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Brandenburg: Konsequenzen verzögern

Pastlingsee: Land lässt Leag Wasserverlust prüfen

Potsdam - Es ist ein Vorgang mit besonderem Geschmäckle. Nicht nur, weil sich Brandenburgs Landesregierung schwer damit tut, sichtbare Schäden in der Natur dem Braunkohletagebau in der Lausitz als Verursacher zuzuschreiben. Sondern weil sie vorliegende Ergebnisse nicht von unabhängiger Stelle, sondern vom Verursacher prüfen lässt.

Wäre es eine Erzählung, ginge sie so: Der Pastlingsee, wenige Kilometer vom Braunkohletagebau Jänschwalde entfernt, verliert seit Jahren Wasser. Die Behörden verweisen erst auf den Tagebaubetreiber, denn für die Grube wird großflächig das Grundwasser abgesenkt. Der Betreiber befindet, mit dem sinkenden Wasserspiegel nichts zu tun zu haben. Erst als im Jahr 2015 Fische in Massen sterben und die Dorfbewohner kapitulieren, weil die Hoffnung auf Urlauber futsch sind, niemand mehr dort baden gehen will, verspricht das zuständige Umweltministerium, dass unabhängige Stellen den Gründen für den sinkenden Pegel nachgehen.

Es gibt Messungen – und die kürzlich vorgelegten Ergebnisse sind so klar, dass das Ministerium selbst zunächst auf weitere Gutachten verzichten will. Denn der nahe Tagebau ist – nach diesen Erkenntnissen – die Ursache. Aber die Bergbaubehörde, die dem Wirtschaftsressort untersteht, das traditionell eine gewisse Nähe zum Bergbaubetreiber unterhält, interveniert: Weitere Untersuchungen seien nötig. Nämlich, ob auch andere Ursachen in Frage kämen und wer für welche Ursache verantwortlich sei. Doch diese erneute Prüfung wird nicht von neutraler Stelle vorgenommen.

Politisch ist das alles noch weitaus brisanter, auch weil Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) im Verdacht steht, nicht die gesamte Wahrheit zu sagen. Rückblick: Der frühere Betreiber Vattenfall hatte einen Zusammenhang zurückgewiesen, bot aber an, die Kosten für eine Grundwasser-Zuleitung in den See auf freiwilliger Basis zu tragen. Damit sollte das Problem gemildert werden. Seither pumpt der Bergbaubetreiber über Rohrleitungen Liter für Liter in den See – stabil ist die Lage dennoch nicht.

Kürzlich hatte Vogelsänger eingeräumt, dass der Braunkohlebergbau, inzwischen von der Leag übernommen, etwas mit dem massiven Wasserverlust im Pastlingsee zu tun hat. „Nach erster Einschätzung ist für die Seespiegelabsenkung durchaus ein bergbaulicher Einfluss gegeben“, hieß es. Um das zu konkretisieren, werde das Landesbergamt bis Ende des Jahres zusätzliche Untersuchungen und Berechnungen durchführen lassen. Erst nach Vorliegen und Prüfen der Daten könne ein „abgestimmtes Ergebnis“ präsentiert werden. Die konkreten Daten bisheriger Messungen bleiben jedoch weiterhin geheim – da Eigentum der Leag.

Doch das Landesbergamt, das Landeswirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) untersteht, wird die geheimen Ergebnisse gar nicht selbst mit neuen Untersuchungen prüfen. In einem internen Schreiben, das den PNN vorliegt, heißt es vielmehr: „Die Modellrechnung wird im Auftrag der Leag erfolgen.“ Tatsächlich prüft das Landesumweltamt lediglich die bisherigen Ergebnisse und das Untersuchungsmodell für den zweiten Anlauf. Der Rest wird der Leag überlassen.

Für René Schuster von der Umweltgruppe Grüne Liga ist das ein weiterer Beleg für das zögerliche Agieren des Landesbergamtes gegenüber dem Bergbaubetreiber. Schuster warnt vor „interessengeleiteten Manipulationen der Ergebnisse“ und sieht den Verdacht erhärtet, „dass die Bergbehörde jegliche Konsequenzen des eingetretenen Schadens für den Verursacher nach Kräften zu verzögern versucht, statt konstruktiv an einer Aufklärung der Ursachen mitzuarbeiten“. Bislang sei es Grundsatz des bisher vereinbarten Vorgehens gewesen, die „Bearbeitung selbst und die Interpretation der Ergebnisse“ durch unabhängige Experten vornehmen zu lassen. Doch im Einsatz für die Untersuchungen ist eine Firma, die öffentlich als Partner des Lobbyverbandes „Pro Lausitzer Braunkohle“ in Erscheinung tritt. Schuster findet: Das Gutachterunternehmen spreche sich damit selbst „die energiepolitische Neutralität ab“ und müsse ausgeschlossen werden.

Die Leag selbst findet, dass ein direkter Einfluss des Tagebaus auf den See nicht nachweisbar sei, aber auch nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Man wolle nun die weiteren Ergebnisse abwarten. Würde dem Bergbaubetreiber die Schuld am Wasserverlust nachgewiesen werden, könnten hohe Kosten auf das Unternehmen zukommen. Die Bergbauexpertin der Grünen-Fraktion im Landtag, Heide Schinowsky, spricht von einem Skandal. Es sei nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar, dass Vogelsänger die Leag als Schadensverursacher entscheiden lasse, was untersucht und veröffentlich werden könne. Der Minister müsse unabhängige Untersuchungen veranlassen. Alexander Fröhlich

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