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Böse Überraschung. Die Nachricht vom geplanten Stellenabbau erreichte die Mitarbeiter im Hennigsdorfer Bombardier-Werk kurz vor Weihnachten. Im Landtag gibt es nun Streit über die Frage, ob die Landesregierung erste Hinweise verschlafen hat.

© Bernd Settnik/dpa

Abbau von 500 Jobs in Hennigsdorf: Landespolitik und Bombardier: „Möglicherweise Druck machen“

Der drohende Abbau von 500 Jobs bei Bombardier in Hennigsdorf trifft die Mitarbeiter kurz vor Weihnachten hart. Die Politik will kämpfen – doch ihr Einfluss ist begrenzt. Offenbar fehlt der Draht zur Konzernführung

Hennigsdorf/Potsdam - Der  drohende Verlusts von rund 500 Arbeitsplätzen bei Bombardier in Hennigsdorf (Oberhavel) hat Politik und Beschäftigte vor Ort und im Land aufgeschreckt. Es drohe das Ende einer 100-jährigen Tradition der Produktion von Schienenfahrzeugen, erklärte Hennigsdorfs Bürgermeister Andreas Schulz (SPD) am Dienstag. „Dies wäre eine Katastrophe für den Standort, die Region und vor allem die hier arbeitenden Menschen“, sagte Schulz.

Bombardier wollte die Angaben des Betriebsrats auch am Dienstag nicht bestätigen. Man werde sich in den nächsten Wochen äußern, sagte ein Unternehmenssprecher. Der Konzern mit Sitz in Kanada hatte im Oktober angekündigt, bis Ende 2018 in Produktion und Verwaltung weltweit rund 7500 Stellen zu streichen, davon etwa 5000 im Bahnsektor. Noch nicht mitgeteilt wurde, welche Standorte betroffen sind.

Das Ende des Waggonbaus in Hennigsdorf 

Der Betriebsrat beruft sich bei seiner Schätzung zum Wegfall von 500 Jobs allein in Hennigsdorf auf Angaben der Werksleitung. Demnach soll die Serienproduktion von Zügen Ende 2018 auslaufen, der Wagenkastenrohbau und eine Produktionshalle sollen geschlossen werden. Und in diesen Bereichen sind 500 Mitarbeiter beschäftigt. In Hennigsdorf sollen nur noch die Bereiche Entwicklung, Konstruktion und der Bau von Prototypen bleiben. Aber selbst davon würden Teile in Billiglohn-Länder verlagert, hieß es. Nach Ansicht des Betriebsrats wäre der Standort damit nicht überlebensfähig, ihm stünde ein Sterben auf Raten bevor.

Der Konzern selbst will nach PNN-Informationen erst Mitte kommender Woche genaue Zahlen nennen. Ende diese Woche trifft sich der Aufsichtsrat der Bahnsparte in Berlin. Ausgerechnet kurz vor Weihnachten würden dann die betroffene Mitarbeiter über den Stellenabbau informiert.

Wirtschaftsminister Gerber: Bombardier hat sich nicht bei mir gemeldet

Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) erklärte, er wolle gemeinsam mit dem Berliner Senat eine Lösung suchen. „Möglicherweise werden wir Druck machen“, sagte er in Potsdam. „Uns kommt es darauf an, Arbeitsplätze zu erhalten.“ Bombardier sei einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region, etwa die Hälfte der Belegschaft in dem Betrieb kommt aus Berlin. Arbeitsplätze und die Fachkräfte, die einmal verschwunden sind, kämen nicht wieder zurück, sagte Gerber.

Zudem warnte der Minister vor den langfristigen Folgen: „Es ist wichtig, ausgebildete und motivierte Leute zu haben. Das ist eine Frage der mittel- und langfristigen Unternehmensphilosophie, wie sie mit ihrem höchsten Gut, den Mitarbeitern, umgehen. Die stehen ja nicht Schlange." Auf die Frage, ob sich Bombardier-Manager bereits bei ihm gemeldet habe, erklärt der Minister den PNN: „Nein, aber ich mich bei ihnen.“ Bislang lägen der Landesregierung noch keine konkreten Aussagen zu Stellenstreichungen vor.

