Zahl befristeter Stellen in Brandenburgs Landesverwaltung kritisiert. Auch intern gibt es daran seit Jahren Kritik, weil der hohe Anteil solch fragiler Beschäftigungsverhältnisse nicht den politischen Leitlinien der Regierungsparteien SPD und Linke entspricht. Von 13658 Angestellten der Landesverwaltung haben laut Verdi derzeit fast 1400 nur befristete Verträge. Das sind immerhin 10 Prozent. Vor sieben Jahren, also kurz nach dem Start der ersten rot-roten Landesregierung, lag der Anteil noch bei 5,4 Prozent. „Für eine rote-rote Landesregierung, die für mehr Gerechtigkeit angetreten ist und das auch in Sonntagsreden immer beschwört, ist das ein Armutszeugnis“, hatte Gewerkschaftssekretärin Katja Boll Anfang November erklärt. Offenbar seien für zusätzliche Stellen bei Polizei und bei Lehrern Stellen in der Verwaltung eingespart und durch prekäre Arbeitsverhältnisse ersetzt worden.
  • Zudem vereinbarten Landesregierung und Gewerkschaften ein weitreichendes Programm, falls Landesbedienstete beim Umbau der Landesverwaltung neue Jobs annehmen müssen. 
  • Das Land will alle Kosten für Qualifizierungen - Fortbildung, Studium, Prüfungsgebühren, Fahrtkosten, Verpflegung - übernehmen. Je nach Dauer der Qualifizierung von 1 bis 5 Jahren  gibt es Basisprämien für das Bestehen der Abschlussprüfung in Höhe von 400 bis 1200 Euro. Wer besonders gut abschneidet bekommt noch eine Anerkennungsprämie zwischen 500 und 1750 Euro. Wer sich weiterbildet, neue Abschlüsse macht, für den gibt es fünf Jahre Kündigungsschutz bis maximal Ende 2027. Im Gegenzug sind die Mitarbeiter verpflichtet, für die Dauer der Qualifizierung, längstens fünf Jahre, weiter für das Land zu arbeiten. Ansonsten müssen sie die Kosten zurückzahlen.
  • Daneben soll es - zusätzlich zum Trennungsgeld - Mobilitätsprämien geben für Mitarbeiter, die einen neuen Job an einem anderen Ort bekommen. Vorgesehen sind fünf Stufen: Wer 10 bis 20 Kilometer mehr zur neuen Dienststelle fahren muss, bekommt einmalig für 18 Monate 450 Euro. Bis 30 Kilometer sind es 900 Euro, bis 50 Kilometer 1500 Euro, bis 70 Kilometer 1725, darüber hinaus sind es 2250 Euro.
  • Wer keinen gleichwertigen Job bekommt, behält aber seine bisherige Gehaltsstufe. Wer fünf Jahre im Landesdienst war, ist 8 Monate lange vor Rückstufung abgesichert, bei zehn Jahren sind es 16 Monate, bei mehr als zehn Jahren sind es 24 Monate, also zwei Jahre Schutz vor einer geringeren Gehaltsstufe. Danach sollen dann sogenannte Besitzstandszulagen die Verluste abfedern.
  • Während des Umbaus der Landesverwaltung soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben - nur, wenn Landesmitarbeiter zumutbare Ersatzjobs oder Qualitfzierungen nicht annehmen. 
  • Wer 60 Jahre alt ist und 15 Jahre im Landesdienst war, für den aber kein Ersatzposten gefunden wurde, kann sich vorzeitig zur Ruhe setzen: Er bekommt dann 72 Prozent seiner bisherigen Bezüge bis er Rentner wird. 
  • Wer vorzeitig in Rente geht, für den zahlt das Land einen Ausgleich, damit die Rente nicht geringer ausfällt.
  • Für 350 Waldarbeiter des Landesbetriebs Forst wurde eine Altersteilzeitregelung ab Anfang 2018 vereinbart, um das sozial verträgliche Ausscheiden der Beschäftigten abzusichern. Damit soll die Belegschaft der Forst schrittweise verjüngt werden.  
  • Bei der Forst will das Land sogar Abfindungen von bis zu 50000 Euro für jene zahlen, die freiwillig gehen. Die Summe richtet sich nach dem bisherigen Bezüge und der Beschäftigungszeit beim Land. Wer sich schnell entscheidet und bis Ende 2018 mit dem Land einen Auflösungsvertrag schließt, bekommt 10000 Euro oben drauf. Maximal sind also 60 000 Euro Abfindung möglich
  • Zugleich sollen 18 Stellen - davon 10 Waldarbeiter - beim Landesbetrieb Forst neu geschaffen werden, um das Forstpersonal zu verjüngen. Für die Forst werden spezielle Regeln für Altersteilzeit ab 60 Jahren geschaffen. 
  • Vereinbart wurde ein Maßnahmenpaket, das ein Gesundheitsmanagement (Rahmenkodex „Gute Arbeit“) für alle Beschäftigten des Landes bis hin zu spezifischen Verbesserungen für einzelne Berufsgruppen beinhaltet. Das kostet jährlich rund drei Millionen Euro ab 2019.

Fest steht: Die Gewerkschaften konnten zahlreiche Forderungen durchsetzen. Die Landesregierung packt nun den Umbau bei der Forst an und sorgt zugleich für bessere Bedingungen bei Lehrern und Polizisten. Denn der Konkurrenzdruck unter den Bundesländern steigt, der Fachkräftemangel schlägt in allen Bereichen durch. 

Innenminister Schröter hob die Bedeutung der Einigung für den öffentlichen Dienst im Land Brandenburg hervor: „Die Verhandlungen waren lang, die Partner haben engagiert verhandelt. Wichtig ist, dass das geschnürte Paket die Bedingungen für die Beschäftigten spürbar verbessern wird. Das betrifft die Polizei genauso wie den Primarschulbereich, die Justiz und den Landesbetrieb Forst. Im Ergebnis wird die Attraktivität des öffentlichen Dienstes im Land Brandenburg - auch im Vergleich zu anderen Bundesländern - weiter erhöht.“

Finanzminister Christian Görke erklärte zu den Kosten: „Diese zusätzlichen Millionenausgaben sind gerechtfertigt vor dem Hintergrund, dass Brandenburg auch in Zukunft einen leistungsfähigen und serviceorientierten öffentlichen Dienst benötigt, um die positive Entwicklung des Landes fortzusetzen. In der Vergangenheit hatten vor allem die Kolleginnen und Kollegen, insbesondere die Beamteninnen und Beamten sowie die Richterinnen und Richter ihren Beitrag zu den Sparanstrengungen leisten müssen. Diese Landesregierung wird diese Entwicklung umkehren und hat bereits in diesem Jahr nicht nur den Tarifabschluss für die Tarifbeschäftigten der Länder eins zu eins übernommen, sondern die Besoldung zusätzlich um 0,5 Prozent erhöht."

Die Dokumente zur Tarifeinigung und zur höheren Attraktivtät des öffentlichen Dienstes bestehen aus zwei Konvoluten, die Sie hier und hier im Download als pdf-Dateien finden.

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