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Leere Halle, offene Fragen. Die Investruine der Human BioSciences GmbH im Technologie- und Gründerzentrum in Luckenwalde im Jahr 2014.

© Bernd Settnik/dpa

Fördergeldaffäre in Brandenburg: Licht in der Blackbox

Das Finanzministerium muss dem Rundfunk Berlin-Brandenburg Auskünfte geben. Es geht um einen Fördermittelskandal und möglichen Ärger mit der EU.

Berlin/Potsdam - Das brandenburgische Finanzministerium muss dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), konkret dem Politik-Magazin "Klartext", einzelne Auskünfte aus ihrem für die EU erstellten Prüfbericht zur Luckenwalder Fördermittelskandal-Firma Human Biosciences (HBS) aus dem Jahr 2012 erteilen. Das entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg am gestrigen Freitag als zweite Instanz. Das Verfahren vor dem sechsten Senat verrät viel über den Umgang der Landesregierung mit dem auch am eigenen Versagen gescheiterten Projekt.

Worum geht es?

Im Jahr 2012 prüfte das Finanzministerium die inzwischen insolvente Firma HBS – aus dem dabei entstandenen 32 Seiten und einige Anlagen starken Prüfbericht will der RBB einzelne Auskünfte erhalten. Das Unternehmen HBS wollte seit 2005 angeblich eine Fabrik für neuartige Wundpflaster in Luckenwalde errichten. Im Oktober 2008 bewilligte die Förderbank ILB dafür rund 13,5 Millionen Euro Fördergelder. Insgesamt kamen 6,5 Millionen Euro von der ILB bei der HBS an, das Finanzamt Luckenwalde bewilligte zudem etwa 4,6 Millionen Euro als Investitionszulage. Angeblich wurden 36 Industriekühltrockner gekauft – die kamen nie an. Die ILB zahlte sogar 2012 noch eine Tranche in Millionenhöhe aus, obwohl nur zwei der Trockner bei der HBS angekommen waren und Zweifel bestanden. Wenig später war das Unternehmen pleite. Die Fabrik wurde gebaut, sie steht noch heute da als Investitionsruine. Die Fördergelder landeten über ein Firmengeflecht und fingierte Rechnungen in Übersee.

Was fordert der RBB?

Der Sender wollte Auskunft über die im Prüfbericht genannte Zahl der bei der HBS gefundenen Gefriertrockner, zu den im Prüfbericht dazu vorhandenen Rechnungen sowie zu den die Trockner betreffenden Kontoauszügen. In der ersten Instanz war der Sender gescheitert – das Verwaltungsgericht Potsdam hatte eine Beeinträchtigung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen für möglich gehalten. Als die Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren abgeschlossen hatte, ließ das OVG die Berufung zu.

Warum stellte sich das Finanzministerium bei diesen einfachen Fragen quer?

Rechtlich berief es sich auf alle möglichen, weiteren laufenden Verfahren, deren Durchführung vereitelt werden könnte – unter anderem auf den im März 2017 anstehenden Finanzabschluss gegenüber der EU-Kommission, das Rückforderungsverfahren gegen die insolvente Firma und das vermutlich mehrere Jahre dauernde Insolvenzverfahren. Außerdem sei der Prüfbericht von der EU-Kommission als „confidential“ – vertraulich – gekennzeichnet worden. Auch die privaten Interessen der HBS und der Rechnungssteller wurden angeführt.

Worum geht es wirklich?

Das wollten die Richter auch wissen, nachdem sie klar darauf hingewiesen hatten, dass eine konkrete Gefährdungslage von einigem Gewicht bei jeder einzelnen Auskunft vorgetragen werden muss – und dies trotz vieler Schriftsätze nicht erfolgt sei. Welches Verfahren durch welche Auskunft konkret betroffen sei, sei nicht klar, sagten die Richter, insbesondere weil viele Angaben sich bereits im Urteil des Landgerichts Potsdam vom März 2015 gegen zwei HBS-Manager wiederfinden, die wegen schweren Betrugs und schweren Subventionsbetrugs Haftstrafen bekamen. Das Gericht hatte fehlende Kontrollmechanismen bei der ILB festgestellt.

Was findet das Ministerium gefährlich?

Die beiden Ministeriums-Mitarbeiterinnen antworteten fast hartnäckig an den konkreten Fragen der Richter vorbei. Die Gefahr durch die Preisgabe der Zahl der Trockner und der Rechnungen sehen sie darin, dass die folgende Berichterstattung in den Medien das Verhalten des Wirtschaftsministeriums beeinflussen könnte, Gelder bei der EU-Kommission anzumelden. Offenbar geht es darum, wer die Fördermittel für den Betrugsfall letztlich bezahlt – das Land oder die EU. Damit der Betrag aus dem Efre-Förderprogramm, der vor Gericht nicht genannt wurde, nicht am Land hängenbleibt, müsse man alles unternommen haben, um das Geld zurückzubekommen, betonten die beiden Mitarbeiterinnen. Die Berichterstattung in dieser Sache werde bei der EU sehr genau verfolgt. Man wolle nicht den falschen Eindruck erwecken, dass man keine zuverlässigen Kontrollen installiert habe; Punkte, die zu Nachfragen im Rahmen des Finanzabschlusses für die Förderperiode führen, wolle man auf ein Minimum reduzieren.

Was meinten die Kläger?

RBB-Anwalt Klaus Tim Bröker betonte, dass die Prüftätigkeit im öffentlichen Interesse liege. Er könne nicht erkennen, dass der Bericht komplett eine Blackbox sein soll. Man habe den Eindruck, es gehe hier um hochgeheime Verhandlungen zwischen Iran und Israel. Die Argumentation des Finanzministeriums gipfele darin, dass das private Interesse des Betrugsvehikels über den Auskunftsanspruch gestellt werde. Er frage sich: Ist das eine deutsche Behörde, kommt das aus dem Land Brandenburg?

Wie entschied das Gericht?

Das Finanzministerium muss über Trocknerzahl und entsprechende Rechnungen Auskunft erteilen, allerdings nicht die dort enthaltenen Kontoverbindungen mitteilen. Eine konkrete Gefährdungslage habe das Ministerium nicht dargelegt, begründete der Vorsitzende Richter Nicolai Panzer kurz mündlich die Entscheidung. Das Ministerium habe lediglich den Einfluss einer Entscheidung durch die Berichterstattung befürchtet. Das begründe kein Auskunftsverweigerungsrecht. Eine mögliche EU-Geheimhaltung schlage außerdem nicht automatisch auf das deutsche Recht durch.

Was war noch bemerkenswert?

Ursprünglich hatte der RBB auch Auskunft über die Firmen-Kontoauszüge die Geräte betreffend gefordert. Mehr als zwei Jahre danach, im OVG-Verfahren, erklärte das Finanzministerium, dass Kontoauszüge mit Bezug zu den Gefriertrocknern im Original nicht vorgelegen und deshalb nicht Teil des Prüfberichtes waren. Rechtlich gesehen war der Anspruch damit wegen Unmöglichkeit erledigt – aus politischer Sicht bleibt die Frage, wie die EU-Kommission darauf reagiert hat.

Und was geschah mit den Betrügern?

Ihre Revisionen wurden vom Bundesgerichtshof bereits im März 2016 wegen offensichtlicher Unbegründetheit verworfen.  

Ingmar Höfgen

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