CDU wirft Gerber vor, nicht genug getan zu haben

Die Linksfraktion forderte das Unternehmen auf, ernsthaft die vom Land angebotenen Fördermöglichkeiten zu prüfen. „Ich teile die Befürchtungen des Betriebsrats, dass die Entscheidung von Bombardier der Einstieg in den Ausstieg des Bahnstandortes Hennigsdorf ist“, sagte der Arbeitsmarktexperte der Fraktion, Andreas Bernig. Die CDU-Fraktion warf der Landesregierung vor, zu wenig für den Bahnstandort getan zu haben. „Die Probleme sind seit langem bekannt. Statt warmer Worte und Untätigkeit hätte es von Anfang an klarer Signale des Wirtschaftsministers bedurft“, sagte der Abgeordnete Frank Bommert, der CDU-Kreischef in Oberhavel ist. „Wir hatten sogar einen Brief an den Ministerpräsidenten geschrieben und auf die Probleme hingewiesen. Leider gab es bis heute keine Antwort oder eine entsprechende Reaktion darauf.“

Wirtschaftsminister Gerber wies die Vorwürfe scharf zurück. „Herr Bommert lügt, dass sich die Balken biegen“, sagte Gerber. Er werde sich am Mittwoch umfassend im Wirtschaftsausschuss im Landtag dazu äußern, „was die Landesregierung für den Bahnstandort Hennigsdorf getan hat und tut“.

Brandenburgs Landesregierung fehlt der Ansprechpartner 

Wie weit die Einflussmöglichkeiten der Landesregierung allerdings reichen ist fraglich. Wirtschaftsminister Gerber selbst erklärte das Land habe dem Unternehmen bereits nach der ersten Ankündigung zur Umstrukturierung und zum Jobabbau im Frühjahr Unterstützung angeboten, um den Standort Hennigsdorf zu sichern. „Wir haben Fördermöglichkeiten in verschiedenen Bereichen aufgezeigt“, sagte Gerber. Doch mit seinem Lockmittel, nämlich Fördergeld, drang Gerber offenbar nicht bei der Konzernführung in Kanada durch und musste sich mit den örtlichen Unternehmensvertretern, die bei der Umstrukturierung wenig zu entscheiden haben, begnügen. Gerbers Amtsvorgänger im Wirtschaftsministerium, der heutige Linksfraktionschef im Landtag, Ralf Christoffers, beschrieb, wie es lief: "Ein Gesprächsangebot kann nur dann Wirkung zeigen, wenn es auch angenommen wird."

Von der IG Metall in Hennigsdorf hieß es, die Kontaktaufnahme zu verantwortlichen Entscheidungsträger sei nicht einfach. Die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Oranienburg/Potsdam sagte: „Es ist schwierig, unter solchen Voraussetzungen überhaupt einen Ansprechpartner zu finden, der Verantwortung übernimmt und hat.“ Durch stete Umstrukturierungen beim Bombardier geben es ständige Wechsel in der Zuständigkeit. Es gebe niemanden mit Verantwortung, mit dem die Gewerkschaft durchgängig strategisch arbeiten könne. Für die betroffenen Familien der 500 Beschäftigen im Waggonbau sei die akute Ungewissheit kurz vor Weihnachten in einem Jahr der wachsenden Job-Unsicherheit furchtbar.

Bombardier Transportation hatte bereits im Frühjahr begonnen, 1430 von damals knapp 10 000 Arbeitsplätzen abzubauen. In Hennigsdorf sollten 270 der 2800 Mitarbeiter gehen. Der Betriebsrat geht davon aus, dass diese 270 Stellen bis zum Jahresende ohne Entlassungen abgebaut sein werden. Durch das Aus für den Wagonbau käme der Abbau weiterer 500 Jobs hinzu

Bürgermeister Schulz sagte, die schlimmen Befürchtungen vom Frühjahr würden sich nun in zynischer Weise zu Weihnachten bewahrheiten. „Bombardier steht in der Pflicht, endlich Klartext über die Perspektive von Arbeitsplätzen und die weitere Entwicklung am Standort zu reden.“ 

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