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Alles Gute für den Heimweg? Wie denn, wenn kein Bus kommt! Für viele Lollapalooza-Besucher wurden die Stunden nach dem Konzert zur Qual.

© Kaläne/dpa

Brandenburg: Lollapachaos

Die Rückfahrt vom Lollapalooza-Festivals aus Hoppegarten wurde für viele Festivalbesucher zur Odyssee

Am Ende des ersten Tages war der Ärger bei vielen Besuchern des Lollapalooza-Festivals groß. Drei Stunden oder länger, so schreiben viele auf Facebook und Twitter, hätten sie vom Gelände bis ins Berliner Stadtzentrum gebraucht – der Transport mit S-Bahnen und Shuttlebussen sei völlig unzureichend und chaotisch gewesen. Im Gedränge der Wartenden erlitten mehrere Menschen Kreislaufzusammenbrüche, insgesamt 40 mussten nach Polizeiangaben medizinisch versorgt oder in Krankenhäuser gebracht werden. Schon die Organisation der Anfahrt war kritisiert worden.

„Wir wussten, dass es eine Herausforderung wird“, sagt Lollapalooza-Sprecher Tommy Nick über die Situation in der Nacht zum Sonntag. „Und wir haben versucht, die Besucher zu sensibilisieren.“ Am Samstagnachmittag wurde über LED-Bildschirme und die sozialen Netzwerke informiert, dass es ab 22.30 zu Wartezeiten kommen könnte. Bezüglich der Verletzten und der vielen Fälle von Kreislaufzusammenbrüchen sagte Nick, dass dies „bei Events dieser Größe“ immer wieder passiere. „Da sind manche dehydriert und waren den ganzen Tag auf den Beinen.“

Bereits nach dem Headliner-Konzert von Mumford & Sons drängten viele um 22.30 Uhr zur S-Bahn, die letzte Band spielte bis 23.30 Uhr. Die Polizei sperrte den Bahnhof Hoppegarten gegen Mitternacht wegen des großen Andrangs ab. „Bahnsteig und Züge waren extrem voll“, sagte Polizeisprecher Thorsten Peters. Bis etwa zwei Uhr früh sei der Zugang zum Bahnsteig nur geöffnet worden, wenn eine S-Bahn bereitstand. Sonst wäre das Risiko zu groß gewesen, dass Menschen durch das Gedränge in die Gleise stürzen. In der Spitze hätten auf dem Vorplatz 5000 Festivalgänger auf die Heimreise gewartet, schätzt die Bundespolizei. „Gegen zwei Uhr entspannte sich die Lage“, sagte Peters.

Nach seinen Angaben sind am Samstag über den Tag verteilt 59 000 Menschen mit der S-Bahn zum Festival gereist. Bei der Abreise wurden 22 000 in Richtung Berlin gezählt und 3000 in Richtung Strausberg. Der Rest habe sich andere Wege für die Rückfahrt gesucht, nachdem die Veranstalter durchgesagt hatten, dass die S-Bahnen überfüllt seien.

Doch warum strömten überhaupt so viele Menschen zum S-Bahnhof, obwohl der Veranstalter nach eigenen Angaben rund 200 Reisebusse zum Rücktransport nach Berlin bestellt hatte? „Der Shuttleservice vom Festivalgelände in Richtung Berlin hat nicht so funktioniert wie geplant“, sagt Hoppegartens Bürgermeister Karsten Knobbe (Die Linke). Er war bis drei Uhr früh in der Koordinationsstelle des Festivals, bekam die Pannen also unmittelbar mit. Der Einstieg in die Busse und deren Abfahrt hätten sich extrem verzögert, ursprünglich sollten zwischen 21 und 24 Uhr alle 45 Sekunden Busse rollen. „Das war unzureichend koordiniert.“ Zu viele Menschen seien zeitgleich zu den Bussen gedrängt. Und kam ein Bus endlich los, dann musste der Fahrer ständig bremsen, weil ihm Festivalgäste entgegenkamen. Kein Ordner hielt sie fern.“

Und warum gab es keine höhere Taktung der S-Bahn in der Nacht? „Das haben wir vorab mehrfach beantragt“, sagt Festivalsprecher Tommy Nick. „Die Bahn hat das mit der Begründung abgelehnt, es gebe nicht genügend Personal.“ Das wollte ein Bahnsprecher am Samstag nicht bestätigen. Er sagte, dass mit dem Veranstalter eine Taktverdichtung von zwanzig auf zehn Minuten vereinbart worden sei. Der letzte Zug in diesem Takt sei um 0.39 Uhr in Hoppegarten abgefahren – zu einer Zeit also, als es dort besonders voll war. Wieso nicht spontan der Zehn-Minuten-Takt bis in die Nacht verlängert worden sei, konnte der Bahnsprecher nicht sagen.

Die Züge seien am Abend sowieso nur abgefahren, wenn die Bundespolizei die Freigabe erteilte. Problematisch sei gewesen, dass viele Züge schon voll in Hoppegarten angekommen seien – in Neuenhagen fand ein Oktoberfest statt. In Absprache mit dem Veranstalter seien Züge mit acht Wagen gefahren, sonst werden dort nur vier oder sechs Wagen eingesetzt.

BVG-Sprecherin Petra Reetz sagte, dass der Veranstalter keine zusätzlichen Fahrten bei der U-Bahn bestellen – und damit bezahlen – wollte. Spontan habe die BVG am Sonnabend zwei zusätzliche Züge auf der U5 eingesetzt. Der Bahnhof Elsterwerdaer Platz, zu dem auch Shuttlebusse fuhren, sei zwar sehr voll gewesen, „man kam aber weg“, sagte Reetz. Wie es bei der BVG weiter hieß, habe der Veranstalter es abgelehnt, die Eintrittskarten mit einem VBB-Ticket zu kombinieren. Dies ist bei großen Konzerten sonst üblich.

Aus Sicht von Daniel Buchholz (SPD), Verkehrsausschuss-Mitglied des Abgeordnetenhauses, macht das Debakel klar, „dass solche Mega-Events doch besser in die Stadt gehören“. Das Olympiastadion, das Maifeld oder das Tempelhofer Feld seien einfach „erheblich günstiger verkehrsmäßig angebunden“. Sollte das wegen Anwohnerklagen nicht möglich sein, so müsse Berlin fähig sein, Festivals „am Stadtrand gut hin zu bekommen“. Buchholz: „Dann müssen sich die Veranstalter und Behörden eben entsprechend anstrengen. Ein Chaos wie in Hoppegarten ist für die Stadt doch extrem peinlich.“

Die Festivalmacher entschuldigten sich am Sonntag im Netz bei den Besuchern. Man wollte versuchen, die Situation am zweiten Festivaltag besser zu organisieren, etwa mit deutlicheren Informationen auf dem Gelände. Laut Nick sollten etwa mehr Busse eingesetzt werden. Und die waren auch sicher nötig, denn die letzte S-Bahn fährt in der Nacht zu Montag planmäßig um 0.39 Uhr von Hoppegarten, die letzte U5 vom Elsterwerdaer Platz um 0.40 Uhr. Danach war Schluss.

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