zum Hauptinhalt
Der Kreisreformer: Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD).

© dpa

Umstrittene Kreisgebietsreform in Brandenburg: Innenminister Schröter mit Pfeifkonzert empfangen

SPD-Innenminister Karl-Heinz Schröter warb in der Stadt Brandenburg für die Kreisgebietsreform – vergeblich. Die Fronten bleiben unversöhnlich.

Brandenburg - Bei der geplanten Kreisgebietsreform muss Brandenburgs rot-rote Regierung vor der Landtagswahl 2019 mit heftigen Protesten der Bevölkerung rechnen. Und zwar vor allem in bisher kreisfreien Städten wie Brandenburg an der Havel. Die wollen nicht hinnehmen, dass sie nach den Plänen den Status der Kreisfreiheit verlieren sollen. Das wurde auf der ersten öffentlichen Informationsveranstaltung der Regierung deutlich, zu der Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Montagabend in die Havelstadt geladen hatte – als Auftakt eines landesweiten Bürgerdialoges. Und das Interesse war groß, größer als erwartet, immerhin 800 Brandenburger kamen. Es waren meist ganz normale Bürger, wie eine Frage der Moderatorin ergab. Und sie kamen vor allem, um Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) – die den Widerstand gegen die Einkreisung anführt – den Rücken zu stärken. Die Stimmung im „Stahlpalast“ blieb eindeutig – gegen die Regierungspläne. Es war kurz vor dem Ende, als ein Mann ins Mikro sagte: „Das hat nichts gebracht. Stehen Sie doch einmal alle auf, wer das genauso sieht!“ Und da standen fast alle.

Begründung der Kreisgebietsreform: Demografischer Wandel in Brandenburg 

Die Fronten bleiben unversöhnlich. Vorher hatten sich beide Seiten nichts geschenkt. Schröter begründete die Reform mit der demografischen Entwicklung, bei der auch die Stadt Brandenburg mit aktuell 71 000 Einwohner bis 2030 auf 63 000 bis 65 000 Einwohner schrumpfen soll. Dies sei ein „Naturgesetz“. Man müsse die Verwaltung dem anpassen.

Und Schröter führte die extreme Verschuldung der drei kreisfreien Städte Brandenburg, Cottbus und Frankfurt an, die allein 526 Millionen Euro Kassenkredite haben, eine Art Dispo und damit Ausreißer sind. „Sie leben im Überziehungskredit!“, sagte Schröter zur Lage der Havelstadt. Man habe hier zu viel auf Pump finanziert. Die Stadt komme ohne eine Reform nicht aus der Schuldenfalle heraus. Ähnlich argumentierte Finanzminister Christian Görke (Linke): Die Stadt zahle allein für die Kassenkredite jährlich über 700 000 Euro Zinsen. Wenn das Zinsniveau nur um ein Prozent steige, bekomme die Stadt riesige Probleme.

Brandenburgs Bürgermeisterin Tiemann: „Sie geben uns nicht das Geld, das uns zusteht.“

Da platzte Tiemann einmal mehr der Kragen: „Wir leben weder über unsere Verhältnisse, noch ist unsere Verwaltung zu groß!“ Es sei „unendlich traurig“, dass in der Regierung niemand frage, warum es gerade in den drei Städten diese Verschuldung gebe. Tiemann gab die Antwort selbst: Ursache sei die schlechte Finanzausstattung durch das Land für die großen Städte. „Sie geben uns nicht das Geld, das uns zusteht.“ Tiemann bezog sich auch auf den geplanten Teilentschuldungsfonds für überschuldete Kreise und kreisfreie Städte – mit dem die Regierung die Reform flankieren will. Görke hatte vorher erstmals eine Zahl genannt, nämlich einen Umfang von 400 Millionen Euro. Weitere Einzelheiten wollte Görke nicht nennen, da noch Abstimmungen in der Koalition zu dieser Frage liefen. Tiemann forderte, unter dem Beifall des Saales: „Warum geben Sie uns das Geld nicht heute? Es steht uns zu!“ Und Tiemann wies darauf hin, dass ihre Stadt entgegen früheren Prognosen mittlerweile wieder wachse, keine Einwohner verliere, mehr Kinder geboren würden, Familien herzögen. „So war es 2014. Und der Trend 2015 ist wieder so.“

Einspruch kam da nicht nur von Schröter, sondern auch vom Verwaltungsexperten und Politikwissenschaftler Jochen Franzke von der Universität Potsdam, der im Podium saß. Der langfristige Trend sei eindeutig, danach werde auch die Stadt Brandenburg weiter Bevölkerung verlieren. Und Brandenburg gehöre zu den zehn am höchsten verschuldeten kreisfreien Städten in Deutschland. „Ein einfaches Weiter-So ist nicht möglich“, warnte Franzke dazu. Und Schröter betonte, dass der Verlust der Kreisfreiheit lediglich die Übertragung von bisherigen Stadt-Zuständigkeiten der Mülllentsorgung, des Rettungsdienstes, die Oberstufenzentren auf die Landkreise vorsehe. Niemand brauche davor Angst haben.

Landtag muss über Reform abstimmen

In der Stadt Brandenburg sieht man das weiterhin anders, nicht nur im Rathaus, wie die Wortmeldungen in der mehrstündigen Veranstaltung zeigten, alle durchweg kritisch. Über die geplante Reform muss am Ende der Landtag entscheiden. Die rot-rote Koalition, in der es Abweichler aus den drei Städten gibt, hat für die Pläne bislang keine Mehrheit. Aus dem Landtag waren Vertreter der oppositionellen CDU, Grünen und der AfD im Saal. Und es verfolgte ein Mann den Auftritt der Minister und die Stimmung im Saal aufmerksam: Rudolph Zeeb, Chef der Staatskanzlei von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false